Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Die Unternehmer, auch mittelständische Betriebe, beklagen sich, dass sie das geforderte Jahresgehalt von 84.000 € für hochqualifizierte ausländische Arbeitnehmer als Schwelle für die Einwanderung nicht aufbringen können, aber auch der Arbeitsmarkt diese Summe gar nicht hergibt. Das Ergebnis: Nur ca. 700 bis 900 Höchstqualifizierte bekamen auf Grundlage dieser Regelung eine Niederlassungserlaubnis im ersten Jahr des Zuwanderungsgesetzes.

Auch für die Niederlassung selbstständiger Investoren bedeutet das Gesetz eher ein Investitionshemmnis. Denn sie müssen mindestens 1 Million € investieren und zehn Arbeitsplätze schaffen.

So richtig es ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, alles zu unternehmen, um mit einheimischen Arbeitskräften unseren Fachkräftemangel zu decken, so klar liegt aber auch auf der Hand, dass wir darüber hinaus für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte bedarfsgerecht verbesserte Möglichkeiten zur Einwanderung brauchen. Die Steuerung ist völlig unzureichend. An diesen Hürden nur hier und da, was ja jetzt geplant ist, ein bisschen was zu verändern, reicht aus unserer Sicht nicht aus.

Wir brauchen – das ist auch eine Forderung von uns – endlich den Einstieg in die demografische Zuwanderung und eine Arbeitsmigration über die Einführung eines Punktesystems ähnlich den Regelungen in Kanada. Wir waren kurz davor. Es war alles ausgearbeitet. Aber bei den Verhandlungen hat die CDU damals aus meiner Sicht mit ideologischen Scheuklappen behaftet dieses Punktesystem verhindert. Die SüssmuthKommission forderte das. Wirtschaftsverbände fordern das. Wir sollten die Überarbeitung des Zuwanderungsgesetzes nutzen, um hier auch wirklich eine vernünftige Steuerung hinzubekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweiter großer Punkt: Integration verbessern. Heute ist es so: Für 2,05 € Kostenerstattung pro Teilnehmer und Stunde und mit 600 Stunden Deutschunterricht in Klassen mit maximal 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern soll bei ganztägigem Unterricht in sechs Monaten das Zertifikat

Deutsch mit dem Sprachniveau B 1 erreicht werden. Wir wissen, dass nur ein kleiner Teil der Teilnehmer den Kurs so erfolgreich abschließt, dass es reicht, um diese Prüfung zu bestehen. Wir wissen aber auch, dass das nicht daran liegt – wie Herr Schäuble und andere uns wissen lassen –, dass die Teilnehmer nicht genug Druck haben. Diese Rahmenbedingungen reichen einfach nicht aus, um Deutsch anständig lernen zu können.

Wenn man hierauf – wie das seitens des Bundesministeriums passiert – nur mit dem Vorhaben, den Sanktionsdruck zu erhöhen, reagiert, dann ist das zynisch. Wenn man sich nämlich anguckt, wie viele Menschen diese Einwanderungskurse belegen wollen – und zwar von denen, die schon lange hier leben –, dann sieht man, dass die Nachfrage da ist. Die Menschen wollen diese Kurse. Die Rahmenbedingungen sind aber zu schlecht, um wirklich vernünftige Ergebnisse erzielen zu können.

Das sind nur zwei Punkte. Es gäbe viele andere mehr anzusprechen.

Meine Damen und Herren, unser Antrag zielt darauf, dass wir nicht nur rhetorisch nette Worte von dem neuerdings laut Überschrift in der „Rheinischen Post“ „Kronprinz“ genannten Minister Laschet hören

(Minister Armin Laschet: Sehr witzig!)

und rhetorisch in die richtige Richtung weisende Forderungen, sondern wir brauchen von NRW ein Signal nach Berlin, wirklich nicht nur zu reden, sondern auch neue gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das Zuwanderungsgesetz auch seinen Namen verdient: Zuwanderungs- und nicht Zuwanderungsverhinderungsgesetz.

Herr Minister, unser Antrag zielt darauf: Nordrhein-Westfalen soll nicht nur reden! Handeln Sie! Wir wünschen uns ein etwas selbstbewussteres Auftreten in Berlin.

Der Bundesinnenminister sagt: Wir müssen hier und da vielleicht etwas verbessern. Herr Solf wird wahrscheinlich gleich sagen: Das tun wir ja alles, das tun wir ja alles. Nur an diesen Schräubchen zu drehen, wird nicht ausreichen, um das Problem wirklich lösen zu können. Wir brauchen einen großen Schritt nach vorne und nicht nur ein bisschen Nachbessern.

In der Überarbeitung des Zuwanderungsgesetzes liegt eine Chance. Wir erwarten von NordrheinWestfalen als dem Kernland der Zuwanderung

hier eine aktive Rolle, um vernünftige neue Rahmenbedingungen in Deutschland zu schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Solf das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eines muss man den Grünen ja lassen: Sie haben gute Augen. Sie erkennen die Scheunen, Frau Düker. Sie sehen, dass das Scheunentor weit geöffnet ist. Und sie rennen auch sofort los. Probleme haben sie mit der Feinmotorik. Leider rennen sie vor lauter Eifer gleich wieder durch das hintere Tor hinaus.

Aber, liebe Grünen, das ist immer noch viel besser als das, was die SPD macht. Die erkennt nämlich weder die Scheune noch die Äcker, auf denen zu arbeiten ist. Die beschäftigt sich lieber mit so schönen Fragen, ob Herr Horstmann sich ein klein wenig dazu verdienen dürfe oder ob Frau Schäfer sich ein klein wenig zurücknehmen solle.

Jedenfalls das, liebe Grüne, ist bei Ihnen anders. Sie wissen, dass das Gelingen unserer Integrationspolitik über das Gelingen unserer Zukunft entscheiden wird.

Deshalb sind ja die Scheunentore geöffnet, und deshalb würde ich Sie gerne ein wenig in der Scheune festhalten, auf dass wir jenseits Ihres vorbildlichen Eifers auch einmal konkret und gerne auch gemeinsam weiterkommen. Ich greife dabei vier Punkte Ihres Antrags auf.

Erstens. Selbstverständlich denken alle, die in diesem Landtag einen Sinn für die wichtigen Dinge haben, darüber nach, wie sie die Zuwanderung von Hochqualifizierten und Selbstständigen vereinfachen können. Die Antworten werden im Übrigen nicht ganz so einfach ausfallen, wie sich das mancher erträumt. Denn da gibt es die unvermeidliche und hohe Hürde der deutschen Sprache.

An der Beseitigung der zweiten Hürde, der Komplexität der deutschen Bürokratie, die einer zügigen Existenzgründung manches Mal im Wege steht, arbeiten wir ja. Die Koalition der Erneuerung ist hier Vorreiterin. Mittlerweile ist ja auch der Bund aufgewacht.

Dann wiederum, liebe Grüne, baut Ihr Antrag in diesem Zusammenhang auch einen Popanz auf. Denn die im Augenblick gültigen Regelungen beinhalten keine zwingenden Zugangshindernisse. Es sind „sogenannte Regelvoraussetzungen“,

die bei Bedarf entfallen können. Spielräume sind also auch im bestehenden System schon vorhanden.

Zweitens. Selbstverständlich wissen alle, die einen Sinn dafür haben, dass wir die Zuwanderung besser organisieren müssen. Die von Ihnen, liebe Grüne, angestrebte Vorfestlegung auf ein bundeseinheitliches Punktesystem wollen wir allerdings nicht. Zu unterschiedlich sind doch ganz offensichtlich die arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern. Da brauchen wir passgenaue Zuschnitte und keinen Zentralismus.

Jedenfalls, Frau Düker, geht es nicht darum, ob es ein Punktesystem geben wird, sondern wie es gestaltet werden wird. Mein sehr geschätzter Kollege Theo Kruse sieht das übrigens genauso wie ich.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das wäre ja mal was ganz Neues!)

Bei Punkt 3 wiederum müssen wir eine bundeseinheitliche Regelung anstreben. Denn die Frage des Arbeitsmarktszugangs ist ein Teilaspekt der für Deutschland neu zu fassenden Bleiberechtsregelung. Wie in diesen Tagen nicht unüblich, hat Nordrhein-Westfalen auch hier eine Initiative angestoßen, die hoffentlich zu einer Einigung führen wird.

Ich halte es, Frau Düker, für den falschen Weg, unseren Gesprächspartnern durch eine vorzeitige Festlegung im nordrhein-westfälischen Landtag die Pistole auf die Brust zu setzen.

Viertens schließlich weiß auch jeder außer den üblichen Unverantwortlichen, dass wir noch an der Ausgestaltung der Integrationskurse arbeiten müssen. Aber auch hier, liebe Grüne, sind die Tore doch schon völlig offen. Eine Evaluierung läuft bis zum Jahresende. Dieses Jahresende ist nur noch ein gutes Vierteljahr entfernt. So viel Zeit werden Sie doch noch haben. Dann werden wir reden und zügig entscheiden.

Die Koalition der Erneuerung bietet jedenfalls jedem in diesem Haus, der dabei sein will, die verantwortliche Mitarbeit in dem zukunftsentscheidenden Politikfeld Integration an. Unsere gemeinsame Initiative aus 2001 dient dafür weiterhin als Basis.

Hilfreich wäre es – jetzt muss ich leider wieder Sie, liebe Grüne, und besonders Sie, Frau Düker, anschauen –, wenn nicht immer wieder der Eindruck entstünde, Ihr Weg in die Scheune erfolge manches Mal aus taktischen Erwägungen. So wäre es doch nicht nur schön, sondern auch ange

messen gewesen, in dem vorliegenden Antrag nicht nur unserem Aktionsplan Integration vom 27. Juni dieses Jahres zu folgen, sondern ihn auch zu nennen und zuzugeben, dass Sie sich an ihm dankenswerterweise orientieren.

Es wäre auch schön, Frau Düker, wenn Sie die dornigen Aspekte dieses Themas – ich nenne beispielhaft die Scheinehen – nicht so elegant umschiffen würden.

Aber: Schwamm drüber! Sie sind zur Mitarbeit bereit. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen mit Ihnen und natürlich auch mit der geschätzten Kollegin Altenkamp. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Das war eine Punktlandung. Vielen Dank, Herr Solf. – Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort jetzt Frau Altenkamp.

Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Solf, für die freundliche Einladung. Ich werde jetzt mein Bestes tun.

(Heiterkeit von SPD und Michael Solf [CDU])

Nun gut. Ein Problem dieses Antrags – das haben Sie auch schon beschrieben – ist, dass er die Bundesebene, auf die wir an dieser Stelle allenfalls appellativ einwirken können, als eine Zielrichtung hat. Sie, Herr Solf, und ich sollten an die richtigen Stellen in Berlin herantreten, um das eine oder andere zu diskutieren.

Dennoch: Das Thema ist durchaus wichtig. Denn in der Tat geht es beim Evaluationsbericht – wie soll man sagen? – für uns in Nordrhein-Westfalen um einen ganz entscheidenden Punkt.

Es ist eben wirklich schade, dass wir landespolitisch über nur relativ wenige Eingriffsmöglichkeiten verfügen. Aber eine will ich zum Abschluss nennen: Wir Sozialdemokraten teilen die Analyse des Antrags, wie es zu den Problemen bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes gekommen ist. Die Probleme haben ihre Ursache vor allem in der Blockadehaltung der CDU/CSU.

(Beifall von Renate Hendricks [SPD])

Es bleibt zu hoffen, dass nach über zwei Jahren aus den aufgetretenen Fehlern tatsächlich gelernt wird.

Notwendig scheint mir allerdings zu sein, an die Diskussion nicht nach dem Motto heranzugehen „Wir haben es schon immer gewusst.“ und „Wir

haben es immer besser gewusst.“, sondern sich auf sehr konkrete Punkte, die im Evaluationsbericht deutlich werden, zu konzentrieren.

In dem Antrag wird zu Recht die Regelung kritisiert, dass die Sprach- und Integrationskurse nur 600 Stunden umfassen. Das haben wir in Nordrhein-Westfalen schon vor längerer Zeit im Prinzip als Problem erkannt. Denn Gleiches ist auch bei den Sprach- und Integrationskursen für die Spätaussiedler zu beobachten gewesen. Sie wurden auch von 900 Stunden beziehungsweise von früher über 1000 Stunden auf 600 Stunden reduziert – und das vor dem Hintergrund, dass die Menschen, die in den letzten Jahren gekommen sind, nur noch in erheblich kleinerem Umfang an Deutsch- und Integrationskursen teilnehmen konnten, obwohl die bei ihnen vorhandenen Deutschkenntnisse immer geringer waren, was zu den bekannten Folgen und Problemen geführt hat.

Nun kann man darüber noch einmal diskutieren. Ich glaube aber, dass man im Grundsatz das schon Vereinbarte und das von Frau Merkel im Anschluss an den Integrationsgipfel Angekündigte, nämlich dass die Bundesregierung plant, die 900 Stunden auf jeden Fall als Gesetz zu beschließen, unterstützten kann. Wir alle sollten aber auch unterstützen, dass der Bund die Kosten übernimmt, weil wir sonst alle gemeinsam ein Problem haben.

Selbstverständlich erwarten wir, dass der Bund die Kosten übernimmt und dem Land hilfreich zur Seite steht, so wie wir als Landespolitiker und als diejenigen, die schon länger Erfahrungen mit den Inhalten dieser Kursen haben, der Bundesebene vielleicht den einen oder anderen hilfreichen Hinweis zur Gestaltung dieser Kurse geben sollten. Denn ich will nicht nur über die Leute reden, die diese Kurse abhalten, sondern auch über die Inhalte. Ich will es vorsichtig ausdrücken: Nach unserer Meinung besteht ganz sicher noch Optimierungsbedarf.