Als Mittel zur Gefahrenabwehr – das heißt zur Abschreckung, zur Verhinderung – dient Videoüberwachung vielleicht noch an bestimmten Kriminalitätsbrennpunkten; auch das ist im Polizeigesetz normiert. Aber es ist kein Mittel zur Terrorbekämpfung im Bereich der Abschreckung. Die Anschläge in der Londoner U-Bahn und auch die Kofferbomben zeigen, dass sich die potenziellen Attentäter davon nicht abschrecken lassen. Hierzu, denke ich, haben wir ausreichend Gesetze, und sie werden auch ausreichend genutzt.
Die Debatte um die Antiterrordatei, meine Damen und Herren, könnte längst beendet und die Datei auf den Weg gebracht sein – aus unserer Sicht
stünde dem nichts entgegen –, wenn diese Lösung in den letzten Jahren nicht immer wieder gerade von den unionsregierten Ländern mit völlig praxisuntauglichen Forderungen nach umfassenden Volltextdateien blockiert worden wäre. Die Indexdatei sollte auch aus unserer Sicht schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, um den Austausch von Informationen zu optimieren, ohne das Gebot der Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei aufzugeben. Dies ist sicherheitspolitisch relevant; dies ist aber auch verfassungsrechtlich geboten.
Der letzte Punkt, meine Damen und Herren – das habe ich in Ihren Beiträgen und gerade bei Ihnen, Herr Kruse, wieder einmal schmerzlich vermisst –, betrifft die Prävention. Gerade aufgrund der Erkenntnis, dass es trotz aller Technik, Überwachung und schärferer Gesetze hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann – dies gilt im Übrigen nicht nur für einen Rechtsstaat, sondern auch für Diktaturen und jeden anderen Staat dieser Welt –, und weil wir sehr wenig über die Entstehung und über die auslösenden Faktoren bei potenziell gewaltbereiten Attentätern wissen, müssen wir uns doch viel stärker als bisher mit den Hintergründen und der Prävention beschäftigen.
In die Köpfe der möglicherweise schon lange unter uns lebenden Attentäter schauen wir nicht mit Videokameras. Al Qaida ist längst von einer Organisation zu einer Ideologie geworden. Wir müssen alles dafür tun, dass sich nicht auch bei uns junge Menschen von unseren westlichen Werten verabschieden.
Gelebte Prävention ist beispielsweise in Essen im Stadtteil Katernberg eine Ordnungspartnerschaft zwischen Moscheegemeinden und Polizei. Die Polizei suchte und fand den Kontakt zu Moscheevereinen. Zusammen mit dem Imam konnte die Jugendkriminalität dort verringert werden.
Sosehr wir die Prävention bei der Kriminalitätsbekämpfung inzwischen als wichtiges Mittel erkannt und verinnerlicht haben, so sehr fehlen uns noch Ansatzpunkte und Konzepte, dabei alles zu versuchen, den Kampf um die Köpfe der gefährdeten jungen Menschen zu gewinnen. Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht nur im Dialog auf Augenhöhe und nicht mit Ausgrenzung, Herr Kruse. Und dies geht nur auf lange Sicht.
Meine Damen und Herren, ich appelliere, in Sicherheitsdebatten nicht zu vergessen, dass Sicherheitspolitik oftmals erst dann einsetzt, wenn
das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wir müssen uns dem Kampf um die Köpfe auch in unserer Gesellschaft stellen und viel mehr über Prävention nachdenken und an Konzepten arbeiten. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegen Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Engel das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Seit den Anschlägen vom 11. September 2001, die sich nun zum fünften Mal jähren, besteht auch in Deutschland und hier bei uns in NRW die Gefahr von Anschlägen durch den internationalen islamistischen Terrorismus. Die beiden Phasen – sollte es sie je gegeben haben –, Deutschland sei nur ein Ruheraum oder nur ein Vorbereitungsraum, sind Vergangenheit. Wir wissen: Deutschland ist Anschlagsraum. Die Spuren islamistischen Terrors zeigen nach Nordrhein-Westfalen.
Seit dem Auffinden der Kofferbomben ist uns die Bedrohung auch bewusst. Nur glückliche Umstände haben die versuchten Bombenattentate in zwei Regionalzügen in Nordrhein-Westfalen am 31. Juli nicht in einem Schreckensszenario enden lassen.
Durch Hinweise ausländischer Dienste konnten die Täter schnell gefasst werden. Kriminaltechniker und Fahnder machten einen ausgezeichneten Job. Sie haben wirklich ein Lob verdient, Herr Innenminister. Ich möchte Sie ausdrücklich bitten, dieses Lob an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzugeben.
Auf den aktuellen Erfahrungen aufbauend besteht unsere Aufgabe nun darin, die Ereignisse und deren Hintergründe sorgfältig zu analysieren und darauf, wo dies nötig ist, erstens in sinnvoller Weise, zweitens im gebotenen Umfang und drittens mit Augenmaß zu reagieren. Durchdachte Aktionen statt überhastete Überreaktionen sind nun von den Verantwortlichen gefragt.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, uns allen hier liegt die Sicherheit der Bevölkerung am Herzen. Wir alle möchten, dass das Anschlagsrisiko in Deutschland minimiert wird. Aber es muss den Bürgern bei aller Diskussion auch ganz klar gesagt werden: In einer freien und offenen Gesell
Anlässlich der jüngsten Ereignisse werden wieder und wieder reflexartig Rufe nach angeblich geeigneten und drastischen Mitteln der Terrorismusbekämpfung laut, die eine massive Beschneidung der Bürgerrechte bedeuten. Dies erleben wir mittlerweile bei nahezu jedem sicherheitsrelevanten Vorfall. Einmal mehr wird hier vor allem populistisch versucht, die Verunsicherung der Bevölkerung auszunutzen. Der verständliche Wunsch der Menschen nach optimaler Sicherheit wird von einigen Populisten gerne als gleichzeitige Bereitschaft missverstanden, Stück für Stück auf verbliebene Freiheiten zu verzichten.
Die in diesen Tagen von manchen sogleich ausgerufene These, mehr Sicherheit erreiche man nur durch massive Überwachung der Bürger, ist nicht haltbar.
Man schützt die Freiheit nicht, indem man sie abschafft. Wir halten eine ausufernde Überwachung der Bürger unter massiver Beschränkung ihrer Freiheitsrechte für falsch. Gleichwohl wissen wir, dass Sicherheit und Freiheit zwei Seiten derselben Medaille sind.
Der Beweis, dass eine verschärfte Überwachung tatsächlich zu mehr Sicherheit führe, ist bisher noch nie erbracht worden. Zahlreiche der derzeit öffentlich diskutierten Maßnahmen scheitern bereits an ihrer tatsächlichen und rechtlichen Machbarkeit. Bei anderen steht ihr konkreter Nutzen in Form einer spürbaren Verbesserung der Sicherheit entweder nicht fest oder aber in keinem Verhältnis zu der damit verbundenen Beschneidung der Rechte der Bürger.
Insbesondere Forderungen nach weiteren Gesetzesverschärfungen sind stets kritisch zu sehen. Seit den RAF-Verbrechen in den 80er-Jahren gab es über 50 Gesetzesverschärfungen in der Strafverfolgung und bei der Prävention – stets zulasten der Freiheit. Es ist etwas dran, wenn Liberale sagen: Die Freiheit stirbt Millimeter für Millimeter.
Ich stelle für die FDP-Landtagsfraktion fest: Unser Instrumentarium reicht regelmäßig aus. Es muss allerdings konsequent angewandt und, wenn unabweisbar, verfeinert, nachjustiert werden.
Unser Credo: Vollzugsdefizite dürfen nicht entstehen. Deshalb machen wir auch die Polizeistrukturreform: Mehr fahnden – weniger verwalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine sinnvolle Maßnahme muss neben der tatsächlichen und rechtlichen Machbarkeit spürbar mehr Sicherheit erbringen und sich als verhältnismäßiger Ausgleich zwischen Sicherheit und Freiheit darstellen. Dies ist der Maßstab, den die FDPFraktion vertritt. Daran müssen sich die derzeit diskutierten Maßnahmen messen lassen, auf die ich kurz eingehen will.
Wir lehnen eine pauschale Forderung nach einer flächendeckenden Videoüberwachung – wen wundert’s? – zur Terrorbekämpfung in Bahnhöfen und Zügen und der massiven Ausweitung im öffentlichen Raum ab. Denn Maßnahmen wie verstärkte Videoüberwachung wirken meist nur wie ein Placebo auf die Menschen, die sich dann in trügerischer Sicherheit wiegen.
Wir reden primär über den Einsatz von Videokameras zur Gefahrenabwehr, das heißt, um Straftaten wie Anschläge zu verhindern. Video gab und gibt es im Kölner Hauptbahnhof, wo die Täter mit Ihren Kofferbomben die Regionalzüge bestiegen. Der Kölner Hauptbahnhof ist nur deshalb so umfassend mit Video ausgeleuchtet, weil die Kölner Klaukids-Szene sich bereits bis nach Tokio als tourismusschädlich herumgesprochen hatte.
Zwar handelt es sich bei Bahnhöfen um Privatgelände, wo allein die Bahn über den Umfang der Videoüberwachung zu entscheiden hat. Aber auch für die geforderte stärkere Videoüberwachung im öffentlichen Raum ergeben sich Erkenntnisse. Weder die Videokameras noch die Anzahl an Menschen veranlasste die Kofferbomber, auf einen kleineren, nicht überwachten Bahnhof auszuweichen.
Trotz massiver Videoüberwachung konnten die Täter unbehelligt in beide Züge steigen. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Auf den Videoaufnahmen sind die beiden Täter zu sehen, wie sie mit einem ganz normalen Rollkoffer auf den einfahrenden Zug warten – wie zig andere Reisende auch, Tag für Tag. Äußere Anzeichen für ihren mörderischen Plan, die selbst bei einer Echtzeitauswertung der Bilder nur vom Betrachter wahrgenommen werden könnten, waren dort – wie es fast immer ist – Fehlanzeige.
Die Erfahrungen gerade in Großbritannien sprechen Bände. Dort ist „Big brother is watching you“ längst Realität, flächendeckende Videoüberwachung rund um die Uhr – und nicht ein einziger Anschlag konnte verhindert werden.
Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es 700 Bahnhöfe, darunter 20 größere wie Köln, Düsseldorf und Dortmund. Nach Auskunft der Bahn gibt es bun
desweit 5.700 Bahnhöfe mit bereits mehreren Tausend installierten Kameras. In ganz Deutschland befördert die Deutsche Bahn täglich 5 Millionen Menschen – so viele wie die Lufthansa in einem ganzen Jahr.
Mehr als vermehrte Streifengänge, Stichproben und Durchsuchungen von Gepäckstücken kann man nicht bewerkstelligen. Die Forderung nach dem Einsatz von bewaffneten sogenannten RailMarshals lehnen wir als uneffektiven, populistischen Aktionismus ab. Hier ist die Deutsche Bahn gefragt, durch eine ausreichende Anzahl von Zugbegleitern das zeitnahe Auffinden herrenloser Gepäckstücke sicherzustellen. Bewaffnet sein muss man hierfür nicht.
Ein weiteres Thema ist die seit fünf Jahren geplante Antiterrordatei. Eine Volltextdatei mit Direktzugriff auf die Daten stand für die FDP aufgrund des Gebots der Trennung von Polizei und Geheimdiensten und des damit verbundenen enormen Pflegeaufwandes immer außer Frage. Glücklicherweise haben mittlerweile auch die meisten anderen Beteiligten eingesehen, dass der einzige rechtsstaatskonforme Weg des Informationsaustausches eine Indexdatei sein kann.
Strittig ist derzeit die Frage, ob es eine einfache Indexdatei oder eine sogenannte erweiterte Indexdatei geben soll, sprich: Soll eine solche Datei neben dem Namen und dem Geburtsdatum des Verdächtigen, die zur Identifizierung notwendig sind, noch weitere Informationen enthalten und, wenn ja, welche? Hier wird derzeit die Angabe der verschiedensten Merkmale zur Person vorgeschlagen. Wir befürworten klar eine einfache Indexdatei. Insbesondere die geforderte Eintragung der Religionszugehörigkeit lehnen wir ab, da dies nach unserer Ansicht unergiebig und zudem verfassungswidrig wäre. Gleiches gilt für Informationen über Kontaktpersonen und weitere persönliche Daten wie Bankkonten. Allenfalls Daten, die für den Eigenschutz der angefragten Beamten relevant sind, wie besondere Gefährlichkeit oder früherer Waffenbesitz oder -gebrauch, könnte man sich noch vorstellen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt, BND, MAD und Verfassungsschutz wurde durch die Schaffung eines gemeinsamen Terrorabwehrzentrums in Berlin institutionalisiert, in das alle Sicherheitsbehörden Beamte zum Informationsaustausch schicken. Auch Nordrhein-Westfalen ist dort mit zwei Beamten vertreten. Dort wird aus den 16 Lagebildern der Länder ein Lagebild für unsere Republik gezeichnet.
Die FDP hat diese bewertende Verknüpfung auf der oberen Netzwerkebene, Frau Düker, nach dem Angriff auf die Twin-Towers am 11. September 2001 gefordert und in einer gemeinsamen Landespressekonferenz mit dem Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, hier in Düsseldorf begründet.
Diese bewertende Verknüpfung auf der oberen Netzwerkebene sollte die damalige sogenannte Steinmeier-Runde – Sie kennen sie alle – im Bundeskanzleramt ablösen. Dort trafen sich jeweils dienstags die Chefs der Dienste und des BKA zum Informationsaustausch.
Ich wünsche mir – deshalb habe ich die Diskussion mit Unterstützung der Verbände BDK und DPolG angestoßen – als eine Art Feinjustierung eine solche bewertende Verknüpfung auf der oberen Netzwerkebene auch für NRW. Wie wir heute gehört haben, könnte die vom Innenminister eingerichtete Sicherheitskonferenz die erste Antwort darauf sein.
Ich unterstreiche dies noch einmal, weil wir wissen, Frau Düker, dass Gefährder und ihr Umfeld gerade über die Schengen-Staaten nach NRW einsickern; das hatten wir schon diskutiert.
Entschieden entgegentreten müssen wir einer Entwicklung, die spätestens nach Heathrow zu beobachten ist – darauf ist keiner meiner Vorredner eingegangen –: der sogenannten Reislamisierung, der Radikalisierung von jungen Moslems, die im Westen bislang gut integriert lebten, sich aber aufgrund aktueller weltpolitischer Ereignisse oder unter dem Einfluss von bestimmten Gruppierungen, einschlägigen Internetseiten oder Programmen ausländischer Satellitensender zu einer Art Verteidigung ihres Glaubens mit allen Mitteln genötigt fühlen, jedoch keiner Organisation angehören und deshalb – das ist das Entscheidende – vom Verfassungsschutz nicht gesehen werden können.
Damit kein Missverständnis entsteht: Integration ist ohne Alternative. Und auf das Phänomen der Reislamisierung habe ich auch noch keine schlüssige Antwort. Aber vielleicht sind ganz praktische Initiativen der richtige Weg.
Ich komme mit einem Beispiel zum Schluss. Ich möchte auf Velbert aufmerksam machen. Dort gibt es eine private Initiative, die ganz gezielt auf Imame und auf die Mütter in muslimischen Familien zugeht. Da unterscheiden sich Orient und Okzident in keiner Weise: Wer die Mütter hat, hat