Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

Dann gibt es zwei sehr alte Forderungen. In den von uns zu diesem Thema über Jahre geführten Debatten wurde gefordert, dass die Planbarkeit von Hilfseinsätzen auf der Basis der Gefahrenanalyse vorangetrieben werden soll.

Zur Gefahrenanalyse: Wir, Rot-Grün, haben schon Ende 2004 gefordert – das haben Sie übrigens abgelehnt –, dass in Nordrhein-Westfalen eine Gefahrenanalyse erstellt sowie Gefährdungspotenziale abgeschätzt werden sollen. Alte Forderung, alter Hut! Legen Sie die Gefahrenanalyse doch vor! Warum fordern Sie das denn jetzt schon wieder? Das haben wir alles damals gefordert. Sie haben es abgelehnt. Legen Sie es vor! Das brauchen wir nicht mehr zu fordern, alter Hut!

Nächster Punkt: die überörtliche und landesweite Hilfe bei Großschadenslagen zu erweitern. Sie fordern den Aufbau von Großverbänden. – Auch das findet sich in dem bereits zitierten Antrag von Rot-Grün vom 30. November 2004. Ich zitiere aus diesem Antrag:

Der Landtag sieht in der Zusammenführung kommunaler Feuerwehren, Hilfsorganisationen und des Technischen Hilfswerks in Großverbänden für Einsätze innerhalb und außerhalb des Landes Möglichkeiten der Verbesserung der Hilfeleistung beim Katastrophenschutz.

Auch alter Hut! Haben wir längst gemacht. Da hätten Sie sich damals anschließen können. Das haben Sie nicht getan! Sie fordern es, als sei es etwas Neues. Ich weiß auch nicht, warum man jetzt das Parlament damit beschäftigen soll, sich alten rot-grünen Positionen anzuschließen, sie noch einmal zu bekräftigen. Das fassen wir als Bestätigung unserer Politik auf. Dafür brauchen wir aber diesen Antrag nicht.

Letzter Punkt: Sie wollen die föderale Struktur voranbringen. Es gibt diesen schönen Spruch von

Gorbatschow: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Kollege Rudolph hat bereits darauf hingewiesen: In der Föderalismusreform sind wir am Ende der Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn Sie es mit einem einheitlichen Bevölkerungsschutz und der Zusammenlegung von Zivil- und Katastrophenschutz wirklich ernst meinen – ich habe das im Übrigen für meine Fraktion in den dazu im Landtag geführten Debatten immer ausdrücklich begrüßt –, dann braucht man eine Grundgesetzänderung, Herr Engel, Herr Kruse.

Wo waren denn die Stimmen in der Föderalismusreformdebatte die Stimmen aus Ihren Reihen für eine Grundgesetzänderung? Ich habe keine gehört. Jetzt sind wir kurz vor Schluss. Es ist im Grunde drei Minuten vor zwölf. Die Debatte ist abgeschlossen. Jetzt kommen Sie hier mit einem uralten Hut um die Ecke – wohl wissend, dass das überhaupt nicht mehr realisierbar ist, da die Debatte zu Ende ist.

Kurz und gut: Der Sinn dieses Antrages erschließt sich mir überhaupt nicht. Es sind alte Hüte und Sachen, die Sie nicht machen wollen. Ein besonders progressiver Schritt für den Katastrophenschutz ist dieser Antrag nicht.

Legen Sie eine Gefährdungsanalyse vor, auf die wir schon lange warten! Machen Sie eine Reform des FSHG! Auch das ist längst überfällig. Das Gesetz muss reformiert werden. Das wissen wir alle. Legen Sie einen Gesetzentwurf vor! Dann können wir über die konkreten Maßnahmen reden. Ich sehe aber keinen Grund, warum wir uns mit diesem appellativen krausen Zeug intensiv auseinander setzen sollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt den heute zur Beratung anstehenden Antrag der Koalitionsfraktionen, greift er doch das wichtige Thema Katastrophenschutz auf. Dass wir in diesem Bereich gut aufgestellt sind, hat nicht zuletzt der Einsatz bei dem Schneechaos im Münsterland Ende letzten Jahres gezeigt.

Von nichts kommt aber auch nichts. Trotz mehr als angespannter Haushaltslage hat sich das

Land seiner Verpflichtung nicht entzogen und zweistellige Millionenbeträge in die technische Ausstattung der Katastrophenschutzeinheiten und damit in die Hardware investiert.

Auch bei der Neukonzeptionierung waren wir nicht untätig. In Anbetracht der bereits fortgeschrittenen Zeit lassen Sie mich nur einige Stichworte nennen: Aufbau von Großverbänden in allen Bezirken für die landesweite, aber auch länderübergreifende oder gar EU-weite Hilfe, bessere Verzahnung mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern Niederlande und Belgien, was die Kollegen Kruse und Engel schon angesprochen haben, oder die Entwicklung eines Informationssystems Gefahrenabwehr.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf den Vorredner und die Vorrednerin kann ich nur sagen: Was Sie hier letztendlich beklagen, ist doch etwas, was Sie in Ihrer eigenen Regierungszeit nicht zustande gebracht haben. Wir gehen die Dinge jetzt offensiv an. Wir werden im Übrigen auch den Digitalfunk dann möglich machen, wenn er uns vom Bund zur Verfügung gestellt wird. Die Tatsache, dass Sie es in Ihrer Regierungszeit nicht geschafft haben, mit dem Bund die Vereinbarungen so rechtzeitig hinzubekommen, dass der Digitalfunk jetzt schon erhältlich ist, ist sicherlich nicht der neuen Landesregierung anzulasten, die im letzten Jahr ins Amt gekommen ist und sofort die Mittel zur Verfügung gestellt hat. Wir zeichnen aber nicht für das Vergabeverfahren auf Bundesebene zuständig. Deswegen sind sämtliche Vorwürfe natürlich grund- und chancenlos.

Und was nun, Herr Rudolph – das kann man schon als tibetanische Gebetsmühle bezeichnen – die Aufrechnung mit der Reiterstaffel anbetrifft: Was das miteinander zu tun hat, werden Sie wahrscheinlich keinem erklären können. Die Reiterstaffel ist ein weiteres polizeiliches Einsatzmittel, das übrigens auch in anderen Bundesländern existiert. Das hat überhaupt nichts mit der Frage des Digitalfunks zu tun. Dort sind die Verantwortlichkeiten für Verzögerungen auf Bundesebene zu suchen. Der Bund war über viele Jahre nicht bereit, sich angemessen zu beteiligen. Und das ist sicherlich kein Versäumnis dieser Landesregierung.

Die Beispiele, die ich Ihnen, was die Neuaufstellung und Neukonzipierung anbelangt, genannt habe, belegen, dass in Nordrhein-Westfalen Verbesserungspotenziale im bestehenden Notfallvorsorgesystem ausgeschöpft wurden und werden. Einer weiteren Optimierung stehen die verfas

sungsrechtlichen Schranken des Systems entgegen. Ich halte es zumindest für fragwürdig, ob das aus den 50er-Jahren stammende ursachenbezogene Notfallvorsorgesystem mit seiner Zuständigkeitszweiteilung mit Blick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen noch zeitgemäß ist.

Da sehe ich die Koalitionsfraktionen Seite an Seite mit der Regierung. In diesem auch von der IMK angestoßenen Diskussionsprozess haben wir uns immer klar geäußert und auch konstruktiv eingebracht, und das werden wir auch weiterhin tun.

Vermitteln Sie doch bitte nicht den Eindruck, Frau Düker, als ob erstens die Föderalismusreform schon beschlossen sei und zweitens damit die Diskussion für die nächsten Jahre und Jahrzehnte abgeschlossen sei. Das ist doch völlig unsinnig. Wenn sich weitere Entwicklungen ergeben, werden auch weitere Änderungen angemahnt werden, aber selbstverständlich braucht man dafür Mehrheiten.

Wir machen uns dafür stark, dass das Land in stärkerem Maße auch die Handlungshoheit bekommt, um den Katastrophen, die immer im Kleinen beginnen und sich dann ausweiten, direkt systematisch vor Ort entgegentreten zu können. Wir glauben, dass das der richtige Weg ist.

Aber ich will auch sehr deutlich sagen: Was wären die beste Ausstattung und das beste System ohne die dahinter stehenden Menschen? Erst durch die Helferinnen und Helfer im Katastrophenschutz wird das Ganze mit Leben erfüllt. Herr Rudolph, ob das nun 100.000 sind – das sind die Offiziellen; sozusagen hoheitlich eingebunden – oder ob man im Hintergrund natürlich die wichtigen zusätzlichen Helfer mitzählt, die ergänzend eingebracht werden können, ist keine Frage, die man mit Verve beantworten muss. Wir wissen, dass 80.000 Feuerwehrleute und 20.000 Offizielle im Katastrophenschutz sind und dass es darüber hinaus Gott sei Dank auch viele andere gibt, die sich engagieren.

Wir unterscheiden in unserer Hochachtung nicht zwischen denen, die professionell tätig sind, sondern wir sagen: Alle, die sich im Katastrophenschutz engagieren, haben einen ganz besonderen Dank verdient, denn es ist nicht selbstverständlich – das ist deutlich geworden –, dass jemand Freizeit opfert und zuweilen die eigene Gesundheit und das eigene Leben einsetzt.

Es ist völlig klar, dass die Ehrenamtler von uns deswegen ganz besonders geachtet werden, dass wir uns auch immer bemühen, ihnen entsprechend zu helfen. Diese Menschen sind die Vorbilder unseres Gemeinwesens, und wir arbeiten in

tensiv daran, sie stärker in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken – immer wieder auch immateriell, aber Sie wissen, dass wir in der Vergangenheit – teilweise auch gemeinsam – in diesem Parlament Verbesserungen beschlossen haben.

Die Sache mit der Helfercard muss man in der Tat diskutieren, auch unter dem Aspekt, dass gerade zwischen Bund und Ländern eine bundesweite Helfercard diskutiert wird, sodass wir das zu einem späteren Zeitpunkt im Ausschuss noch vertiefen können. Uns wäre jedenfalls daran gelegen, die Unterstützung des Parlamentes für unsere Arbeit im Katastrophenschutz zu haben. Wir hoffen, dass die Katastrophe nicht eintritt, aber wir wollen wenigstens gerüstet sein. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung zu diesem Antrag sind.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/1877 an den Innenausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, bitte Hand aufzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist mit Zustimmung aller Fraktionen die Überweisungsempfehlung so angenommen.

Wir kommen zu:

8 Gesetzliche Grundlagen zum Schutz von Fluglärm wirkungsvoll verbessern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/1993

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Kollegen Becker für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gilt für Lärm im Allgemeinen, aber es gilt auch für Fluglärm im Besonderen: Lärm macht krank. Die gesetzliche Verankerung eines besseren Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm ist überfällig. Und es ist völlig klar und unbestritten, dass das jetzige Fluglärmgesetz aus dem Jahre 1971 nicht nur seit 1981 hätte fortgeschrieben werden müssen, sondern auch seinen eigentli

chen Zweck, nämlich den Schutz vor Fluglärm, heute längst nicht mehr erfüllt.

Fluglärm bedeutet für viele Menschen eine Beeinträchtigung von Gesundheit und Lebensqualität. Fluglärm bedeutet aber letztlich auch eine enorme volkswirtschaftliche Beeinträchtigung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wertminderung bei Immobilien, erhöhte Ausgaben im Gesundheitswesen, Arbeitsausfälle durch lärmbedingte Erkrankungen oder Ruhestörungen oder Umsatzeinbußen im Tourismus sind wirtschaftliche Folgen von hohem Fluglärm.

All das hat – unabhängig von den Parteifarben und unabhängig von den Regierungen in den letzten 30 Jahren – nicht zu einer Fortentwicklung des Gesetzes geführt. Allerdings hat es immer wieder Anläufe gegeben, insbesondere in der letzten Wahlperiode durch den Bundesumweltminister, wenigstens einen Teil dieser Schwächen aufzuarbeiten und einen fairen Interessenausgleich zwischen der Luftverkehrswirtschaft sowie den Anwohnerinnen und Anwohnern zustande zu bringen. Das ist eine schwierige Aufgabe, wie wir alle wissen. Nicht umsonst hat es 30 Jahre gedauert, bis es überhaupt ein Stück weitergehen sollte.

Neben den verschiedenen sachlichen Interessen gibt es auch die Interessen der Länder, die befürchten, hinterher die Kosten tragen zu müssen, und immer wieder blockiert haben.

Dem jetzigen Gesetzentwurf, der sehr nahe bei dem Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern in der letzten Wahlperiode liegt, wenn er ihn auch nicht hundertprozentig trifft, gelingt es nicht, dem berechtigten Anliegen von Anwohnerinnen und Anwohnern, die täglichen Lärmbelastungen entweder durch aktiven oder passiven Schallschutz in höherem Ausmaß als heute zu reduzieren, nachzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will deutlich auf die Werte hinweisen, die übereinstimmend von neutralen Institutionen gefordert werden. Bei Fluglärmbelastungen von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts sind aus medizinischer Sicht Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegen die Schwellenwerte für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse für Mischgebiete bei einem Dauerschallpegel von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts. Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, verlangt, dass mittelfristig keine höheren Lärmpegel als 55 dB(A) am Tage und 45 dB(A) in der Nacht auftreten sollen.

Mit all dem setzt sich das Gesetz fast gar nicht beziehungsweise äußerst unzureichend auseinander. Das Gesetz hat keinerlei aktiven Lärmschutz zur Folge, wenn es so fortgeschrieben wird. Das Gesetz hat nur unzureichende Verbesserungen im passiven Schallschutz, insbesondere bei den Flughäfen, die als Altbestand gelten, zur Folge. Das Gesetz bringt auch nur sehr wenige Verbesserungen für Neuflughäfen. Es bleibt sogar bei einigen Flughäfen hinter dem Ist-Zustand, wie er in Planfeststellungsbeschlüssen festgeschrieben ist – Beispiel: Münster/Osnabrück und Düsseldorf –, zurück.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ein Skandal!)

Die Anhörung im Bundestag am 8. Mai dieses Jahres hat eindeutig eine breite Kritik an diesem Gesetzentwurf gezeigt. Folgendes wurde kritisiert:

Die Lärmwerte werden nicht den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung gerecht.

Die europaweit anerkannten Lärmkriterien werden nicht angewandt.