Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Selbstverständlich erwarten wir, dass der Bund die Kosten übernimmt und dem Land hilfreich zur Seite steht, so wie wir als Landespolitiker und als diejenigen, die schon länger Erfahrungen mit den Inhalten dieser Kursen haben, der Bundesebene vielleicht den einen oder anderen hilfreichen Hinweis zur Gestaltung dieser Kurse geben sollten. Denn ich will nicht nur über die Leute reden, die diese Kurse abhalten, sondern auch über die Inhalte. Ich will es vorsichtig ausdrücken: Nach unserer Meinung besteht ganz sicher noch Optimierungsbedarf.

Deshalb, Herr Laschet, fordern wir Sie auf, in Richtung Bundesregierung tätig zu werden. Ich glaube, dass es da jede Menge Möglichkeiten gibt. Gute Integrationskursangebote verbessern die Chancen auf das Gelingen der Integration. Das ist jedem klar. Vor dem Hintergrund sollten wir gemeinsam alle unsere Initiativen Richtung Berlin wenden.

Wir unterstützen die Forderung nach Absenkung der Zugangsbeschränkungen für Hochqualifizierte und für Selbstständige. Und wir unterstützen auch die Einführung eines bundeseinheitlichen Punktesystems.

Man sollte sich wirklich dafür einsetzen, denn letztlich ist ein Punktekatalog noch das transparenteste System. Ich glaube, dass ein bundeseinheitlicher Punktekatalog das transparenteste System ist: sowohl für die Leute, die in die Bundesrepublik kommen wollen, wie auch für diejenigen, die Zuwanderung steuern wollen und die vor allen Dingen Zuwanderung bestimmter Zielgruppen steuern wollen.

Im Moment konzentrieren sich in einigen Bundesländern bestimmte Probleme, und zwar bedingt durch das Verhalten der Zielgruppen. Spätaussiedler zum Beispiel reisen insbesondere wegen dort schon angesiedelter Verwandter in bestimmte Regionen. Auch andere Ethnien gehen jeweils in die Regionen, wo schon viele Verwandte und Bekannte leben.

Zum Abschluss, damit wir hier nicht im allgemein Besinnlichen verharren: Der Antrag ist an sich gut, zeigt aber leider nur wenige Möglichkeiten des Eingriffs auf, und wenn Eingriffsmöglichkeiten existieren, dann nur appellative.

Eines muss man allerdings sagen: Es würde sich meines Erachtens lohnen – und das ist etwas, was wir hier tun könnten –, die Integrationsoffensive 2001 im Hause fortzusetzen. Warum nicht den Vorschlag des Integrationsbeauftragten aufgreifen, der von uns fordert, uns mit den Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen der Migranten in unserem Land zu beschäftigen? Ich glaube, dass es lohnenswert wäre, im Zusammenhang mit der Neuzuwanderung zu überlegen, wie man die Situation der Menschen, die bereits lange hier leben, verbessern kann. Dies können wir konkret tun. Meine Fraktion ist bereit, zu einer gemeinsamen Initiative beizutragen. Ich hoffe, dass wir in Bälde zu konkreten Ergebnissen kommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Altenkamp. – Für die FDP-Fraktion möchte jetzt Herr Witzel das Wort ergreifen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Antrag der Grünen werden wir im Ergebnis nicht zustimmen. Wir halten ihn für nicht notwendig und rechtlich schwierig durchsetzbar in vielen Einzelpunkten dessen, was dort fixiert ist. Wir glauben, dass dieser Aufschlag nicht notwendig ist.

Sie fordern die Landesregierung auf, sich im Sinne einer verantwortungsvollen Integrationspolitik, wie sie zum Beispiel in der Integrationsoffensive

NRW formuliert ist, zu verhalten. Die Grünen verdenken dabei, dass eine solche Aufforderung überholt ist. Mit dem 20-Punkte-Aktionsplan Integration, der im Übrigen in Ihrem gesamten Antrag an keiner Stelle eine vernünftige Erwähnung findet, hat die Landesregierung die Integrationsoffensive weiterentwickelt und konkretisiert.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das hat damit nichts zu tun!)

Insbesondere wundern wir uns in diesem Zusammenhang, dass die Grünen nun die Integrationsoffensive wieder für sich entdeckt haben. In Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung haben Sie die Umsetzung von vielen einzelnen Punkten, die mit allen vier Fraktionen der letzten Legislaturperiode gemeinsam besprochen waren, in der Praxis nicht immer ganz so ernst genommen.

Wir alle sehen, dass das Zuwanderungsgesetz Optimierungsbedarf hat. Deshalb kann ich für die FDP-Landtagsfraktion erklären – ich weiß, dass das auch die Sicht der Bundes-FDP ist –, dass wir gerne über Nachjustierungen zum gegebenen Zeitpunkt reden. Das zeigen auch die ersten vorliegenden Evaluierungen des Bundes.

Ich halte es allerdings für falsch, sich jetzt übereilt und unüberlegt auf mögliche Änderungen festzulegen. Die Materie ist zugegebenermaßen sehr komplex, sodass man für viele Fragen, die Sie angesprochen haben und die sich zu einem späteren Zeitpunkt noch als diskussionsnotwendig herausstellen könnten, eine detaillierte Daten- und Faktenlage braucht, bevor man zu endgültigen Entscheidungen kommen kann.

Die Grünen haben nicht Unrecht, wenn sie sagen, dass zu wenige Selbstständige und Hochqualifizierte zugewandert sind. Die Gründe dafür liegen nach Meinung der Grünen in zu hohen Hürden. Oder liegen sie darin, dass wir schlicht aufgrund anderer wirtschaftlicher Faktoren für Topleute ein nicht immer attraktives Land sind? Man kann darüber reden, wie man es schafft, mehr Spitzenverdiener und solche, die bei uns Arbeitsplätze schaffen wollen, zu uns zu holen. Das kann aber nicht dadurch geschehen, dass wir die Anforderungen generell an dieser Stelle ändern, denn dann ist auch das Ziel, die Besten zu bekommen, verfehlt.

Grundsätzlich ist die FDP bereit, sich sachbezogen über Chancen und Risiken eines bundeseinheitlichen Punktesystems zu unterhalten. Wir sehen aber auch diesbezüglich die Notwendigkeit, größere und längere Erfahrung in der Umsetzung des jetzigen rechtlichen Status quo sammeln zu müssen.

Wir sind zudem davon überzeugt, dass vieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag skizzieren, rechtlich nicht machbar oder faktisch nur schwer durchsetzbar ist. Sie wissen, dass sich auch die FDP für einen möglichst freien Arbeitsmarktzugang einsetzt. Das ist aber in erster Linie Sache des Bundes. Ich gebe zu bedenken, dass die Vorberechtigungsregelungen für deutsche beziehungsweise EU-Bürger nach § 39 Aufenthaltsgesetz nicht so einfach abgeschafft werden können, wie Sie sich das möglicherweise vorstellen. Sie fußen nämlich auf europäischen Rechtsvorschriften, die als Rechtsrahmen zu beachten sind.

Was wir aber landesseitig tun können, um Benachteiligungen am Arbeitsmarkt zu überwinden, das packen wir beherzt an. Mit dem 20-PunkteAktionsplan sorgen wir dafür, dass Migranten in Sachen schulischer und beruflicher Qualifikation aufholen. Als Stichworte darf ich auf unsere systematischen Ansätze im Bereich der Sprachförderung, die über die Bemühungen aller anderen Bundesländer in Deutschland hinausgehen, unsere individuelle Förderung an Schulen nach dem neuen Schulgesetz, die Qualitätsoffensive Ganztagshauptschule, die Qualitätsverbesserungen im Bereich der offenen Ganztagsschulen und die bessere Ausstattung der offenen Jugendarbeit verweisen. Insgesamt haben wir dokumentiert …

(Lachen von Britta Altenkamp [SPD])

Frau Altenkamp, da, wo Sie in Ihren Ankündigungen die Axt angelegt haben, kommen wir zu einer Stabilisierung und Verbesserung des Systems. Die Zahlen können wir gerne besprechen. Wenn Ihre Ankündigungen aus der letzten Legislaturperiode für die offene Jugendarbeit wahr würden, dann wäre das für die weitere Entwicklung schlecht.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Wir handeln konsequent und mit einem hohen Maß an sozialer Sensibilität.

(Beifall von der FDP)

Das gilt für die Sonderprogramme im Jugendbereich – das Sonderprogramm für Jugendsozialarbeit – und für den Bildungsbereich – das Schulgesetz, das mit sehr viel mehr Leistungsbezug für alle Schulen in die Zukunft weist,

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

aber auch mit der nötigen Sensibilität, indem wir auf der Grundlage des Sozialindex für Schulen das Gartenschlauchprinzip anstelle des Gießkannenprinzips anwenden, damit die schwierigen Standorte besonders unterstützt werden.

(Britta Altenkamp [SPD]: Den Sozialismus nicht zu vergessen!)

Es gibt viele Maßnahmen, Frau Altenkamp, bei denen Ihnen peinlich ist, dass Sie erstens in den letzten Jahren nicht darauf gekommen sind, dass Sie zweitens, wenn wir Derartiges in der letzten Legislaturperiode beantragt haben, das abgelehnt haben, und drittens, dass wir es nicht nur ankündigen, sondern es jetzt auch machen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns in der Landesregierung bisher nicht mit Integrationspolitik beschäftigt haben, bin ich ganz dankbar, dass die Grünen diesen Antrag in den Landtag eingebracht haben. Ich habe in den letzten Tagen einmal durch ein paar Experten prüfen lassen, was man auf diesem Gebiet, das seit 2001 nicht bearbeitet wurde, jetzt neu machen könnte. – So ähnlich liest sich das, was Sie uns hier vorschlagen.

Dafür ist es zu kurz gegriffen, liebe Frau Düker. Ihre Überschrift lautet: „… Den Wirtschaftsstandort NRW durch erleichterte Zuwanderung und bessere Integrationsförderung stärken“. – Das Einzige, was Sie in Ihrem Antrag dazu an Sachsubstanz bringen, sind ein paar kleine Änderungen am Zuwanderungsgesetz, die ohnehin im Moment erörtert werden. Sie bringen keine einzige Silbe über eine bessere Integrationsförderung in Nordrhein-Westfalen, die Sie in der Überschrift ansprechen. Das zeigt, dass Sie eine sehr verkürzte Politik machen.

Herr Kollege Witzel hat gerade alles vorgetragen, was hier passiert, um die Integrationsförderung zu verbessern. Das alles nehmen Sie gar nicht zur Kenntnis. Sie haben sich aus dem 500 Seiten umfassenden Evaluierungsbericht des Bundesinnenministers ein paar Punkte herausgegriffen und versuchen, daraus etwas zu stricken. Durchgängig greift es erheblich zu kurz und wird der Breite der Aufgabe, vor der wir stehen, nicht gerecht.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Düker?

Ja.

Frau Düker, ich erteile Ihnen das Wort.

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, stimmen Sie mir wenigstens darin zu, dass das Zuwanderungsgesetz nicht unerhebliche Rahmenbedingungen für die Integrationsförderung in Deutschland schafft und dass die durch das Zuwanderungsgesetz seit dem 1. Januar 2005 erstmals geschaffenen Zuwanderungskurse komplett vom Bund finanziert werden und somit die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf die Integrationsförderung haben – natürlich neben denen, die Sie im Land setzen?

Nein, ich stimme Ihnen nicht zu. Vielleicht war es die Politik der alten Landesregierung, darauf zu warten, dass die Integrationsförderung in einem Bundeszuwanderungsgesetz für sie gelöst würde.

Leider ist die Aufgabe aber anspruchsvoller, Frau Düker. Leider ist Integrationsförderung mehr, als auf eine Bundeszuweisung zu warten. Das war auch der Kern des Gipfels bei der Bundeskanzlerin. Man kann auf Bundesebene groß reden. Die Integrationsförderung, um die Integration zu erreichen, ist Aufgabe der Länder. Sie muss in den Schulen und Kindergärten realisiert werden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das schließt sich doch nicht aus!)

Sie muss auf dem Arbeitsmarkt passieren. Was Sie wollen, ist verkürzt. Das geschieht doch nicht durch ein paar Kleinigkeiten, …

(Monika Düker [GRÜNE]: Kleinigkeiten?)

… ein paar Kleinigkeiten, die man beim Zuwanderungsgesetz ändern muss.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das nennen Sie Kleinigkeiten?)

Kommen Sie einmal mit mir ins Ruhrgebiet. Kommen Sie mit nach Duisburg oder Köln und dann fragen Sie sich einmal, was diesen Menschen, die neue Chancen haben wollen, hilft. Fragen Sie sich, was den Menschen hilft, wenn wir sie mit Karrierechancen und mit besserer Bildung ausstatten wollen. Was hilft es diesen Menschen, wenn irgendeine Kleinigkeit im Zuwanderungsgesetz für Menschen geändert wird, die wir aus anderen Gründen neu ins Land holen wollen?

Den vier Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Nordrhein-Westfalen hilft das, was wir an konkreter Integrationspolitik machen. Dafür gibt es den 20-Punkte-Plan. Den haben Sie nicht einmal erwähnt, weil Sie alles auf ein paar bundesgesetzliche Änderungen verkürzen.

Ich sage jetzt etwas zu den bundesgesetzlichen Änderungen.

(Zuruf: Endlich!)

Wir sind hier im Deutschen Bundestag. Deshalb diskutieren wir hier vor allem Bundesgesetze.