Maßgeblich für diese Feststellung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Empfängerhorizont. Es kommt also nicht etwa darauf an, so das Bundesverfassungsgericht, aus welchen Motiven die jeweilige Lehrerin das Kopftuch trägt, sondern es kommt darauf an, wie es von den betroffenen
Sehr geehrte Frau Kollegin Löhrmann, ich möchte eine Kollegin von Ihnen zitieren, eine türkischstämmige Bundestagsabgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, nämlich Ekin Deligöz. Die sagt dazu:
„die mit ihren Eltern darum streitet, kein Kopftuch tragen zu müssen, sollte auch von ihrer Lehrerin unterstützt werden. Sie braucht Rückendeckung für die Ausübung ihrer religiösen Freiheit. Dies kann eine Kopftuchverteidigerin nicht leisten.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalition setzt mit ihrem Gesetzentwurf ein klares Zeichen für Integration, insbesondere für die Freiheitsrechte junger Muslima und gegen eine falsch verstandene Toleranz. Toleranz heißt nicht Beliebigkeit. Toleranz bedarf einer Werteordnung, deren Fundament die unantastbaren Menschen- und Freiheitsrechte sind und damit eben selbstverständlich auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Genau das bringt die von mir zitierte Bundestagsabgeordnete der Grünen sehr pointiert zum Ausdruck, die – ich darf wieder zitieren – die staatliche Billigung des Kopftuches als einen Schlag ins Gesicht aller Menschenrechtlerinnen weltweit bezeichnet, die sich gegen die symbolische und faktische Unterdrückung der Frauen wenden.
Dem ist wenig hinzuzufügen, meine Damen und Herren. Wer diesen Sachverhalt von einer Grünen-Abgeordneten, die aus diesem Kulturkreis kommt, über den wir hier debattieren, so beharrlich ausblendet, wie Sie das tun, Frau Kollegin Löhrmann, der wird seiner Verantwortung im Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen nicht gerecht. Das sage ich hier in aller Klarheit.
Frau Kollegin Löhrmann, das Kopftuch ist nicht so harmlos wie die lila Latzhose. Dass Frau Kollegin Beer diese Debatte hier in all der Ernsthaftigkeit und Bedeutung zum Anlass nimmt,
sich ein rotes Tuch um den Kopf zu wickeln, deutet darauf hin, dass sich die Frau Kollegin Beer ebenfalls nicht bewusst ist, dass wir hier über ein ernstes Problem debattieren, das nicht dazu angetan ist, hier im Plenum Klamauk zu machen.
Wir lassen als Koalition der Erneuerung, meine Damen und Herren, die Schulen nicht allein. Einfach zu behaupten, es gäbe keine Konflikte, ist ja schlichtweg falsch. Ich darf erinnern an Frau Reinert, die Schulleiterin einer Gelsenkirchener Gesamtschule, die in der letzten Wahlperiode hier sehr ausführlich und sehr beeindruckend dargestellt hat, zu welchen Konflikten das auch im Schulalltag in Nordrhein-Westfalen führen kann.
Die Sozialdemokraten sagen ja immer, diese 22 Fälle in Nordrhein-Westfalen rechtfertigten kein Gesetz. Aber, Herr Kollege Kuschke, warum stimmen denn dann Sozialdemokraten durch alle Bundesländer vergleichbaren, zum Teil sogar textidentischen Gesetzen zu, wie wir als Koalition der Erneuerung ein solches hier auf den Weg bringen?
Ich empfehle Ihnen zum wiederholten Male: Schauen Sie sich bitte das baden-württembergische Kopftuchgesetz an. Das ist wortidentisch mit unserem Gesetz. Die sozialdemokratische Fraktion im Landtag Baden-Württemberg hat diesem Gesetz zugestimmt. Also kommen Sie uns nicht mit der Unterstellung, das sei verfassungswidrig. Damit würden Sie gleichzeitig eine ganze Reihe Ihrer eigenen sozialdemokratischen Landtagsfraktionen ins Fadenkreuz nehmen und des Verfassungsbruchs zeihen.
Es ist ein Problem, zu dem wir als Gesetzgeber Stellung beziehen, weil wir die Schulen nicht allein lassen wollen. Die Entwicklung in Baden-Württemberg hat ja auch gezeigt, was passiert, wenn der Landesgesetzgeber nicht vorbereitet ist. Wenn es dann zu massiven Konflikten kommt, sind die Schulen allein gelassen. Das darf uns und wird uns hier nicht passieren.
stimmte Glaubensrichtungen. Es geht nicht um die Bewertung von Glaubenswahrheiten. Das geht den freiheitlichen Staat nichts an. Ich sage in aller Deutlichkeit: Jeder soll in Nordrhein-Westfalen nach seiner Fasson selig werden, ob als Christ, als Jude oder als Moslem. Das ist nicht Gegenstand unseres Gesetzes.
Aber der freiheitliche Staat muss sich einmischen, wenn fundamentalistische Haltungen an unseren Schulen Einzug halten, die sich gegen den Wertekonsens der offenen Gesellschaft, gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau richten.
Uns ist wichtig, dass das Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen in eine offensive Integrationsdebatte eingebettet wird. Das weist über den Tag hinaus. Die Debatte wird mit dem Kopftuchverbot erst eröffnet. Weitere Schritte und eine weitere Intensivierung der Diskussion auch hier im Parlament müssen folgen.
Denn wir haben alarmierende Beispiele gescheiterter Integration auch in Nordrhein-Westfalen, seien es Fälle von Zwangsverheiratung – das wird uns morgen auch noch beschäftigen –, seien es Fälle wie dieser schlimme sogenannte Ehrenmord an der Deutschtürkin Sürücü in Berlin. Das sind eben nicht nur spektakuläre Einzelfälle. Nach Schätzungen der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes
sollen allein in Deutschland etwa 30.000 Ehen durch Zwang zustande gekommen sein. Das ist die Entwicklung, die wir sehen müssen und auf die wir reagieren müssen. Die Debatte über das Kopftuchverbot ist nur ein Teil davon.
Es gibt neben unserer freiheitlichen Gesellschaft Parallelgesellschaften mitten unter uns, in denen offenbar diese schrecklichen Geschehnisse möglich sind. Das muss uns auf den Plan rufen als Demokraten, als Fraktionen in diesem Parlament. Wir müssen eine breite Debatte – dazu möchte ich hier noch einmal ausdrücklich aufrufen – führen, wie wir diesen schrecklichen Entwicklungen entgegenwirken können.
Das Kopftuchverbot ist ein Teil dieses Maßnahmenpaketes für eine verbesserte, offensive Integrationspolitik.
Die Frauenrechtlerin Serap Çileli hat aus eigener Betroffenheit heraus gesagt, die Tragödie unter dem Tuch dürfe nicht weitergehen.
Bei der letzten Anhörung haben Verfassungsrechtler unsere Position bestätigt. Prof. Huber hat ausdrücklich nicht nur von einer politischen Option, sondern von einer verfassungsrechtlichen Pflicht gesprochen.
In einer Gesellschaft kultureller und religiöser Vielfalt, die naturgemäß auch Konflikte mit sich bringt – das ist klar –, brauchen wir umso mehr einen klaren, einen festen Wertekonsens: Das ist die Werteordnung des Grundgesetzes, die Werteordnung der offenen Gesellschaft, die Werteordnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Der Wertekonsens des Grundgesetzes ist für uns als Koalition der Erneuerung das Leitbild unserer offensiven Integrationspolitik. Wir werden keine Politik der Beliebigkeit, des beliebigen Multikulti fortsetzen, die zumindest von Teilen der Landesregierung so betrieben worden ist. Auch deshalb weist die Debatte, die wir heute führen, über den Tag hinaus.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Klar ist: Wir alle im Landtag wollen einen ehrlichen, einen offenen Dialog mit den Muslimen in unserem Land. Ich denke, da gibt es keinen Dissens. Wir wollen, dass es selbstverständlich ein gleichberechtigtes Miteinander aller Religionen, aller Glaubensrichtungen, aller Überzeugungen gibt.
Als Koalition der Erneuerung haben wir im Landeshaushalt erste Maßnahmen festgeschrieben und sie auch etatisiert, um zu weiteren Fortschritten zu kommen. Ich erinnere nur an die Verdopplung der Mittel für die vorschulische Sprachförderung oder an das Sonderprogramm für benachteiligte Jugendliche, das uns in besonderem Maße ein Anliegen war.
Jawohl, Herr Präsident. – Von diesem Sonderprogramm werden vor allem junge Migrantinnen und Migranten profitieren.
Das Kopftuchverbot ist also notwendig. Es ist der erste Schritt in einer Maßnahmenkette zu einer offensiven Integrationspolitik für ein friedliches Miteinander der Kulturen …