Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Es mag ja sein, dass Sie diese Information vielleicht nicht vom Minister persönlich bekommen haben, sondern dass in der Arbeitsgruppe des Ministeriums Ihr MdB Willy Zylajew genau deshalb gesessen hat, damit Sie die Informationen über ihn erhalten. Aber ich finde es auch ungewöhnlich, wenn das Ministerium einzelne, eigene Abgeordnete einer Bundestagsfraktion einbindet. Ich hielte es für normal, wenn man das Ministerium oder die Beamten einbindet. Aber ich finde, dass hier die Vermengung zwischen Partei- und Regierungspolitik in einem hohen Maße stattfindet, und zwar in einem solchen Maße, dass Sie das in der Vergangenheit, wenn das jemals jemand von der Regierung so gemacht hätte, niemals hätten durchgehen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen bitte ich Sie, in Zukunft darüber nachzudenken, inwieweit man die Informationen allen

gleichberechtigt zugänglich macht. Sie brauchen sich doch keine Sorgen zu machen, gerade bei einem Thema, bei dem es in der Enquetekommission viel Übereinstimmung gab, dass es einen Wettlauf um die unterschiedlichen Anträge gibt. Von daher finde ich das fatal.

Wenn es nur darum geht, zu sagen: „Lieber Minister, setz doch einmal das um, was die Arbeitsgruppe gemacht hat“, dann ist der Antrag ein Armutszeugnis für Sie, Herr Minister. Wenn nämlich das Ergebnis der Arbeitsgruppe gut ist, halte ich es für völlig normales Regierungshandeln, dass man das Ergebnis einer solch umfangreichen Arbeitsgruppe in politisches Handeln umsetzt und Vorschläge macht: Was kann davon umgesetzt werden? Was passt in das Gesamtkonstrukt? Wie passt das in das Konstrukt mit einer gegebenen Veränderung des Heimgesetzes im Sinne der Föderalismusreform? Dass die Fraktion Sie auffordern muss, ganz normales alltägliches Regierungshandeln zu betreiben, finde ich fatal. Das ist mehr als überflüssig an diesem Punkt.

Wenn man sich den Antrag ansieht – es ist nicht der erste Antrag der CDU zum Thema „Entbürokratisierung in der Pflege“, und es ist nicht das erste Mal, dass wir hierüber diskutieren; wir haben in der Enquetekommission darüber debattiert, Sie haben damals Anträge gestellt –, fällt mir auf, dass das, was Sie früher von uns gefordert haben, nicht mehr vorkommt. Haben Sie nun Erkenntnisse gewonnen, oder sind Sie so sanft geworden, dass all die Aufforderungen, was wir als Bundesratsinitiative in Berlin umsetzen sollten, nicht mehr auftauchen? Daran sollten Sie anknüpfen und Ihren Minister gleichberechtigt auffordern, damit er vielleicht da Unterstützung bekommt, wo er sie in Berlin dringend notwendig hätte.

Zum Inhalt Ihres Antrags kann ich nur sagen, dass er gegen null geht. Ich kann mich nur meinem Vorredner anschließen. Der Antrag enthält etwa die Forderung, die Dokumentationspflichten zu reduzieren. Das haben wir in der Enquetekommission auch schon gesagt. Das haben wir mehrfach gefordert. Wir als Grüne haben auch hier in der Diskussion irgendwann schon einmal deutlich gemacht, dass das Problem im Detail liegt: Auf der einen Seite gibt es die Gratwanderung zwischen Sicherheit und Qualität in der Pflege der Pflegebedürftigen, zwischen Sicherheit und Garantie der Abrechnung für die Finanziers der Pflege, und auf der anderen Seite stehen die überflüssigen wie auch immer entstandenen Dokumentationsaufgaben.

Aus der Pressemitteilung des Ministers ist klar zu erkennen, in der Arbeitsgruppe ist auch festgehal

ten worden, dass für den Umfang der Pflegedokumentation nicht gesetzliche Regelungen verantwortlich sind, sondern ganz andere Gründe. Das haben wir in der Vergangenheit schon einmal thematisiert. Aber dem haben Sie sich früher inhaltlich nie angeschlossen. Vielmehr haben Sie immer gesagt, das Land und die Landesregierung sollten den Umfang der Pflegedokumentation alleine reduzieren. Von daher: Im Teufel steckt das Detail.

(Lachen von Rudolf Henke [CDU])

Insofern kann man nicht einfach sagen: Wir schließen uns an und werden alles modifizieren. Das wird so nicht funktionieren, sondern wir werden im Detail über das, was der Minister aus der Arbeitsgruppe herausziehen wird, reden müssen, um zu schauen, was im Einzelnen damit passiert. Welche Veränderungen liegen wirklich im Interesse der Betroffenen, im Interesse der älteren Menschen? Bleiben die Sicherheit und die Garantie auf Sicherheit erhalten?

Es gibt viele Punkte – der eine oder andere ist auch genannt worden –, zum Beispiel bezogen auf Brandschutzvorrichtungen und Brandschutzauflagen, die gerade für neue Wohnformen überflüssig sind. Es gibt eine Menge Vorschriften in der Lebensmittelhygiene, die es älteren Menschen verbieten, sich an der Zubereitung des Essens zu beteiligen. Es gibt viele unsinnige Regelungen. Darüber kann man gerne reden. Man wird aber auch darüber sprechen müssen, welche sinnvollen Maßnahmen erhalten bleiben müssen.

Deswegen werden wir die Diskussion im Detail führen müssen. Wir haben immer gesagt: Wir sind gerne bereit, über Entschlackung und Bürokratieabbau zu reden. Machen Sie endlich konkrete Vorschläge, Herr Minister, was Sie verändern wollen! Dann können wir darüber debattieren, ob das sinnvoll ist oder nicht. Aber für solche pauschalen Anträge kann man sich das Papier sparen. Lassen Sie uns lieber über die Details reden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu Ihren Vorwürfen, Herr Bischoff und Frau Steffens:

Ich habe mir die Pressemitteilung vom 15. Mai noch einmal angeschaut.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Die habe ich hier!)

Die Fraktion hat sich wohl auf diese Pressemitteilung bezogen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Guck ihn dir doch an! Er wird doch rot dabei! – Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Ich will Ihnen die Wahrheit sagen, wie das mit diesem Bericht war. Gestern während der HartzDebatte kam meine Mitarbeiterin, die Leiterin des Ministerbüros, mit dem Bericht der Arbeitsgruppe. Ich habe gesagt: Ich unterschreibe all das jetzt ganz schnell. Seht zu, dass das morgen in die Fächer kommt, sonst werde ich von Frau Steffens angegriffen, dass der Bericht nicht vorliegt!

(Demonstrativer Beifall von Norbert Killewald [SPD])

Wie man es macht, macht man es anscheinend verkehrt.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Eujeujeu!)

Wenn der Bericht heute nicht vorgelegen hätte, wäre genau dieser Angriff auf den Minister gekommen, dass ich ihn zu dieser Debatte nicht vorgelegt habe.

(Zuruf von der SPD: Ja klar!)

Ich weiß – das ist anscheinend der Stil der Opposition hier im Landtag –, dass man als Minister machen kann, was man will, irgendeiner – Frau Steffens oder Herr Bischoff – wird immer so lange den Kopf über der Suppe schütteln, bis er ein Haar gefunden hat, um es mir vorzuhalten.

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Daran muss ich mich anscheinend in diesem Landtag gewöhnen. Ich bin im Übrigen lange in einem Parlament gewesen, in dem das nicht üblich war. Dort hat man wegen solcher Dinge nicht so viel Zeit verplempert. Diese künstlichen Aufgeregtheiten erregen mich null, und deswegen bleibe ich dabei, dass ich mich völlig korrekt verhalten habe.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich bin meiner Fraktion sehr dankbar, dass wir heute auf der Grundlage eines Antrags über eine Frage debattieren, die in der Szene rund um die Pflege bei jedem Besuch, den ich in Pflegeeinrichtungen mache, eine Riesenrolle spielt. Wenn Sie in die Einrichtungen kommen, wird das wohl nicht

anders sein, dass das Thema Bürokratie und der Anteil des Bürokratieaufwands an der Arbeitszeit einer Pflegekraft bei jedem Besuch – das gilt nicht nur für Pflegeheime, sondern auch für Krankenhäuser – eine Rolle spielt. Deswegen ist es richtig, dass wir uns darum kümmern wollen, diesen Bürokratiedschungel in der Pflege zu lichten.

Dadurch haben wir die Möglichkeit, bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen im Pflegebereich zu schaffen und die Belegschaft zu entlasten. Durch Bürokratieabbau können wir dafür sorgen, dass die Menschen, die in der Pflege tätig sind, mehr Zeit für Zuwendung für die einzelnen Pflegebedürftigen haben. Das sollte ein Ziel sein, bei dem man nicht das Haar in der Suppe suchen, sondern gemeinsam versuchen sollte, es zu erreichen. Daher wundert es wohl keinen, wenn ich diesen Antrag für die Landesregierung ausdrücklich begrüße.

In Zeiten knapper werdender finanzieller und personeller Ressourcen müssen alle Kräfte zur Sicherstellung einer hochwertigen Pflege gebündelt werden.

Vor diesem Hintergrund ist der Bürokratieabbau eines der wichtigsten Ziele der Landesregierung. Ich habe deshalb unmittelbar nach meinem Amtsantritt eine Expertengruppe zu diesem Thema eingerichtet, die mir bis Mitte Mai dieses Arbeitsergebnis präsentiert hat. Wir werden das jetzt bewerten und natürlich auch in den Fachausschüssen darüber reden.

Der Prüfauftrag der Arbeitsgruppe erfasste das Heimrecht, die Pflegeversicherung, das Landespflegerecht, aber auch Regelungsbereiche wie etwa den Brandschutz und die Hygieneaufsicht. Sie alle belasten Pflegeeinrichtungen mit Bürokratie. Die Arbeitsgruppe hat nach meiner Auffassung schnell und gut gearbeitet. Dafür möchte ich mich bei den Mitgliedern, die diese intensiven Beratungen neben ihren eigentlichen Aufgaben in Unternehmen, Verbänden und Organisationen gemeistert haben, auch noch einmal auf diesem Wege recht herzlich im Namen der Landesregierung bedanken.

(Beifall von der CDU)

Ich teile die Einschätzung der Regierungsfraktionen, dass uns die Arbeitsgruppe im Hinblick auf praxistaugliche, umsetzbare Schritte wertvolle Zuarbeit geleistet hat. Bei allen uns unterbreiteten Vorschlägen zur Entbürokratisierung ist allerdings zu beachten, dass es unterschiedliche Hand

lungsebenen wie etwa den Bund für die Änderungen im SGB XI …

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Im SGB XI!)

ja, SGB XI – und im SGB V, die Landesebene für das Landespflegegesetz und die Verordnungen, die Kreise und kreisfreien Städte als Umsetzer des Landespflegegesetzes und des Heimrechtes und die Träger von Pflegeeinrichtungen für interne Maßnahmen gibt.

Wir müssen auch berücksichtigen, dass wir vieles erst im Kontext bedeutender Reformvorhaben wie der Reform der Pflegeversicherung, der GKVReform sowie der Föderalismusreform durchführen können.

Dennoch liegen jetzt rund 35 konkrete Vorschläge zu Änderungen und zu anderen Maßnahmen in den verschiedenen Lebensbereichen vor. So werde ich mich beim Heimgesetz und seinen Verordnungen dafür einsetzen, dass eine generelle Modernisierung des veralteten Heimrechtes zustande kommt. Ich werde mich darauf konzentrieren, den heimrechtlichen Fokus auf ordnungsrechtliche Bestimmungen zu richten, während Qualitätsanforderungen über Vereinbarungen nach dem SGB XI abgesichert werden sollten. Ich werde unter anderem auch dafür Sorge tragen, dass Heimaufsicht und MDK ihre Prüfungen künftig besser aufeinander abstimmen; nur so kann man Doppelprüfungen vermeiden.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

In der Pflegeversicherung geht es darum, den gegenwärtigen Reformzug auch dafür zu nutzen, überflüssige Regelungen wie etwa Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Pflegebuchführungsverordnungen und Pflegeheimvergleich konsequent zu streichen, weil sie in Zeiten, in denen die Preisbildung über den Pflegemarkt bestimmt wird, überflüssig sind.

Im Rahmen des von uns zu verantwortenden Landespflegegesetzes und einer Verordnung werde ich zur Entbürokratisierung des Verfahrens, zur Beantragung und Gewährung von Pflegewohngeld das Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden suchen, um zukünftig die dazu erforderlichen Formulare zu vereinheitlichen und die notwendigen Festlegungen und Angaben zu begrenzen und um das Verfahren der Beratungen und Gewährungen an einer Stelle in der Kommunalverwaltung zu bündeln.

Soweit die Arbeitsgruppe Vorschläge zur Krankenversicherung gemacht hat, werde ich mich im Reformprozess des SGB V dafür einsetzen, die angemahnten Klärungen bei der Gewährung von

häuslicher Krankenpflege herbeizuführen. Das betrifft zum Beispiel den geforderten künftigen Wegfall des Genehmigungsvorbehaltes der Krankenkassen bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung oder auch die Verordnung nach einer Verordnungsmöglichkeit von Krankenhausärzten bei Entlassungen in die eigene Häuslichkeit sowie die Implementierung eines Systems heimärztlicher Versorgung.

Daneben gibt es aber auch Vorschläge, die auf der Selbstverwaltungsebene umgesetzt werden können. Hierzu gehören die zeitliche Entzerrung bei ärztlichen Versorgungen zum Quartalsende sowie die Aufhebung zeitlicher Befristungen von Verordnungen für chronisch Kranke und die Sicherung der Vollständigkeit der vorgenommenen Verordnungen.

Ich werde die Beratungen mit der Selbstverwaltung nutzen, um diese Anregungen zu transportieren. Für andere Maßnahmen als Gesetzesänderungen müssen wir bei den Beteiligten erst Überzeugungsarbeit leisten, wie zum Beispiel trägerinterne Anforderungen nicht par ordre du mufti abzuschaffen. Hier werden uns die Ergebnisse des Referenzmodells helfen.