Vielen Dank, Herr Stahl. – Nun ist Frau Abgeordnete Löhrmann, Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, an der Reihe. Frau Löhrmann, Sie haben das Wort.
Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat auf das Bezug genommen, was ich schon gesagt habe. Den Ball greife ich gerne auf. Er hat versucht – der Versuch ist ja nicht strafbar –, mich intelligent zu interpretieren. Was die Zielsetzung angeht, war das so weit in Ordnung. Dann aber – da hatten Sie einen Bruch in Ihrer Argumentation – fielen Sie in die Wahlkampfdiskussion zurück. Da war es dann aus meiner Sicht mit der Stringenz Ihrer Argumentation vorbei,
Ich sage gern noch einmal, was ich gemeint habe, was die meisten – das haben die Reaktionen auch gezeigt – meiner Meinung nach richtig verstanden haben.
Die Zielsetzungen, die Sie und die wir genannt haben, teilen heute alle. Sie standen auch schon in anderen Schulgesetzen schon. Aber dass die Instrumente, die Sie in bestehenden Strukturen wählen, dazu führen werden, dass sie die Zielsetzungen zum Leidwesen der Kinder und auch zum Leidwesen der ökonomischen Anforderungen unserer Wirtschaft nicht erreichen werden, das ist das, worauf ich hinweisen möchte.
Deutlich wird auch – das hat Herr Stahl gerade noch einmal gesagt, ich mache es bewusst ganz ruhig –: Sie haben auf Ihre Petersberger Beschlüsse verwiesen, die Sie, wenn ich die Genese richtig im Blick habe, vor den ersten Pisa-Studien gefasst. Das ist, glaube ich, das Problem.
Sie haben sich an Beschlüsse gebunden, aus denen Sie jetzt nicht mehr herauskommen, an denen Sie aber festhalten müssen. Das wird auch daran deutlich, dass andere Landesverbände der CDU offensichtlich nicht so stark gebunden sind und sich weiterentwickeln. Ich bitte noch einmal leidenschaftlich darum, dass Sie diesen Fehler
nicht machen. Ich sehe natürlich, dass Sie das mit der Verabschiedung dieses Gesetz heute tun werden.
Wenn Sie diesen Ideologievorwurf erheben: Meine Güte, ich habe Herrn Sinn, Herrn Späth genannt, ich kann Frau Süssmuth nennen, die alle anfangen zu diskutieren. Ich bleibe aber in Nordrhein-Westfalen, weil uns das heute Morgen bei einem anderen Punkt auch wichtig war.
Der Verband Bildung und Erziehung, in dem viele CDU-Kommunalpolitikerinnen, Hauptschullehrerinnen, Grundschullehrerinnen verankert sind, schlägt genau den Weg vor, nämlich die Verknüpfung innerer und äußerer Schulreform, damit eine neue Schule, die allen Kindern gerecht wird, von unten wachsen kann.
Niemand bildet sich ein, auch wir seit langen Jahren nicht, als könnte man oben ein Gesetz machen und dann würde alles gut. Von unten muss es wachsen. Da müssen wir die Instrumente anbieten. Die Menschen müssen die Freiheit haben, diese Instrumente im Lichte der demographischen Entwicklung an jedem einzelnen Ort zu nutzen. Diesem Weg des Verbandes Bildung und Erziehung mit der allgemeinen Sekundarschule haben sich die kommunalen Spitzenverbände – und zwar alle drei – in diesen Anhörungen angeschlossen.
Wenn ich mich recht erinnere, ist die CDU eine Kommunalpartei, und wenn ich mich recht erinnere, hat die CDU in diesen Gremien die Mehrheit. Die haben hier vorgetragen, dass sie genau diesen pragmatischen Weg für richtig halten.
Und was tun Sie? Das ist leider wirklich so – Sie machen die Gräben zwischen den Schulformen tiefer, Sie bauen keine Brücken.
Das wird uns nicht zu mehr Leistung führen und das wird uns nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen. Das ist leider so.
Weil das in diesen Anhörungen so oft vorgetragen worden ist, haben wir uns gefragt: Wie kann es sein, dass eine große Fraktion wie die CDU so beratungsresistent bleibt,
onspartner das – weil er es schon früher im Gegensatz zur CDU vertreten hat, besonders bei dem Beispiel der Grundschulbezirke – durchgesetzt. Wir können uns diese Beratungsresistenz gegen diese Experten, inklusive gegen die kommunalpolitische Vereinigung der CDU, die das gesagt haben – es ist noch einmal ein Abgeordneter zitiert worden, der auch öffentlich gemacht hat, zumindest in seiner Lokaldiskussion, dass er diese Auffassung nicht teilt –, nicht erklären. Da haben wir uns gefragt: Wie kann das sein? Ich kann mir das nur so erklären, Herr Ministerpräsident – deswegen war es auch richtig, dass Sie es waren, der das hier noch einmal vorgetragen hat –, dass Sie zu 100 % hinter diesem Gesetzentwurf und auch hinter diesen Instrumenten stehen und dass Sie die FDP benutzt haben, um auch die Programmatik der CDU, wie sie hier zum Teil früher bei der Diskussion um die Grundschulbezirke vorgetragen worden ist, und wie es nicht im Parteiprogramm stand, einfach über Bord zu werfen. Das ist passiert.
Insofern hat es eine unheilige Allianz des Ministerpräsidenten mit der FDP gegeben. Die vielen Diskussionen, die es ja auch bei Ihnen gegeben hat, haben nicht das aufgegriffen, was viele wollten. Sie haben die goldenen Brücken, die Ihnen die kommunalpolitischen Spitzenverbände gebaut haben, nicht genutzt. Das wäre leicht möglich gewesen. Sie hätten Ihr Gesicht nicht verloren, und Sie hätten außerdem dem Anspruch der Freiheit entsprochen, den Sie doch sonst wie eine Monstranz vor sich hertragen.
Stellt es doch den Kommunen frei, ob sie die Schulbezirke so oder anders gestalten wollen. Warum haben Sie das nicht gemacht? Die kommunale Ebene berücksichtigt ja in der Regel auch den Elternwillen, entspricht ihm und baut die Schulen, die gewünscht sind. Da sagen Sie doch sonst: Wir vertrauen auf die Kommunen. Hier widersprechen Sie zentral diesem Kernpunkt Ihrer sonstigen Programmatik.
Deswegen bedauere ich es wirklich, an dieser Stelle feststellen zu müssen: Es war nicht allein die FDP, es war der Ministerpräsident, der dieses Gesetz so wollte. Deswegen sind das Ihre Probleme mit den Grundschulbezirken, es ist Ihr Problem, dass die soziale Spaltung jetzt schon in der Grundschule anfangen wird, es ist Ihr Problem, dass die Durchlässigkeit eingeschränkt wird und durch die Abschottung des Gymnasiums nicht erhöht wird, es ist Ihre Abschaffung der Mitwirkung
der Eltern und Schüler in den Schulkonferenzen. Das alles ist das Ergebnis der Politik des Ministerpräsidenten dieses Landes.
Deswegen lehnen wir dieses Gesetz aus voller Überzeugung ab. Das werden wir in den Abstimmungen heute und morgen auch noch genauer feststellen, wer das Gesetz wie und warum ablehnt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser streckenweise verbalen Kraftmeierei der Opposition
Frau Löhrmann – um gleich mit Ihnen anzufangen –, die Freiheit, die wir eröffnen, geben wir in der Tat nicht den Kommunen bei der Schulbezirksgrenzenöffnung, sondern wir lassen die Eltern, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, darüber entscheiden, in welche Schule ihr Kind – im Rahmen freier Kapazitäten – künftig geht. Wenn Sie die Kommunen und die Verbände und all die Leute, die Experten, die wir gehört haben, hier zitieren, dann muss man an dieser Stelle dazu sagen und richtig stellen, dass Sie landauf, landab wochenlang falsche Informationen in die Köpfe dieser Menschen gehaucht haben
Wir mussten die Sachverhalte gerade rücken. Sie sind mit Fehlinformationen durchs Land gezogen, weil Sie gar nicht so viele echte Kritikpunkte an dem Entwurf unseres neuen Schulgesetzes finden konnten.
Zu Ihnen, Frau Kraft: Wenn Sie sich hier hinstellen und von Ideologie reden und in diesem Zusammenhang sagen, Sie hätten die vorschulische Sprachförderung auf den Weg gebracht, dann kann ich dazu nur eines sagen. Ich erinnere an die hochnotpeinliche Debatte mit Ihrer früheren
Schulministerin Gabriele Behler im Schulausschuss des Landtags im August 2000. Sowohl Vertreter der FDP als auch der CDU hat sie in die rechte politische Ecke gestellt, als wir gefordert hatten, kein Kind dürfe ohne ausreichende Deutschkenntnisse in die Schule gelangen,
um diesem Kind nämlich eine Chancengerechtigkeit beim Start zu gewähren. Wie soll ein armes Kind, das nicht einmal ein paar Worte Deutsch spricht, am Unterricht aktiv teilnehmen können und somit Erfolg in der Schule haben? Das haben Sie erst lernen müssen, dass man vorschulische Sprachförderung einführen muss. In dieser Beziehung mussten wir Sie zum Jagen tragen. Das war doch die Situation. Da wollen wir einmal die Fakten gerade rücken.
Frau Löhrmann, dass ausgerechnet Sie sich als Meisterin – ich möchte keine Zwischenfragen zulassen, Herr Präsident – der individuellen Förderung hierhin stellen, ist überhaupt ein Obermaß an Peinlichkeit. Ich erinnere an eine Debatte im Landtag Ende der 90er-Jahre. Sehen Sie es mir nach
Sie persönlich waren nicht dabei –, dass ich das Datum nicht genau im Kopf habe. Aber damals haben sich Vertreterinnen und Vertreter von SPD und Grünen rauf und runter in einer peinlichen Weise zur individuellen Förderung geäußert. Seinerzeit hatte die CDU einen entsprechenden Antrag eingebracht.
Ja, ich habe das genau verfolgt. Ich war zu jener Zeit zwar noch nicht Mitglied des Landtages, aber zu dem Zeitpunkt habe ich mich selbst sehr intensiv damit befasst. Eine hochnotpeinliche Geschichte! Die einzige Antwort, die Sie auf den Anspruch auf individuelle Förderung hatten, war, zu sagen, es gibt in diesem Land ja Gesamtschulen. Das ist doch an Peinlichkeit nicht zu überbieten.