Herr Lindner, jeder wirke an seinem Platz. So wie Sie und Ihre tolle Regierung meint, mit der Mehrwertsteuer umgehen zu können, nämlich hier zu kassieren und dort dagegen zu sein, ist auch etwas, was ganz sicher das Vertrauen der Menschen in Ihre Politik nicht erhöht hat. Da seien Sie sich sicher!
Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Asch das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn auf den Fan-Meilen 500.000 Menschen ein WM-Spiel sehen, dann ist das wirklich gigantisch. Wenn 500.000 Menschen mit ihrer Stimme gegen die Kürzungen bei den Ansätzen für Kinder, Jugendliche und Familien protestieren, schert das die Landesregierung keinen Deut.
Noch nicht einmal die Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachausschuss sind präsent, um über dieses Thema zu beraten. Das finde ich erbärmlich.
In ganz Nordrhein-Westfalen wurden eine halbe Million Unterschriften gegen die Kürzung gesammelt. Es gab eine Mobilisierung der Bevölkerung, wie wir sie in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben und wie sie sonst nur zu einer Fußball-WM stattfindet. Es gab unzählige Veranstaltungen, fantasievolle Protestaktionen und Demonstrationen. Bundesweit erscheinende Tageszeitungen und kleine örtliche Anzeigenblätter haben das Thema aufgenommen.
Mir ist es wichtig, an dieser Stelle einmal all denjenigen zu danken, die das zustande gebracht haben:
den vielen ehrenamtlichen Helferinnen, den Ortsverantwortlichen und den Vertrauensleuten. – Ich möchte den beiden Volksinitiativen dazu gratulieren, dass sie das geschafft haben, und ihnen meinen Respekt und meine Hochachtung aussprechen.
Einige von Ihnen werden anwesend sein. Ich finde, Sie haben Großartiges geleistet. Sie haben nämlich Ihren Finger in eine klaffende Wunde dieser Landesregierung gelegt. Sie haben vor allen Dingen eines eindrucksvoll bewiesen, das für mich Wichtigste: Kinder und Jugendliche haben in diesem Land eine Lobby!
Das sehr bittere Fazit dieses großen Engagements ist: Bei den Regierenden in NordrheinWestfalen, bei der Landesregierung und bei den Mehrheitsfraktionen von CDU und FDP, haben Sie rein gar nichts erreicht. – Das ist ein riesiger Unterschied zwischen der alten rot-grünen Landesregierung und der Regierung Rüttgers. Die Regierung Rüttgers hat die Arroganz der Macht schneller gelernt als das Regieren!
Erinnern wir uns: Im Jahr 2004 haben 175.000 Unterschriften gereicht, damit Rot-Grün das neue Jugendfördergesetz vorgelegt hat. Dieses Jugendfördergesetz umfasste 96 Millionen €. Diese 96 Millionen € wurden von allen Fraktionen im Landtag, auch von CDU und FDP, begrüßt und gefordert.
Heute sind Sie an der Macht. Heute genügen eine halbe Million Unterschriften – mehr als das Doppelte – nicht, um diese Fraktionen zur Einhaltung ihrer Versprechungen von vor nicht einmal zwei Jahren zu bringen. Das ist Wahlbetrug und Arroganz der Macht in Reinform!
Versprochen – gebrochen. Ich weiß, es gibt in Ihren eigenen Fraktionen eine ganze Reihe von Leuten, die das genau so sehen. Sie können sich winden wie Sie wollen und mit Zahlentricksereien durch das Land ziehen, wie wir es eben wieder gehört haben. Sie haben Ihr Image weg.
Sie sind diejenigen, die bei den Kindern kürzen. Sie haben diesen Makel. Sie haben ihn zu Recht. Dieser Makel wird an Ihnen haften bleiben. Sie haben von diesen Kürzungen im Haushalt 2006
Sie rühmen sich mit dem Aktionsplan „Frühe Förderung von Kindern“. Sie rühmen sich, Sie hätten auf die Proteste reagiert. – Es gibt diesen Plan überhaupt nicht. Die Regierungsfraktionen haben einen schönen Titel gefunden. Doch das Lied, das dazu gespielt werden soll, wurde nie geschrieben. Zwei Monate sind seit der Erfindung dieses Aktionsplans vergangen. Im zuständigen Ministerium hat bis heute niemand eine Idee, wofür das Geld ausgegeben werden soll.
Das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen. Sie entziehen den Kommunen und den Trägern der Kindergärten 114 Millionen €. Dies nehmen Sie ihnen weg. Damit es nach außen ein bisschen netter aussieht, wollen Sie 23 Millionen € im Rahmen eines Sonderprogramms wieder zurückgeben. Aber erst nachdem Sie die Ausgabe in Höhe von 23 Millionen € beschlossen haben, fangen Sie an, nachzudenken, wofür das Geld verwendet werden könnte. Das ist blamabel!
23 Millionen € hinaus zu hauen, ohne zu wissen wofür, hat nichts mit nachhaltiger Haushaltspolitik zu tun. Das ist Verschwendung von Mitteln im Verein mit Täuschung der Öffentlichkeit.
Von den Volksinitiativen wurde Ihnen vorgeworfen, dass Sie überhaupt nicht zum Gespräch bereit sind, und nicht bereit sind, von sich aus Korrekturen vorzunehmen.
Die Umschichtungen, die Sie vornehmen, stellen sich dann als Blödsinn heraus. Wir alle wissen, dass auch für dieses Jahr zum Beispiel zu viele Mittel in der vorschulischen Sprachförderung stecken. Das sind Mittel, die Sie im letzten halben Jahr doch gar nicht mehr verausgaben können, Herr Laschet.
(Minister Armin Laschet: Das ist doch Un- sinn! Die kommen den Kindern zugute! Die kommen den Kindern zugute! Das ist Ihnen fremd!)
Das können wir dann ja sehen. Wir können dann einmal abfragen, ob die Mittel in diesem Haushaltsjahr tatsächlich abgerufen werden.
Wir wissen, dass die Kindergärten mehr Sachmittel und keinen fiktiven Aktionsplan gebraucht hätten. Wir wissen, dass das Sonderprogramm für benachteiligte Jugendliche in den Landesjugendplan gehört hätte. Sie haben es als Sonderprogramm für dieses eine Jahr aufgelegt, sodass es jederzeit wieder gestrichen werden kann.
Auch bei diesem Sonderprogramm lassen Sie die Träger vollkommen im Dunkeln tappen. Die Träger wissen bis heute nicht, wie und für was sie diese Mittel in Höhe von 4,5 Millionen € im Sonderprogramm genau abrufen können. An dieser Stelle wurde die Fachlichkeit dem politischen Kompromiss geopfert.
Jetzt steht die nächste Bewährungsprobe bevor. Die erste haben Sie mit dem Haushalt 2006 gründlich vergeigt. Jetzt wird es ernster, weil jetzt die Novellierung des Kindergartengesetzes bevorsteht. Dann wird sich sehr deutlich zeigen, ob Sie wirklich mehr Qualität für Kinder und Eltern wollen, oder ob das neue Gesetz nur als verschleierte Sparmaßnahme fungieren wird.
Herr Minister, das, was Sie bis jetzt an Vorstellungen und Eckdaten präsentiert haben, lässt nichts Gutes ahnen. Bei all dem mühevollen Durchrechnen der vorliegenden Daten über die Kopfpauschale sind fast alle Träger und Einrichtungen zu einem negativen Ergebnis gekommen. Die Kopfpauschale wird Kinder, Beschäftigte und Träger zu Verlierern und den Finanzminister zum Gewinner machen.
Die positive und gute Erfahrung aus den beiden Volksinitiativen ist: Die Leute werden Ihnen eine solche Politik nicht durchgehen lassen. Sie werden dann genauso oder noch massiver auf die Straße gehen.
Meine Damen und Herren, es gehört mittlerweile zum Allgemeingut, dass die wichtigsten Zukunftsinvestitionen die Investitionen in Bildung sind. Das gilt gerade für die Investition in die Bildung der Kleinkinder. Die Bildungsaufgaben müssen wir vom Kopf auf die Füße stellen. Kindergärten sind
Kindergärten haben auch eine wichtige volkswirtschaftliche Bedeutung. Das zeigen die Untersuchungen der Stadt Zürich, der BertelsmannStiftung, der Universität Bielefeld und viele weitere. Sie haben das eindeutig erwiesen. Sie ermöglichen Erwerbstätigkeit und damit Konsumausgaben. Sie vermehren zugleich die Sozialleistungen. Jeder in einen Kindergartenplatz investierte Euro bringt vier Euro zurück.
Wer nachhaltige Haushaltspolitik will, fördert deswegen Bildung von Anfang an. Er fördert Bildung in den Kindergärten. Dazu gehört auch die Beratung der Eltern und die Familienbildung. Den Menschen, die hinter den Volksinitiativen stehen, ist das bekannt. Das gilt auch für viele von Ihnen aus den Regierungsfraktionen. Also handeln Sie endlich vernunftgeleitet! Hören Sie auf, die Menschen vor den Kopf zu stoßen, sie zu übergehen oder sie für dumm zu verkaufen!