Protokoll der Sitzung vom 31.08.2006

Das hat etwas mit Artikel 13 des Grundgesetzes und der Unverletzlichkeit der Wohnung zu tun. Das ist Ihnen bekannt. Darüber werden wir in einer Anhörung zu reden haben.

Frau Präsidentin, ich darf einen letzten Satz äußern.

Egal, wie wir jetzt zu dem Gesetz stehen, rate ich uns allen, die Evaluierungspraxis solcher Gesetze zu überdenken. Es kann nicht sein, dass der Anwender des Gesetzes das Gesetz evaluiert und dann dem Gesetzgeber Vorschläge macht. In diesem Fall hat der Verfassungsschutz das bestehende und von ihm anzuwendende Gesetz in einem Vermerk evaluiert, Vorschläge gemacht und faktisch einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem er glaubt, mit ihm könne er gut arbeiten. Das darf der Verfassungsschutz vielleicht machen. Politische Führung, politische Leitung und liberale Innenpolitik ist das alles nicht. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Biesenbach das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Opposition ist manchmal ein schwieriges Geschäft.

(Zuruf von der SPD: Das kennen Sie!)

Herr Dr. Rudolph, Sie haben heute ein Beispiel dafür abgeliefert, wie mühsam es für einen Redner ist, Kritik zu finden, wenn es keinen Grund zur Kritik gibt. Rein sachlich betrachtet, hätten wir diesen Entwurf ohne Debatte zur Beratung an den Ausschuss geben können. An ihm gibt es gegenwärtig nichts auszusetzen. Ich will Ihnen das deutlich machen.

Sie haben hier minutenlang über Berlin geredet. Wir reden nicht über Gesetzentwürfe von Berlin.

Wir reden über einen konkreten Vorschlag, wie unser Verfassungsschutzgesetz zu ändern ist.

(Monika Düker [GRÜNE]: Der ist ja noch schlimmer als der Berliner!)

Frau Düker, dabei hilft kein Zwischenbereich.

Ich will eine erste klare Aussage machen: Ich habe Herrn Dr. Rudolph so verstanden, dass er beklagt, dass dieses Gesetz die Möglichkeiten für den Verfassungsschutz auf alle Terrorismusbereiche ausweiten will. Ich bitte Sie: Wollen Sie welche ausklammern? Dann sagen Sie es.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Sagen Sie es deutlich, und vernebeln Sie es nicht! Wir wollen, dass Terrorismus in allen Bereichen bekämpft und verhindert wird.

(Monika Düker [GRÜNE]: Dann schreiben Sie es auch so ins Gesetz!)

Zweite Aussage: Im Gesetzesvorschlag können Sie nun wirklich nichts Störendes finden. Warum ist das so? – Als erstes werden Befugnisse wieder in Kraft gesetzt beziehungsweise auslaufende Befugnisse werden verlängert. Das wollen Sie. Das wollen wir auch. Das bleibt drin. Zweitens werden die Befugnisse auf die fortgeschriebenen technischen Möglichkeiten erweitert. Das wollen wir. Wir wollen nicht, dass der Verfassungsschutz mit dem Fahrrad fahren muss, während die anderen mit dem Auto unterwegs sind. Das wollen wir nicht.

Diese Möglichkeiten schaffen wir. Wir packen auch die Bereiche hinein, die Sie in der Zwischenzeit verändert haben und mit dem schönen neudeutschen Begriff Home-grown Terrorists umfasst sind. Das tun wir.

Auf der anderen Seite erhöhen wir die Transparenz und den Schutz. Das ist ganz simpel. Die vom nordrhein-westfälischen Landtag eingesetzte G-10-Kommission muss vorab jeder Maßnahme zustimmen. Der Verfassungsschutz muss darüber hinaus das parlamentarische Kontrollgremium über die durchgeführten Maßnahmen unterrichten.

Jetzt kommt ein wesentlicher Unterschied zum Bund. Im Gegensatz zur Bundesebene müssen nach unserem heutigen Vorschlag bei dem Begehren nach Auskünften über Telekommunikationsverbindungen Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Straftat vorliegen, die im G-10-Gesetz benannt werden. Da schränken wir deutlich ein. Nur unter diesen einschränkenden Bedingungen soll es dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz zukünftig erlaubt sein, auf Rechner von

Terroristen zuzugreifen. Wir haben keine Bedenken; es sind vernünftige Maßnahmen, die auch notwendig sind.

Neben der verbesserten Transparenz – hier haben wir eindeutigere Vorschriften im Gesetz stehen – enthält unser Vorschlag erstmals die umfassende Pflicht, den Bürger über alle heimlichen Eingriffe nachträglich zu informieren. Das ist ein deutlicher Fortschritt zum Schutz der Betroffenen.

Zudem müssen alle personenbezogenen Daten, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben worden sind, künftig eindeutig gekennzeichnet werden. So werden datenschutzrechtliche und gerichtliche Kontrolle deutlich erleichtert.

Die verstärkte Beobachtung auf die modernen Kommunikationswege werden auch Sie nicht ernsthaft anzweifeln. Im Übrigen waren diese Befugnisse bereits seit 1994 im Verfassungsschutzgesetz verankert. Sie sind lediglich jetzt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert.

Einen Kritikpunkt haben Sie als letzten besonders hervorgehoben: die Wohnraumüberwachung. Es besteht kein Grund, sich deshalb zu beklagen. Von der Befugnis ist durch den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen seit 1994 kein Gebrauch gemacht worden. Eine Novellierung kommt dann infrage, wenn klare Kriterien für die präventive Überwachung durch den Verfassungsschutz vorliegen. Bis dahin belassen wir es bei der bisherigen Regelung, von der selbst der Verfassungsschutz sagt: Sie ist so aufwendig, dass sie sich nicht lohnt und das nicht passiert.

Ergebnis: Herr Innenminister, wir sind nicht immer einer Meinung.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das kann ich mir vorstellen!)

Hier stimmen wir Ihrer Vorlage ausdrücklich zu. Wir hoffen, dass der Verfassungsschutz effizientere Mittel bekommt. – Frau Düker, das können Sie sich deshalb vorstellen, weil für uns der Schutz vor Terrorismus wirklich wichtig ist, aber nicht irgendwelche in den Raum gestellte Phänomene, die in der Realität hier nicht auftreten.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Düker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Biesenbach, Ihre Schlussbemerkung finde ich schon ziemlich hart. Dass Sie verfassungsrechtliche Bedenken als „in den Raum gestellte Phänomene“ abqualifizieren, hätte ich von Ihnen als Jurist nicht gedacht.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Auch wenn Sie und der Innenminister hier noch so öffentlich und so oft betonen, dass die 2002 geschaffenen besonderen – nicht: allgemeinen – Auskunftsbefugnisse des Verfassungsschutzes gegenüber Banken und Telekommunikationsunternehmen nunmehr nur auf mögliche inländische Terroristen ausgedehnt werden – Herr Biesenbach, so steht es nicht im Gesetz, und so können Sie es auch der Öffentlichkeit nicht verkaufen.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Herr Minister, Sie verschweigen dabei, dass die neue Formulierung in Ihrem Gesetzentwurf dies so nicht eingrenzt. Es fehlt schlicht die Bestimmtheit des Tatbestandes. Hier ist unsauber gearbeitet worden. Der Anwendungsbereich wird nämlich ganz allgemein auf die Fälle des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Verfassungsschutzgesetzes erweitert.

Ein Blick ins Gesetz hilft ja oft bei der Tatsachenfindung. Dort heißt es in der allgemeinen Aufgabenbeschreibung des Verfassungsschutzes, dass es seine Aufgabe sei, Informationen zu beschaffen über – und jetzt zitiere ich –

„Bestrebungen, die gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben.“

Da steht nichts von Terrorismus. Das ist der allgemeine Aufgabenkatalog des Verfassungsschutzes, Herr Biesenbach. Das heißt übersetzt: Das, was nach den Ereignissen des 11. September 2001 als zusätzliche besondere Befugnisse unter der Voraussetzung einer Gefahrenlage – auch das steht da; das ist richtig – geschaffen wurde, wird hier durch die Hintertür zum Standardinstrument des Verfassungsschutzes. Der Minister instrumentalisiert hier aus unserer Sicht eindeutig die Terrorismusdebatte zulasten der Bürgerrechte, und das nehmen wir als Bürgerrechtspartei nicht hin.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Bei den Kontostammdaten haben Sie im Übrigen beim Steuerehrlichkeitsgesetz – Sie erinnern sich

an die Debatte hier im Hause – die Abfrage noch als Bürgerrechtseingriff verteufelt. Bei den Kontostammdaten-Abfragen durch den Verfassungsschutz entfällt die G-10-Kontrolle ganz; sie wird gestrichen. Da gibt es dann überhaupt keine Kontrolle mehr.

Ich will noch einen zweiten Punkt herausgreifen. Angesichts der Komplexität dieses Themas kann man im Rahmen der Redezeit, glaube ich, nur auf zwei größere Punkte eingehen.

Der Innenminister verteidigt aus unserer Sicht auf sehr wackeligem und unsicherem Boden die neuen Rechte des Verfassungsschutzes, auf Rechner von beobachteten Extremisten zugreifen zu können, mit der Kontrolle, die es doch durch die G-10-Kommission gebe. Hier geht es nicht um die Beobachtung des Internets, hier geht es um die Zugriff auf Daten auf PCs. Der Minister verschweigt hierbei wissentlich – der Datenschutzbeauftragte und andere haben ihn darauf hingewiesen –, dass dann, wenn auf Daten eines PCs von außen zugegriffen wird, ein Eingriff in Art. 13 des Grundgesetzes, nämlich in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht hat dies einschlägig bestätigt. Das heißt, wir haben es hier mit einem Grundrechtseingriff in den Kernbereich der Privatsphäre zu tun.

Was der Staat darf, Herr Biesenbach: Es geht hier nicht darum, den Staat wehrlos zu machen. Aber dafür hat unsere Verfassung schlicht einen Richtervorbehalt und andere Kriterien vorgesehen. Mit diesem Gesetzentwurf verlässt die Landesregierung eindeutig den Boden der Verfassung.

Herr Minister, Sie haben mit diesem Gesetz Ihre Sorgfaltspflicht verletzt, bei Grundrechtseingriffen die rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Es geht darum, dass immer dann – und das habe ich, denke ich, doch gerade in den Leitlinien für meine Fraktion deutlich gemacht –, wenn wir Eingriffe in Bürgerrechte vornehmen, auf der anderen Seite eine effektive Kontrolle stehen muss. Diese muss bei besonders tiefen Eingriffen in die Grundrechte durch einen Richter ausgeführt werden und nicht nur durch eine parlamentarische Kontrollkommission.

Dies ist alles auch verfassungsgerichtlich so bestätigt worden. Offensichtlich hat der Minister diese Urteile nicht gelesen, kennt sie nicht oder ignoriert sie.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Um das für meine Fraktion noch einmal sehr deutlich zu machen: Es geht uns nicht darum, den

Staat wehrlos zu machen. Es geht darum, in einem wehrhaften Staat die rechtsstaatlichen Leitplanken zu beachten. Diese Sorgfaltspflicht und Sensibilität lässt dieser Gesetzentwurf nicht erkennen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Orth das Wort.