Protokoll der Sitzung vom 30.08.2006

Meine Damen und Herren, wenn ich sein Handzeichen richtig gedeutet habe, möchte Herr Jäger noch einmal das Wort ergreifen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir haben eine äußerst spannende Debatte um dieses Gemeindefinanzierungsgesetz geführt. Es gibt – deshalb muss man noch einmal nachlegen – unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Kommunen nun eigentlich mehr oder weniger Geld bekommen und wie schlecht es ihnen geht.

Herr Lux und Herr Engel, ganz offen und ohne Ironie sage ich Ihnen: Ich schätze Ihre Ehrlichkeit bei dieser Debatte. Sie unterscheidet sich um einiges von den Aussagen der Landesregierung. Herr Engel, Sie sagten, die Gemeinden nähmen mehr Gewerbesteuer ein, und deshalb greifen Sie

ihnen in die Tasche, um den Landeshaushalt zu konsolidieren.

(Zuruf von Horst Engel [FDP])

Das ist das, was Sie eben vorgetragen haben, nur nicht ganz so diplomatisch formuliert, wie Sie es getan haben. Ich finde das insofern okay, als es ehrlich ist. Die Beweggründe dafür, warum den Kommunen Finanzmittel gekürzt werden, sind ehrlich beschrieben.

Herr Lux, Sie haben sehr diplomatisch darauf hingewiesen, dass Sie Teile des GFG kritisch sehen. Das ehrt Sie auch. Die Stimmung in Ihrer Fraktion ist ja nicht so, wie der Ministerpräsident, der Finanzminister und der Innenminister uns heute Morgen weiß machen wollten,

(Zuruf von Rainer Lux [CDU])

dass nämlich sozusagen durch die Bank Einigkeit darüber herrscht, dass man durch einen Griff in die Kassen der Kommunen diesen Haushalt mit konsolidieren kann. So ist die Stimmung in Ihrer Fraktion nicht. Insofern ist das, was Sie eben beschrieben haben, schon ärgerlich, Herr Lux und Herr Engel.

Herr Wolf, lassen Sie mich noch einmal die unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung von Krediten und Kreditierungen aus der Vergangenheit auf den Punkt bringen. Ich will versuchen, es an einem Bild festzumachen.

Stellen Sie sich einfach einmal einen armen Bettler mit vielen hungrigen Kindern vor. Dem gibt der Innenminister 100 €. Unter Androhung körperlicher Gewalt zwingt er den Bettler dazu, 50 € gleich wieder herauszugeben. Im nächsten Jahr geht er wieder dorthin. Der Bettler ist immer noch arm, und die vielen Kinder sind noch hungriger. Er sagt dem Bettler: Letztes Jahr hast du 50 € von mir bekommen. Dieses Jahr bekommst du 51 €. Das ist ein Euro mehr als im letzten Jahr. Jetzt freue dich doch darüber!

Herr Wolf, genauso gehen Sie mit den Kommunen um. Sie haben im Jahr 2006 tief in deren Taschen gegriffen. Sie haben den Verbundbetrag marginal erhöht und sagen jetzt, weil die Kommunen mehr bekämen als im letzten Jahr, könnten sie sich an der Konsolidierung des Landeshaushalts beteiligen. Das ist die Logik der Landesregierung. Diese Logik ist falsch.

Ich sage es noch einmal. In diesem wunderbaren GFG, was uns seit zwei Tagen vorliegt, ist es nachzulesen: Die originäre Verbundmasse, also der Anteil der 396 Kommunen in NordrheinWestfalen an den Steuereinnahmen des Landes,

betrug 6,642 Milliarden €. Im Jahr 2007 beträgt die originäre Verbundmasse 6,591 Milliarden €. Herr Innenminister Wolf, das sind 51 Millionen € – mithin 0,8 % – weniger. Das ist die Wahrheit über die Finanzausstattung der Kommunen im Vergleich der Jahre 2006 und 2007.

Im Gegenzug dazu erklärt uns Herr Rüttgers heute Morgen: Wir tun für die Kommunen 820 Millionen mehr. – Diese Grammatik tut mir leid. Ich zitiere nur. Der Innenminister sagt: Wir tun 10,6 % mehr. – Der Finanzminister übt sich wenigstens in Bescheidenheit und spricht nur von einem Plus in Höhe 0,8 %. Aber selbst das ist noch falsch. Es ist also eine völlig andere Darstellung als die Realität.

Jetzt könnte man sagen, das sei eine Erfindung der Sozialdemokraten, oder die Sozialdemokraten seien Ihnen auf die Schliche gekommen. Nein, andere registrieren das auch. Das gilt vor allem für die Betroffenen.

Ich darf Ihnen aus der Presseerklärung des Landkreistages zitieren. Er war der sozialdemokratisch geführten Landesregierung in der Vergangenheit nicht immer wohl gesonnen. Es heißt dort: Der Vorstand des Landkreistages hat aus aktuellem Anlass an die Landesregierung appelliert, das Gemeindefinanzierungsgesetz 2007 zu überarbeiten, weil – jetzt wörtlich –

„… den Kommunen darf nicht noch weniger Geld gegeben werden, als ihnen ohnehin zur Verfügung steht.“

Herr Innenminister Wolf – in Abwesenheit –, Herr Linssen, Herr Rüttgers, wenn Sie die Ehrlichkeit von Herrn Lux und Herrn Engel in der Darstellung der Taschenspielertricks besessen hätten, mit denen Sie den Kommunen in die Kassen gegriffen haben, dann hätten Sie wenigstens ein ehrliches Bild Ihrer Politik abgegeben. So tun Sie aber, als ob Sie die drei Könige seien und Myrrhe, Weihrauch und Gold brächten. Stattdessen greifen Sie dem armen Bettler mit seinen hungrigen Kindern tief in die Tasche. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lux für die CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jäger, zwei Dinge aus Ihrem letzten Beitrag muss ich richtigstellen, auch wenn es wahrscheinlich ver

geblich sein wird. 2006 haben Sie den Kommunen fürchterlich in die Taschen gegriffen, denn Sie – auch Sie in Person – haben mit den vorangegangenen Haushaltsgesetzen beschlossen, dass die Kreditierungen im Haushalt 2006 zurückzuführen sind. Es sind Ihre Beschlüsse, die den Kommunen damals in die Tasche gegriffen haben. Das können Sie nachlesen. Gegen unsere Stimmen haben Sie persönlich das beschlossen. Deswegen sollten Sie hier nicht sagen, wir hätten den Kommunen in die Taschen gegriffen. Sie waren es!

(Beifall von der CDU)

Ich empfinde das als einen Akt des Heuchelns, wenn Sie heute sagen, wir hätten denen in die Taschen gegriffen. Das waren Sie selber.

Zweitens. Sie sollten nicht künstlich versuchen, einen großen Dissens zwischen Herrn Engel und mir auf der einen Seite und der Landesregierung auf der anderen Seite aufzubauen. Wir haben große Übereinstimmungen, was die Notwendigkeit angeht, diesen Haushalt zu konsolidieren. Auch wir – Herr Engel und ich – sind der Überzeugung wie unsere Fraktionen auch, dass es dazu auch einen kommunalen Beitrag geben muss. Das können Sie hier nicht aus der Welt schaffen. Nur wir – das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns – sind davon überzeugt, dass wir nicht wie in der Vergangenheit alles auf Kredit finanzieren können, sondern wir müssen im Interesse nachwachsender Generationen endlich zu einer Konsolidierung der Finanzen kommen.

Das Einzige, was bei uns diskutiert wird – ich hoffe, das wird auch bei Ihnen diskutiert; ich glaube, es ist ein Unterschied zur Vergangenheit, dass hier die Fraktionen aktiv mit der Landesregierung diskutieren –, ist, wie weit und in welcher Form der Konsolidierungsbeitrag der Kommunen gehen kann. Ich meine, es ist auch eine Aufgabe des Parlamentes, diese Diskussion zu führen. Ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende dieser Diskussion eine breite Übereinstimmung zwischen den beiden Fraktionen und der Landesregierung haben werden und dass das eine bessere Lösung für die Kommunen ist, als wenn wir Ihre Politik fortgesetzt hätten.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Becker für die grüne Fraktion.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lux, ich finde, man kann an den Fakten nicht vorbeireden. Sie werfen hier Nebel

kerze um Nebelkerze. Jetzt fangen Sie mit der Fragestellung an: Hat möglicherweise schon die alte Regierung vorgesehen, dass Kredite in 2006 zurückgezahlt werden müssen?

(Rainer Lux [CDU]: Das war beschlossen!)

Entschuldigung, hören Sie doch einfach in Ruhe zu! – Das ist aber völlig unerheblich dafür, dass Sie es sich für 2007, nachdem die Kommunen keine Kredite mehr zurückzahlen müssen, als Erfolg Ihrer Landesregierung anrechnen, und nun den Kommunen sagen: Ihr müsst keine 680 Millionen € mehr zurückzahlen, weswegen wir euch ein Stück von dem wegnehmen, was euch bis jetzt zustand, nämlich euren Anteil an der Grunderwerbsteuer.

Sie rühmen sich hier, dass Sie Transparenz herstellen wollen. Dem widerspreche ich ausdrücklich, und ich will Ihnen auch belegen, warum. Wenn Sie aus dem Verbundsatz, den Sie auf dem Papier gegenüber dem Jahr 2006 scheinbar stabil halten, jede Menge ausklammern, also über andere Regelungen den Kommunen Geld wegnehmen, nämlich – das habe ich bereits vorhin gesagt – 96 Millionen € bei der Krankenhausfinanzierung, 18 Millionen € bei der Weiterbildung und, nebenbei gesagt, 2006 15 Millionen € auch bei der Stadtentwicklung, bei der Sie sich gerühmt haben, dass Sie die 1:1 aus den Zweckzuweisungen in die Fachetats übertragen würden – übrigens ist bis jetzt bezüglich der Stadtentwicklung überhaupt noch nichts bei den Bezirksregierungen angekommen, möglicherweise damit es nicht mehr verausgabt wird; ein Schuft, der Böses dabei denkt –, dann hat das mit Transparenz nichts zu tun. Das Gleiche gilt für die Kindergartenbeiträge. Sie kürzen die Zuschüsse des Landes mit der Folge, dass Sie es den Kommunen freistellen, die Beiträge zu erhöhen. Sie sind in dem, was Sie tun, das Gegenteil von transparent. Sie kürzen die ganze Zeit zulasten der Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Neben dem Landkreistag müssen Sie sich nun auch noch die heutige Presseerklärung des Städtetags anhören; der Kollege Jäger hat sie mir vorhin herübergereicht: Der Städtetag NordrheinWestfalen hat den Entwurf für den Landeshaushalt 2007 kritisiert.

„Es ist für die Städte nicht hinnehmbar, dass das Land den Kommunen in Nordrhein-Westfalen zur Konsolidierung seines eigenen Haushaltes erneut erhebliche Lasten aufbürden will.“

sagte Stephan Articus heute in Köln.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Hört, hört!)

Die Städte lehnten unter anderem die Herausnahme der Grunderwerbsteuer aus dem Steuerverbund – 170 Millionen – sowie die Erhöhung der Krankenhausinvestitionsumlage ab. Die Kommunen würden um 280 Millionen zusätzlich belastet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist das, was ich meine. Das ist nicht transparent. Das machen Sie hinten herum. Der Ministerpräsident, der Finanzminister und der Innenminister, der jedenfalls eines nicht ist, nämlich ein Kommunalminister, wollen jedoch die Öffentlichkeit für blöd verkaufen, indem sie sagen, die Kommunen haben 820 Millionen € mehr. Ich habe Ihnen vorhin nachgewiesen, der Kollege Jäger hat es Ihnen nachgewiesen, und Sie können es nicht widerlegen: Wenn Sie Ihre eigenen GFG-Zahlen daneben legen, dann sehen Sie, dass die keine 820 Millionen € mehr haben, sondern es ist so, wie wir das beschrieben haben.

Sie müssen sich an dieser Stelle eine Frage stellen lassen, nämlich ob Sie das, was Sie in der Opposition immer gesagt haben – Verlässlichkeit, Planbarkeit, keine Verbundsatzsenkungen –, heute, wo Sie in der Regierung sind, noch ernst meinen. Und wenn Sie das ernst meinen, dann müssen Sie sich die zweite Frage stellen lassen, nämlich warum Sie das zwar auf dem Papier weiter aufrechterhalten, aber hinter herum über andere Mechanismen den Kommunen Hunderte von Millionen 2006 und 2007 wegkürzen. Diese Fragen müssen Sie beantworten.

Das werden Sie auch Ihre eigenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker fragen. Sie wissen ganz genau, dass Sie aus der Zwickmühle nicht herauskommen. Sie können vielleicht die Öffentlichkeit an der Stelle hinters Licht führen, aber Sie können nicht Ihre eigenen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf Dauer hinters Licht führen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Engel, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger und Herr Becker! Herr Jäger ist ein bisschen darauf eingegangen, was es heißt, Konsolidierung zu betreiben. Herr Becker, Sie lassen das völlig außen vor. Sie gehen darauf überhaupt nicht ein. Sie berichten aus Verbänden.

Ich richte von diesem Pult die Botschaft an die Spitzenverbände, ebenfalls aus ihren Gräben herauszukommen. Denn das, was sich hier abspielt,

ist nichts anderes als Ritus. Entscheidend ist für den Kämmerer vor Ort – das wissen Sie –, was er netto in der Tasche hat, was vor Ort ankommt. Und vor Ort kommt für das Jahr 2007 in allen Kommunen deutlich mehr an! Das ist Fakt. Das können Sie auch nicht wegreden.

Jetzt sind wir bei der ganz schwierigen Operation – das wissen Sie selber; Sie waren ja jahrelang in der Regierung – der Konsolidierung. So etwas geht eben nicht nach dem Motto – ich habe es gesagt – „Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass“. Das ist schmerzhaft. Das sage ich auch den Verbänden – ob es der Landkreistag oder der Städtetag ist. Das ist alles gar kein Problem, Herr Becker. Die liegen alle noch in ihren Schützengräben. Das ist das Ritual, das dort geübt wird.

Entscheidend ist, dass vor Ort mehr ankommt. Entscheidend ist, dass diese Regierung das total im Blick hat und wirklich auch dem Anspruch gerecht wird. Dieser Innenminister und diese Landesregierung sind kommunalfreundlich; denn unser Interesse ist es, dass auch die Kommunen so schnell wie möglich erfolgreich in diesen Weg eintreten und selber konsolidieren können.