Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nach dem gestrigen Fußballspiel – das haben einige Kolleginnen und Kollegen ja auch gesehen – sehr glücklich darüber, dass Deutschland Gastgeberland der Fußball-WM ist, denn ich glaube, eine große Chance des deutschen Fußballs liegt in dem Heimvorteil, der auch gestern zumindest teilweise zu Buche geschlagen hat.

Der Heimvorteil liegt für uns darin, dass die Sendezeiten am Nachmittag beginnen und abends enden. Das heißt, Herr Kollege Vesper, wir müssen die Termine nicht so umständlich umlegen wie bei der WM vor vier Jahren in Südkorea. Darüber hinaus wird der deutschen Mannschaft der Klimavorteil helfen. Wir sollten zu Petrus beten, dass das derzeitige Klima erhalten bleibt. Man erkennt ganz deutlich, dass Nationalmannschaften aus wärmeren Gegenden Probleme haben, mit wettererprobten Fußballmannschaften mitzuhalten.

(Zuruf: Und Holland?)

Klar, die Holländer werden dann natürlich auch gefährlich. – Aber man sieht, wer eine harte Wintersaison verträgt und dann auch noch Fußball spielen kann.

Die Fußball-WM wäre nicht vollständig behandelt, wenn man nicht auf einige Punkte zu sprechen käme, die das Gesamtbild trüben, und diese möchte ich ansprechen. Was für mich nach den Diskussionen der letzten Wochen darüber, wie man die Stadien voll bekommt – die Sicherheitsinteressen, die wir auch zu vertreten haben, spielen dort mit hinein –, eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass diese Fußball-WM ausgesprochen stark durch kommerzielle Interessen geprägt ist, die teilweise in Widerspruch zu Sicherheitsinteressen liegen. Ich froh darüber, Herr Innenminister, dass wir das gemeinsam aufgelöst haben. Vor dem

Hintergrund, dass die Fifa mitgeholfen hat, dass unsere Stadien sicher sind, erwarten wir nun von der Fifa – Stichwort: VIP-Karten –, dass sie jetzt dafür sorgt, dass die Stadien voll werden.

Die Fußball-WM – das ist keine Beckmesserei – wäre allerdings unvollständig beschrieben, wenn man die kommerziellen Interessen zu stark in den Vordergrund rücken würde. Ein solches Großereignis funktioniert nur dann, wenn es viele fleißiger Helfer gibt. Deswegen möchte ich den Polizeibeamten, Feuerwehren, Hilfskräften, Rettungsdiensten und Bundeswehrsoldaten danken, die auf Urlaub verzichten und vier Wochen lang nach Sonderdienstplänen arbeiten müssen. Es gibt auch sehr viele, die das in ihrer Freizeit machen, also sich ehrenamtlich engagieren. Ohne die Tausenden von Kräften aus dem ganzen Land Nordrhein-Westfalen lässt sich ein solches Ereignis nicht erfolgreich stemmen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was das Bild der Fußball-WM auch trüben könnte – dass ist auch in dem gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen angesprochen worden –, ist die Tatsache, dass offensichtlich die Neonazis die internationale Aufmerksamkeit während der Fußball-WM nutzen möchten, um zu provozieren und ihre Gesinnung offensiv zur Schau zu stellen. NordrheinWestfalen muss zeigen, dass es ein weltoffenes Land, tolerant und liberal ist. Es hat inzwischen eine 60-jährige freiheitliche Tradition und ist erfahren darin, die offene, demokratische Gesellschaft gegen ihre Verächter und Feinde zu verteidigen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

In der öffentlichen Debatte ist es auch wichtig, festzuhalten: Dieser Fanatismus, diese Fremdenfeindlichkeit und die Gewalt, die von Neonazis gepredigt werden, richten sich nicht nur gegen die anderen und beschädigen nicht allein nur das Ansehen unseres Landes, sondern dieses richtet sich vor allem gegen uns, gegen die offene und demokratische Gesellschaft sowie gegen unsere Entscheidung, so zu leben, wie wir das gerne möchten. Wir möchten in Nordrhein-Westfalen ohne Angst, ohne Fremdenfeindlichkeit und ohne Hass leben. Das wird auch in dem Antrag aller vier Fraktionen deutlich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Abschließend möchte ich bemerken: Das Verbot der angemeldeten NPD-Demonstration in Gelsenkirchen hat hoffentlich Bestand. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft ist jedoch keine Saisonarbeit, sondern sie erfordert von uns allen ein ausdauerndes,

nachhaltiges Engagement über die Fußball-WM hinaus. Sie ist auch dann wichtig, wenn die Augen des Auslands und der Öffentlichkeit nicht darauf schauen. Dieses Engagement muss dauerhaft sein, und zwar im Kleinen und im Großen.

Ein Letztes noch: Genauso für wichtig halte ich es, dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft nicht alleine auf die Polizei abgewälzt wird, auch wenn da ihre Verantwortung liegt und der Polizeipräsident von Gelsenkirchen sie bislang in hervorragender Weise wahrgenommen hat. Misserfolg haben die Rechtsextremisten nur dann, wenn wir uns gemeinsam gegen sie wehren und die Auseinandersetzung mit Neonazismus die Aufgabe aller Demokraten bleibt. Deswegen wünsche ich mir fröhliche Spiele mit vielen Gästen, aber ohne Neonazis. – Schönen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Clauser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sportliche Kolleginnen und Kollegen, auch Sie hat offensichtlich das Fußballfieber in diesem Saal gehalten. Man merkt daran, dass der Rummel um die Fußballweltmeisterschaft täglich zunimmt. Man könnte meinen, Fußball regiere die Welt.

Worauf freuen sich die Fußballfans am meisten? Eine Antwort auf diese Frage erhalten Sie beispielsweise, wenn Sie einen kurzen Blick in das WM-Online-Gästebuch der Bundesregierung werfen. Dort schreibt Jens aus Dresden:

„Ich freue mich am meisten auf eine riesige Party. Verrückte, kreative und hoffentlich friedliche Fans feiern ein Fest des Fußballs.“

Laura aus Hamburg sagt:

„Die WM wird das Highlight des Jahres.“

Rüdiger aus Bremen schreibt:

„Ich erwarte, dass wir weltmeisterliche Gastgeber sind und dass wir der restlichen Welt zeigen, dass wir keine Nazis sind.“

Abschließend Thomas aus Wangerland:

„Ich freue mich auf die WM, weil es zum ersten Mal im wiedervereinigten Deutschland eine derartige Sportveranstaltung geben wird, weil vielleicht die Wirtschaft dadurch wieder ein Stück angekurbelt wird und weil die Gäste so

viel Geld im Land lassen, dass die Bundesregierung um eine Ausrede ärmer ist, sodass die Mehrwertsteuererhöhung überflüssig wird.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was haben diese eher zufällig ausgewählten Antworten gemeinsam? Sie strahlen Freude, Optimismus, Hoffnung und Zuversicht aus.

Welche Rahmenbedingungen haben wir in Nordrhein-Westfalen, und was können die Menschen von einem guten Gastgeber erwarten? Wir sind gut vorbereitet. NRW ist ein sportbegeistertes Land. Regelmäßig finden hier viele bedeutende Sportveranstaltungen statt. Weltoffenheit und Gastfreundschaft haben die Bürgerinnen und Bürger des Landes oft genug bewiesen. Gern erinnere ich mich noch an die wunderbare Stimmung, an die fantastische Atmosphäre anlässlich des Weltjugendtages im vergangenen Jahr. Es wäre schön, wenn wir die WM in ähnlicher Erinnerung behalten könnten.

Um uns sicher zu fühlen, brauchen wir aber auch sichere Stadien und sichere Städte. Die Polizei und die Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen stehen vor dem größten Einsatz ihrer Geschichte. Ich habe aus vielen Gesprächen vor Ort den Eindruck, dass man die Herausforderungen annimmt und den Einsätzen mit großer Zuversicht entgegensieht. Ich denke, wir alle möchten, dass sich unsere Gäste während der WM wohl und sicher fühlen. Daher begrüße ich ausdrücklich die Ankündigung des Innenministers, bei Aufmärschen von Chaoten und Randalierern konsequent durchzugreifen.

Baulich sind wir bestens vorbereitet. Die WMStadien haben durch zahlreiche Bundesligaspiele ihre hervorragende Praxistauglichkeit oft bewiesen.

Wir müssen einen reibungslosen Ablauf garantieren. Dies gilt auch für die ca. 400 öffentlichen Plätze mit Public-Viewing-Veranstaltungen. Diese Treffen bilden unter Sicherheitsaspekten einen besonderen Schwerpunkt der Polizeiarbeit. Dort, wo sich viele Menschen zusammenfinden, sind Gefahren für die öffentliche Sicherheit nie ganz auszuschließen. Ob sich aus dem schrecklichen Berliner Ereignis neue Erkenntnisse ergeben, sollte sorgfältig geprüft werden. Die Ziele der Polizei für die WM sind klar vorgegeben: Sicherheit hat, bei betont offenem, tolerantem und freundschaftlichem Verhalten, höchste Priorität.

Die kommenden Highlights des Sports bieten dem gesamten Land mehrfache Chancen zur Werbung in eigener Sache. Der Aufwand und die Kosten für die Veranstaltung eines Weltturniers sind außer

ordentlich hoch. Ich bin mir sicher, dass die Anstrengungen von heute erst morgen reiche Früchte tragen werden. Die gesamte Bevölkerung wird von den verbesserten Verkehrs- und Infrastruktureinrichtungen profitieren. Schon jetzt stehen unzählige Fußballvereine und Schulen sowie die Menschen im ganzen Land begeistert hinter der WM und beweisen, welch wichtige Rolle der Fußball in unserem Leben spielt. Dem Deutschen Fußballbund gebührt für die unermüdliche Arbeit und für die Beteiligung von Menschen aus allen Lebensbereichen an diesem Großereignis unsere ganze Anerkennung.

Der durch Umfragen belegte und auch spürbare Optimismus unserer heimischen Wirtschaft wird durch die WM verstärkt. Ich hoffe sehr, dass diese positive Stimmung zu guten Geschäftsergebnissen führt, vielleicht auch zu steigenden Steuerereinnahmen. Unseren Finanzminister würde das freuen. Vielleicht wird auch der eine oder andere zusätzliche Arbeitsplatz entstehen.

Neben den WM-Spielen gibt es oft auch noch ein abwechslungsreiches Kulturangebot. Der Fantasie bei der Durchführung stimmungsvoller Feste sind keine Grenzen gesetzt. Ein 32-Tage-Programm bietet beispielsweise die Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen. Regionale Bands und internationale Stars locken in die Stadien. Auch für die Liebhaber klassischer Klänge ist gesorgt.

Die Vorbereitung und Durchführung der WM erfordern eine intensive Zusammenarbeit mit einer großen Zahl von engagierten Menschen im ganzen Land. Die Verantwortlichen sind in einem großen Netzwerk verbunden, zu dem auch die ehrenamtlichen Kräfte gehören. An den sechs WMSpieltagen in Dortmund werden zum Beispiel Mitarbeiter des Krankenhauses für Sportverletzte in Hellersen die medizinische Betreuung rund um das Spielfeld übernehmen. Für die Mitarbeiter handelt es sich dabei übrigens um eine ehrenamtliche Arbeit. Alle freuen sich auf den Einsatz, wollen sich dort weltmeisterschaftlich präsentieren und hoffen, dass dies auch von der Nationalmannschaft zu sehen ist.

Am 20. Mai gastierte der WM-Pokal in Köln. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen neben dem Pokal alle ehrenamtlich Tätigen. Überschrieben mit dem Motto „Ehrensache – wir sind dabei“ sollte dieser Tag auch ein Dankeschön an die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer sein, ohne deren Einsatz der organisierte Fußball überhaupt nicht vorstellbar wäre. Herzlichen Dank allen, die sich mit großer Begeisterung und viel Einsatz da

für engagieren, dass diese Fußballweltmeisterschaft ein denkwürdiges Ereignis wird!

(Beifall von der CDU)

Fußball regiert die Welt – aber nur bis zum Finale am 9. Juli. Danach werden uns unsere Spitzensportereignisse begeistern. Ich denke an die Hockey-WM in Mönchengladbach, an die Weltreiterspiele in Aachen und ganz besonders an die Fußball-WM der Menschen mit Behinderung. Sie findet vom 26. August bis zum 17. September hier in Nordrhein-Westfalen statt. 16 Mannschaften werden daran teilnehmen. Was besonders wichtig ist: Alle 24 Spiele der Hauptrunde werden hier in NordrheinWestfalen stattfinden.

Durch eine Reihe von Weltsportereignissen bietet sich uns eine gute Chance, mit einer ganzen Reihe von Klischees und vorgefassten Meinungen aufzuräumen. Die Menschen werden sehen können, was für ein wunderbares Land NordrheinWestfalen tatsächlich ist: die Schönheit und Vielfalt der Landschaft, das reiche kulturelle Erbe und nicht zuletzt die Freundlichkeit und die Weltoffenheit der Menschen.

In den nächsten Wochen steht sicherlich der Spitzensport im Fokus der Betrachtungen. Wir sollten den Sport allerdings auch in seiner ganzen Vielfalt zu schätzen wissen. Der Sport leistet einen wichtigen Beitrag zu Bewegung, Spiel und Gesundheit und in besonderem Maße zu Gemeinschaftssinn und zu Verständigung. Lassen Sie uns die vielfältigen Chancen nutzen! Präsentieren wir uns als vorbildliche Gastgeber – ganz im Geiste des tollen Slogans „Die Welt zu Gast bei Freunden!“ – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Clauser. – Als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Düker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass es gelungen ist, hier im Landtag einen interfraktionellen Antrag anlässlich der angekündigten Demonstrationen von Rechtsextremisten in Städten in Nordrhein-Westfalen zu formulieren, in dem wir noch einmal ganz deutlich ein Nein gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus formulieren.

Ja, Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig – das ist in dem Antrag formuliert –: Es schadet dem Ansehen Deutschlands, es beschädigt das Bild des Landes, wenn demonstrierende Rechtsext

remisten anlässlich der Spiele durch unsere Städte laufen. Wir müssen mit allen rechtsstaatlich gebotenen Mitteln versuchen, dies zu verhindern.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, dieses Phänomen Rechtsextremismus auf unseren Straßen schadet nicht nur dem Ansehen Deutschlands in der Welt, sondern es schadet in erster Linie unserer Demokratie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nicht nur diese Provokation der Rechtsextremisten muss uns empören. Die vielen Provokationen beispielsweise anlässlich des Tages der Befreiung von Auschwitz, wenn in Dortmund Demonstranten auflaufen, oder anlässlich der Wehrmachtsausstellung sind sichtbare Zeichen – nicht nur zur WM –, dass das Phänomen Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft existiert und wir etwas dagegen tun müssen.