Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Viermal im Jahr ist ein schriftlicher Bericht bis ins Detail vorzulegen. Im Übrigen haben Sie den Begriff Insolvenz herausgenommen. Jetzt sehen Sie den Staatskommissar vor. Sie sehen vor, dass womöglich unabhängige Sachverständige von außen in die Hochschulen gesetzt werden. Wo in diesem Verfahren ist weniger Bürokratie?

(Zuruf von der SPD: Wo ist da mehr Frei- heit?)

Schauen Sie sich das einmal genau an. Ob das noch etwas mit mehr Selbstbestimmung zu tun hat, kann man deutlich infrage stellen.

Wir halten einen Hochschulrat durchaus für sinnvoll. Der Begriff sagt nicht, was dahinter steht.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Wir wollen in der Tat eine stärkere Einbindung in das gesellschaftliche Umfeld, indem ein solcher Hochschulrat Beratungsrechte und Initiativrechte gegenüber den Hochschulgremien hat. Das halten wir für erforderlich; das ist auch gut so. Bei ihrem Vorschlag wird keine Verantwortung getragen. Wenn Sie konsequenterweise auf Unternehmen in den Kommunen anwenden, was Sie hier vorschlagen, müsste eine Haftung für diejenigen vorgesehen sein, die nachher ganz wesentlich über das Schicksal einer Hochschule entscheiden.

Denn nach wie vor sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Zielvereinbarung, dass die Hochschul

entwicklungsplanung, dass die Wahl der Führung der Hochschule, des Präsidiums, über den Hochschulrat entschieden werden, über ein externes Gremium, bei dem die Angehörigen, die Hochschule ausmachen und die in diesem System grundgesetzlich verbriefte Rechte haben – das müssten Sie auch einmal bedenken – überhaupt zum Zuge kommen. – Meine Damen und Herren, diese Konstruktion lehnen wir ab.

Es kommt noch der weitere Aspekt öffentlicher Verantwortung hinzu: Ich habe eingangs gefragt, wie wir diese Verantwortung wahrnehmen. Wir lehnen es ab, dass in Zukunft ein DIN-A4-Blatt mit 27 Positionen mit den jeweiligen Globalhaushalten im Landtag verabschiedet wird, ohne dass der Landtag festlegen kann, wie die strategischen Entwicklungsziele zu formulieren sind. Im Endeffekt ist es nur noch ein Tête-à-Tête zwischen Ministerium und Hochschulleitung – im Endeffekt des Hochschulrates –, wie die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aussehen. So können wir uns nicht aus der öffentlichen Verantwortung herausziehen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir wollen, dass der Landtag mit im Boot bleibt und Verantwortung tragen kann. Denn die Frage, ob wir genügend Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land haben, können Sie nur von hier aus mit den Hochschulen über das Ministerium klären. Ob die Hochschulen den Strukturwandel vorantreiben sollen und wie sie es machen sollen, mit welchen Schwerpunktthemen, können Sie nicht mit jeder einzelnen Hochschule alleine vereinbaren. Der Landtag steht in der Verantwortung. Wir wollen auch die erforderlichen Finanzmittel bereitstellen, die dafür neben der Grundfinanzierung, die wir im Rahmen der Globalhaushalte zur Verfügung stellen werden, erforderlich sind.

Meine Damen und Herren, leider ist meine Redezeit zu Ende. Aber wir werden noch genügend Gelegenheit haben, im Ausschuss und in der Anhörung zu diskutieren. – Hier wird auch von Kultur gesprochen. Herr Lindner hatte den Begriff in den Mund genommen.

(Frank Sichau [SPD]: Der meinte Kulturbeu- tel!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Was Sie hier versuchen, ist eine vermeintliche Kulturrevolution. Sie wissen ja, wie solche Kulturrevolutionen ausgehen. Sie sind ja in der sozialistischen Literatur bewandert, Herr Lindner. Dann werden Sie die Ergebnisse solcher Kulturrevolutionen kennen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir sind der Meinung, dass unsere Hochschulen, dass die studierenden, die forschenden, die lehrenden und die dort arbeitenden Menschen ein Recht darauf haben, ein Hochschulgesetz zu erhalten, dass alltagstauglich ist und unser Land voranbringt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Schultheis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Dr. Vesper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle einer Debatte ist man oft ein bisschen der Lumpensammler, der an der Strecke der Debatte das aufliest, was noch übrig geblieben ist. Deswegen ganz kurz zu Ihnen, Herr Lindner: Dass der Papst der kompetenteste Ansprechpartner ist, wenn es um Autonomie geht, wage ich wirklich zu bezweifeln.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielleicht sollte er erst einmal seinen Bischöfen etwas mehr Autonomie geben, bevor er sich zum nordrhein-westfälischen Hochschulgesetz äußert.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Sie haben behauptet, seit 2002 hätte es unter der Vorgängerregierung nichts Neues mehr im Hochschulrecht gegeben. Das ist nicht der Fall.

(Christian Lindner [FDP]: Das habe ich so nicht gesagt! – Zuruf von der SPD: Doch! Das haben Sie so gesagt!)

Das lesen wir im Protokoll nach.

In Wirklichkeit ist erst zum 1. Januar 2005 das neue HRWG in Kraft getreten – das, wenn man es ausspricht, Hochschulreformweiterentwicklungsgesetz. Ich muss übrigens sagen: Hochschulfreiheitsgesetz spricht sich leichter als dieser Begriff Hochschulreformweiterentwicklungsgesetz.

(Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pink- wart)

In der Tat.

(Carina Gödecke [SPD]: Alles, was flott über die Lippen geht, ist gut!)

Aber man kann nicht sagen, dass hier unter RotGrün nichts passiert wäre. Im Gegenteil, wie auch Frau Seidl und die Kollegen von der SPD ausgeführt haben: Wir haben uns auf den Weg der Verselbstständigung der Hochschulen begeben.

Das ist nicht das Gegenteil. Das steht in der Mitteilung, und zwar von denen unterzeichnet, von denen Sie reklamieren, dass sie die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf schon erklärt hätten. Das ist aber erkennbar nicht so.

Deswegen, lieber Herr Pinkwart, ist es auch nicht so, dass wir das Grundziel des Gesetzes ablehnten. Nein, in vielen Punkten befinden wir uns durchaus in Übereinstimmung mit Ihnen. Auch wir wollen mehr Selbstständigkeit. Auch wir wollen einfachere Regeln. Auch wir wollen weniger Bürokratie. – Dass das mit Ihrem Gesetz tatsächlich erreicht wird, wage ich allerdings sehr zu bezweifeln.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie fordern uns auf, dies sehr genau zu prüfen. Meine Damen und Herren, das werden wir in der Ausschussberatung im Einzelnen auch tun. Ich bin sehr gespannt, ob Sie wirklich offen in den Beratungsprozess im Ausschuss hineingehen, ob Sie auf Argumente reagieren, ob es mit der Ausschussmehrheit dann auch zu Veränderungen kommt. Ich freue mich auf intensive Beratungen im zuständigen Fachausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Denn dort sind viele neue bürokratische Hürden aufgebaut.

Wir befinden uns allerdings an der grundsätzlichen Wegweiche, und da müssen wir aufpassen, in welche Richtung wir gehen wollen, ob wir den Umstand, dass der Staat Verantwortung abgibt, so weit treiben wollen, dass sich der Staat am Ende völlig aus der Verantwortung für die Hochschulpolitik und die Hochschulbildung herauszieht. Das kann meines Erachtens nicht sein. Wir haben keine Privatuniversitäten. Wir haben öffentlich finanzierte und aufgebaute Universitäten. Deswegen muss der Staat trotz aller Verselbstständigungs- und Autonomiebemühungen auch nach wie vor in der Verantwortung bleiben und darf sich nicht völlig daraus zurückziehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Dr. Vesper. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Minister Pinkwart.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind hier einige Punkte angesprochen worden, auf die ich doch gerne noch eingehen möchte. Vor allen Dingen hat mich sehr erstaunt – bei Herrn Eumann weniger, denn wenn ich mich recht erinnere, hat er persönlich an der Besprechung der Obleute beim Ausschussvorsitzenden nicht teilgenommen, aber doch bei Frau Seidl und Herrn Schultheis –, dass immer der Eindruck erweckt worden ist, als sollten und wollten wir hier etwas durchpeitschen. Wir hatten mit dem Ausschussvorsitzenden Einvernehmen auch über den Zeitplan hergestellt. Alle anwesenden Fraktionen haben die Beratungszeit als hinreichend bewertet.

Sie sagen, Herr Pinkwart, dass die Hochschulen alle zustimmen. Ich war bei verschiedenen Personalversammlungen – Herr Lindner, wenn Sie mir noch einen Moment Ihre Aufmerksamkeit schenken könnten –, um mit den Beschäftigten zu diskutieren. Wer nicht da war, sondern durch Abwesenheit glänzte, das waren die Kollegen der CDU und der FDP. Die haben sich den kritischen Anmerkungen der Beschäftigten eben nicht gestellt.

(Beifall von der SPD – Barbara Steffens [GRÜNE]: Unglaublich!)

Das zeugt doch von einer gewissen Hasenfüßigkeit, meine Damen und Herren.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir haben dort noch einmal dargelegt, dass wir die ganze Vorlesungszeit des Sommersemesters genutzt haben, um auch den Hochschulen eine intensive Befassung mit dem Ihnen zunächst als Referentenentwurf vorgelegten Gesetz zu ermöglichen.

Gerade heute haben wir eine Pressemitteilung der Landesrektorenkonferenz bekommen. Ich darf daraus kurz zitieren:

„Die Rektoren der nordrhein-westfälischen Universitäten haben große Sorge, dass das … neue Hochschulgesetz des Landes den Hochschulen Kosten in unabsehbarem und möglicherweise existenzbedrohendem Umfang aufbürdet.“

Es ist zu Recht angesprochen worden, dass sehr viele Eingaben gemacht worden sind. Ich stelle hier aber fest, dass die aus unserer Sicht wichtigen Verbesserungsvorschläge in diesen Gesetzentwurf Eingang gefunden haben.

(Christian Lindner [FDP]: Das Gegenteil ist der Fall!)

Wenn dann Herr Schultheis reklamiert – ich sehe ihn im Moment nicht;