Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Ich nenne die vielfältigen Internetpräsenzen als Beispiel. Sie können einmal auf die Seiten der Stadt Ahlen schauen. Dort gibt es unter dem Titel „Senioren-Ahlen.de“ eine hervorragende Plattform.

Es gibt außerhalb der Landespolitik etwa die beiden eben erwähnten Enquetekommissionen. Es gibt die Landesseniorenvertretung in NordrheinWestfalen, die Landesarbeitsgemeinschaft Wohnberatung, das Forum Seniorenarbeit.

Aber auch die aktuelle Landespolitik hat dieses Thema schon vor langer Zeit erkannt. Ich darf aus der Koalitionsvereinbarung zitieren:

„Unser Ziel ist, älteren Menschen so lange wie möglich das selbstbestimmte Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Daher wird die Wohnungsbauförderung stärker auf die Schaffung von altengerechtem Wohnraum ausgerichtet. Die Modernisierung von bestehenden Alten- und Pflegeheimen wird zum Regelförderangebot.“

Dieses Wohnraumförderprogramm ist im laufenden Jahr immerhin mit rund 900 Millionen € ausgestattet. Ich bin sicher, der zuständige Fachminister wird gleich auf einige Details eingehen.

Aber auch auf Bundesebene tut sich einiges. So ist schon mehrfach das Modell der MehrGenerationen-Häuser angesprochen worden. Ich darf ergänzen: Es gibt das Modellprogramm „Neues Wohnen – Beratung und Kooperation für mehr Lebensqualität im Alter“.

Wenn man all dies und vieles andere mehr zusammenfasst, stellt man fest, dass es vielfältige Aktivitäten in diesem Bereich gibt – auch ohne den Antrag, den die SPD-Fraktion vorgelegt hat. Ehrlich gesagt stört mich an diesem Antrag der alleinige Ruf nach dem Staat. Die Wohnungswirtschaft weiß schon lange, dass seniorengerechte Wohnformen ein zentraler Zukunftsmarkt sind.

Auch wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, es nicht gerne hören: Im Bereich der Wohnungswirtschaft, im Bereich des Neuen Wohnens im Alter geht ebenfalls privat vor Staat, ohne

dass wir das Land und die Landespolitik aus der Verantwortung entlassen wollen.

Insofern ist der von Ihnen vorgelegte Antrag viel zu eng gefasst. Vieles davon können wir im Fachausschuss gerne noch ausführlicher diskutieren. Daraus kann man noch viel mehr machen – außer den Selbstverständlichkeiten, die schon dargestellt worden sind. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hollstein. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Asch das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehrlich gesagt haben wir als grüne Fraktion uns ein bisschen über den Antrag gewundert. Denn wir haben einen fast gleich lautenden Antrag im Verfahren, der sehr viel komplexer ist und mehr abbildet. Herr Hollstein hat es eben schon erwähnt und hat ihn auch zitiert. Der Antrag ist seit August letzten Jahres eingebracht. Auf seiner Grundlage soll ein gemeinsamer fraktionsübergreifender Antrag entwickelt und formuliert werden.

Deswegen stößt es bei uns auf ziemlich großes Unverständnis, dass es noch einmal einen Aufschlag gibt, weil sehr viele Aspekte formuliert sind, die bereits in unserem grünen Antrag enthalten sind. Sie stehen übrigens auch schon in einem rot-grünen Antrag aus dem Jahr 2005. – Gleichwohl kann man vielleicht Richtiges nicht oft genug benennen.

Wohnen hat einen ganz zentralen Stellenwert – das hat auch die Arbeit der Enquetekommission in der letzten Legislatur deutlich gemacht – für die Erhaltung der Selbstständigkeit und der Gesundheit älterer Menschen. Klar und eindeutig ist auch, wie die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen in Bezug darauf, wie sie im Alter wohnen wollen, aussehen. Dazu brauchen wir nur uns selber und die Menschen in unserem Umfeld zu befragen: Wir alle möchten im Alter selbstbestimmt leben. Wir wollen in unserer eigenen vertrauten Häuslichkeit bleiben und nicht in einer stationären Großeinrichtung untergebracht werden. Unter dieser Zielsetzung müssen wir die Strukturen und die gesetzlichen Regelungen anpassen.

Ich habe bereits in den Beratungen zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt ausgeführt und erläutert, wie wichtig für den Verbleib im gewohnten Lebensumfeld die Selbsthilfe und die nachbar

schaftlichen generationenübergreifenden Netzwerke sind. Unserer Auffassung nach erübrigt sich die Frage, die Sie in Ihrem Antrag geklärt haben wollen, ob es überhaupt einen rechtlichen Änderungsbedarf für die Realisierung neuer Altenhilfestrukturen gibt. Natürlich gibt es hier Veränderungsbedarf. Das hat auch die Arbeit der Enquete gezeigt. Wir müssen uns vielmehr fragen: Was muss sich an den gesetzlichen Grundlagen ändern, damit wir in Bezug auf neues Wohnen im Alter weiterkommen?

Wir Grüne haben hierzu sehr klare Vorstellungen, die sich auch in dem zitierten Antrag finden. Einige möchte ich noch einmal nennen:

Erstens. Der Grundsatz „Vorrang vor ambulanter Hilfe“ muss sich auch auf die Finanzierung im Rahmen des SGB XI niederschlagen.

Zweitens. Wir brauchen eine Änderung des sehr eingeengten Einrichtungsbegriffs in der Pflegeversicherung. Denn bei der Pflegeplanung werden nach wie vor die traditionell ausgerichteten stationären Angebote gegenüber den neuen Wohn- und Pflegeformen bevorzugt.

Drittens. Die Leistungen für die Wohnanpassungsmaßnahmen müssen dynamisiert werden.

Viertens. Die Übergänge der Finanzierung durch Pflege- und Krankenkassen müssen fließender und flexibler gestaltet werden. Die Perspektive ist hier die Einführung eines sektorübergreifenden Budgets, um die Schnittstellen der verschiedenen Leistungsträger zu verkleinern.

Fünftens. Der im SGB XI verankerte Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ und der überwiegend somatisch angelegte Begriff von Pflegebedürftigkeit begünstigen ein zu einseitiges Verständnis pflegerischer Arbeit. Auch im Fall der Pflegebedürftigkeit sind die Potenziale der Rehabilitation und Gesundheitsförderung vorhanden. Hier müssen die gesetzlichen Grundlagen weiterentwickelt werden. Ein Paradigmenwechsel auch innerhalb der Pflegeprofession hin zur Gesundheitsförderung als Bestandteil der Arbeit ist überfällig.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, ist es notwendig, die Regelungen des Heimgesetzes stärker auf die Lebens- und Wohnbedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner auszurichten. Das Heimrecht kann in seiner jetzigen Form nicht die Grundlage für ambulant betreute Wohngemeinschaften und andere neue Wohn- und Pflegeformen sein.

Das Heimgesetz muss deshalb schnell überprüft und überarbeitet werden. Die Veränderungen müssen auf Bundesebene eingebracht werden.

Das alles haben wir bereits in den vorangegangenen Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen formuliert und eingebracht. Was jetzt vorliegt – das habe ich schon einmal erwähnt –, bietet keine neuen Ansätze oder Aspekte. Aber es schadet auch nicht. Man kann diesen Antrag einfach in das gemeinsame Verfahren, das auf der Grundlage unseres grünen Antrages zur Neuformulierung durchgeführt werden soll, einbringen. Dort sollten wir das gemeinsam diskutieren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herzlichen Dank, Frau Asch. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Romberg das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir als FDP sind über den Antrag befremdet, wo wir gerade in Beratungen sind, etwas Gemeinsames zu schaffen. Der Entwurf ist auch schon ziemlich gut; ich habe ihn diese Woche noch einmal gelesen. Ich denke, dass es völlig unangebracht ist, mit so einem Ding zu kommen – außer, Sie wollen wieder irgendetwas in Papierform bei den Verbänden abliefern. Es geht Ihnen, glaube ich, nicht um eine Fortsetzung und Förderung der Inhalte.

Anstatt einer ehrlichen Bestandsaufnahme – zum Beispiel wird mit keinem einzigen Wort erwähnt, dass die Anpassung des Wohnbestandes an die Bedürfnisse älterer Menschen in das neue Wohnraumförderungsprogramm aufgenommen worden sind – werden unter rot-grüner Verantwortung eingeleitete Schritte unreflektiert gelobt. Ohne auch nur ansatzweise auf die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen einzugehen, fordert die SPD unter anderem, den seniorengerechten Wohnungsbau zu verstärken, die landespolitischen Maßnahmen auszubauen sowie generationenübergreifende Wohnformen zu entwickeln – und das bei einem Schuldenstand dieses Landes, bei dem die SPD nicht ganz ohne Verantwortung dafür ist, dass er mittlerweile so hoch ist.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch keine Dip- lomatenschule hier!)

So muss man den SPD-Antrag als Signal werten, aus der gemeinsamen Initiative auszusteigen, was ich bedauere. Wenn die Sozialdemokraten ihren Antrag nicht noch zurückziehen, werden wir Freien Demokraten ihn aus folgenden Grünen ablehnen:

(Dieter Hilser [SPD]: Das trifft uns schwer!)

Wohnen im Alter kann nicht nur unter dem Gesichtspunkt Bauen gesehen werden. Nicht umsonst umfasst der Bericht der Enquetekommission fast 600 Seiten und enthält eine Vielzahl von Aspekten. Wenn sich die SPD mit ihrem Antrag schon auf Handlungsempfehlungen stützt, hätte sie auch Dinge wie die Entbürokratisierung in der Pflege, die Personalsituation in der Altenpflege, Finanzierbarkeit, Systematik und Reform der Pflegeversicherung ansprechen müssen.

Denn was nützen tolle Bauprojekte, wenn sie sich nachher niemand leisten kann, wenn keine ambulante Pflege für den Bedarfsfall gesichert ist, wenn bürokratische Hemmnisse die Entstehung innovativer Wohnformen verhindern oder in unzumutbarer Weise verteuern. Es reicht nicht aus, den Landtag allgemein aufzufordern darzulegen, ob bei der Realisierung neuer Strukturen rechtlicher Änderungsbedarf gesehen wird. Es hätte mehr Konkretes kommen müssen, zumal die Rede von bestehenden Vorschriften ist, die die Entstehung neuer Wohnformen hemmen könnten, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Auch dort ist die SPD, glaube ich, immer noch in der Regierungsverantwortung.

Meine Kollegen in Berlin haben im Februar dieses Jahres erneut gefordert, insbesondere das Heimgesetz mit den zugehörigen Verordnungen daraufhin zu überarbeiten.

(Beifall von der FDP)

Es ist dem Thema auch nicht angemessen, dass kein Bezug zum Wohnraumförderungsprogramm 2006 hergestellt wird, wenn man sich schon auf das Thema Bauen beschränkt. Im Programm wird der richtige Weg zum generationsgerechten Wohnungsbau eingeleitet. Die Neuorientierung trägt dem demographischen Wandel Rechnung, indem insbesondere junge Familien mit Kindern und seniorengerechtes Wohnen unterstützt werden. Neben der Fortsetzung der Förderung des Neubaus von barrierefreiem Wohnraum wird nun erstmalig auch die Anpassung des Wohnbestandes an die Bedürfnisse älterer Menschen gefördert.

Die Forderung im SPD-Antrag, zu berichten, inwieweit neues Wohnen mit Mitteln des Wohnraumförderungsprogramms ermöglicht wird, ist daher völlig überflüssig. Ratsam wäre es, die Bestimmungen des Wohnraumförderungsprogramms 2006 zu lesen. Da steht ganz viel drin: Förderung eines altengerechten Wohnraums erhält hohen Stellenwert, gefördert werden Mietwohnungen mit Betreuungsangeboten, barrierefreie Wohnungen, gemischt genutzte Wohnanlagen mit integrierten Pflegewohnplätzen, Mietwohnungen für Wohn

gruppen älterer und behinderter Menschen, Gruppenwohnungen mit ambulanter Betreuung wie kleine stationäre Einrichtungen, die ins Wohnquartier eingebunden sind, Maßnahmen im experimentellen Wohnungsbau – dazu gehören unter anderem generationenübergreifende Projekte.

Auch die Schwerpunkte im Antrag sind falsch gesetzt. Richtigerweise wird dargelegt, dass zum Beispiel die Mehrheit älterer Menschen im selbstbestimmten Wohnumfeld bleiben will und eine Heimunterbringung vermieden werden soll. Die erste Maßnahme, die die SPD selbst lobt, ist allerdings die Zahlung eines Pflegewohngeldes, das den Aufenthalt in Pflegeeinrichtungen ermöglicht. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Unter diesen Voraussetzungen ist der Antrag viel zu kurz. Wohnen im Alter ist eine Querschnittsaufgabe, die wir weiterhin übergreifend in den Ausschüssen des Landtags wirklich beraten sollten. Ich wäre froh, wenn wir die gemeinsame Initiative doch voranbringen könnten. – Danke sehr.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Wittke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ihr Antrag enthält viele gute Vorsätze und Anregungen für ein neues Wohnen im Alter. Was ihm jedoch völlig fehlt, ist jeglicher Neuigkeitswert; denn das Wohnen im Alter und die Anpassung der Wohnungspolitik an den demographischen Wandel stehen bereits heute im Mittelpunkt der Wohnungspolitik und der Wohnraumförderung unseres Landes. Ich will darauf verweisen, dass Kollege Laschet das gerade schon in seinem Wortbeitrag angesprochen hat. Es erschließt sich mir sowieso nicht, warum diese Anträge nicht gemeinsam behandelt werden konnten; denn das, was inhaltlich gleich ist, kann auch gleich behandelt werden.

(Beifall von Jürgen Hollstein [CDU])

Schon in der Koalitionsvereinbarung haben wir verabredet, die Wohnungsbauförderung stärker auf altengerechten Wohnraum auszurichten. Bereits mit dem ersten Wohnraumförderungsprogramm der neuen Landesregierung haben wir dies umgesetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich nach der jüngsten Bevölkerungsprognose

des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik die Anzahl der über 80-Jährigen bis zum Jahre 2025 um über 70 % erhöhen wird und wenn die Anzahl dieser hochbetagten Mitbürger in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2050 mit dann 2,2 Millionen Menschen fast dreimal so hoch sein wird wie heute, dann ist doch völlig klar, dass sich gerade der Wohnungs- und Städtebau mit seinen langfristig angelegten Investitionen schon heute auf diese Herausforderungen einstellen muss. Das bedeutet aber nur teilweise ein Mehr an Spezialimmobilien für Alte; es bedeutet jedoch immer Wohnungen, in denen man alt werden kann.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Seniorengerechte Immobilien sind ein Zukunftsmarkt für die Wohnungswirtschaft. Sozial- und wohnungspolitisches Ziel der Landesregierung ist es, dass ältere Menschen möglichst lange in ihrer eigenen Wohnung und im angestammten Quartier bleiben können. Das Wohnraumförderungsprogramm bietet eine ausreichende Finanzierungsgrundlage, auch zukünftig neues Wohnen für die spezifischen Bedürfnisse älterer Menschen zu unterstützen.