Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Was wollen wir mit diesem Antrag? – Wir wollen – erstens –, aufbauend auf dem gemeinsamen Entschließungsantrag, zusammen mit Ihnen hier eindeutig weiter gehen. Wir wollen die gemeinsame Entschließung mit diesem Antrag auch nicht infrage stellen. Deshalb haben wir ihn so aufgeteilt, dass wir die von uns in den letzten Monaten erarbeiteten und von uns für besonders wichtig gehaltenen Eckpunkte vor der Klammer beschreiben.

Darüber hinaus wollen wir, dass die Landesregierung, dass Sie, Herr Minister, in den nächsten Monaten tätig werden, weil wir glauben, dass es an der Zeit ist, jetzt Pflöcke einzuschlagen und in den nächsten Wochen diese Pflöcke auch im Fachausschuss bekanntzugeben.

Unabhängig davon wollen wir aber, Herr Minister, dass wir weiterhin versuchen, bundeseinheitliche Mindeststandards festzuschreiben. Eine entsprechende Möglichkeit dafür könnten zum Beispiel der Verbraucherschutz oder das Ordnungsrecht bieten. Wir wollen diese Möglichkeit nicht ungenutzt lassen, weil wir glauben, dass das im Sinne aller zu pflegenden Menschen in Deutschland wäre.

Ferner haben wir zwei weitere klare Forderungen formuliert:

Erstens. Wir fordern ein Beteiligungskonzept, Herr Minister, weil wir glauben, dass die breite Öffentlichkeit und die breite Beteiligung der betroffenen Verbände und Interessengruppen notwendig sind, um die Akzeptanz für die nächsten zehn Jahre herzustellen. Sie haben in einer Veranstaltung am Montag oder am Dienstag dieses auch für sinnvoll erachtet. Sie haben darauf hingewiesen, dass gerade in der Pflegeversicherung vor zehn Jahren einige Punkte so nicht gesehen werden konnten.

Als Letztes fordern wir klare inhaltliche Eckpunkte. Wir würden uns freuen, Herr Minister, wenn Sie in den nächsten Wochen auch einen Zeitplan vorlegen könnten.

Klar ist: Wir Sozialdemokraten in NordrheinWestfalen wollen eines: Die lange Tradition in der Pflegepolitik, in der NRW immer führend war, fortsetzen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die gemeinsamen Diskussionen im Fachausschuss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. – Wir setzen die Debatte mit einem Beitrag von Herrn Abgeordneten Dr. Romberg, FDP-Fraktion, fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Entbürokratisierung in der Pflege hatten wir in den letzten Wochen und Monaten plenar schon häufiger diskutiert.

Das fing im März an mit dem Grünen-Antrag auf Ablehnung eines Heimgesetzes in Landesverantwortung. Nochmals zu Ihrer Frage, Frau Steffens, weshalb Grüne und Sozialverbände sich so stark dagegen gewehrt haben.

Weshalb sich Grüne dagegen wehren, liegt wahrscheinlich an diesem zentralistischen Weltbild, das Grüne haben.

Weshalb Sozialverbände sich dagegen wehren, liegt wohl daran, dass sie auch Lobbyisten zu führen haben. Es ist natürlich viel einfacher, sich in einem Gesetzgebungsverfahren bundeseinheitlich werbend einzuklinken, als wenn dies sehr differenziert auf föderalistischem Weg in den unterschiedlichen Ländern und angepasst an die Bedürfnisse der Länder geschieht.

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben im Mai dieses Jahres hier den Antrag zum Abbau von Bürokratie in der Pflege vorgelegt, der das Heimgesetz mit einbezieht.

Zum Antrag der Grünen: Angesprochen wird das Problem überhöhter Bürokratie im Heimgesetz, aber dieses Mal für den ganzen Bereich der Pflege. Bemerkenswert ist ja, dass Sie einen Großteil Ihrer Forderungen aus dem ersten Antrag zum Heimgesetz übernommen haben; lediglich die Reihenfolge haben Sie verändert. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie sinnig ist es überhaupt, solch einen Antrag neu einzubringen?

Der Antrag äußert sich kritisch zu einigen Ergebnissen der Arbeitsgruppe Entbürokratisierung in der Pflege. Dazu ist Folgendes zu sagen: Die Fraktionen von CDU und FDP haben die Landesregierung in ihrem Antrag aufgefordert, diejenigen Maßnahmen darzulegen, die sie für erforderlich und umsetzbar halten. Es handelt sich bei den Ergebnissen der Arbeitsgruppe zunächst einmal um Vorschläge, die ja seitens des Ministeriums genauestens geprüft werden sollen und außer

dem mit entsprechenden Maßnahmen in ein Gesamtkonzept der Alten- und Pflegepolitik integriert werden müssen.

Wenn man das Ganze in den Blick nimmt, statt einzelne Regelungen jetzt isoliert zu betrachten, erkennt man dann die Schnittstellen und mögliche Doppelungen sehr viel besser. Diese Vorgehensweise ist daher auch eine Möglichkeit, Bürokratie erst gar nicht entstehen zu lassen.

Allerdings ist nicht nur der Gesetzgeber gefragt, wenn es um mehr Flexibilität geht, sondern auch Einrichtungen und Träger können gleichfalls dazu beitragen, Bürokratie aufgrund interner Regelungen erst gar nicht entstehen zu lassen, die, wenn sie erst einmal etabliert sind, häufig gar nicht mehr hinterfragt werden. Dabei geht es um den organisatorischen Bereich. Dort gibt es häufig Möglichkeiten, bestimmte Abläufe effizienter, klarer und dadurch letztendlich zeitsparender zu gestalten.

Grundsätzlich gibt es in dieser Frage sicher eine Menge gemeinsamer Aspekte. Das betrifft die stärkere Berücksichtigung der Ergebnisqualität ebenso wie die kritische Überprüfung von allzu umfangreichen Dokumentationspflichten sowie die besagten Doppel- und Mehrfachprüfungen.

Der Antrag der Grünen verweist ebenso wie der Antrag der CDU und der FDP nicht von ungefähr auf die Handlungsempfehlung der Enquetekommission „Situation und Zukunft in der Pflege“.

Bei der SPD geht es auch um Bürokratieabbau, hauptsächlich auf das Heimgesetz beschränkt. Sie haben auch noch einmal auf die Fachkraftquote hingewiesen. Da sage ich: Es geht, wenn wir über die Fachkraftquote diskutieren, nicht darum, wirtschaftliche Einsparungen zu ermöglichen, sondern darum, flexibler und adäquat auf den Bedarf der Menschen in den Heimen reagieren zu können. Diesbezüglich sehen viele Experten die 50-%-Quote als zu starr an. Ich denke, da brauchen wir Lösungen, wie wir Qualität erhalten und vielleicht durch eine flexiblere Quote noch erhöhen können.

Insgesamt besteht die besondere Herausforderung darin, den Mittelweg zwischen der notwendigen Sicherheit für pflegebedürftige und behinderte Menschen einerseits und den Gestaltungsspielräumen andererseits zu finden. Wir brauchen überprüfbare und verbindliche Standards, die aber auch kreative Lösungen zulassen.

Wichtige Voraussetzungen, die beides miteinander verbinden können, sind Transparenz und Offenheit zum Beispiel in Form qualitativer Heimver

gleiche, aber auch eine stärkere Öffnung der Heime für Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde. Auf diese Weise können wir dazu beitragen, dass Qualität nicht nur verordnet, sondern auch gelebt wird.

Herr Romberg, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Stefan Romberg (FDP) : Das war der Schluss.

(Beifall von der FDP)

Das war der Schluss. Wunderbar. Das muss man manchmal dazu sagen.

Nun hat der zuständige Minister, Herr Minister Laumann, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass wir im Landtag bezüglich des Heimgesetzes und der Pflege sehr viele übereinstimmende politische Forderungen formulieren.

(Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein: Was kann ein Heimgesetz alles leisten?

Erstens. Wir müssen für ein modernes Gesetz sorgen, denn Heime sind heute Anbieter umfassender Dienstleistungen in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Es sind auch die Heime, die sich den Herausforderungen des demografischen Wandels stellen müssen. Das heißt auch: Ein Heimgesetz muss der Pflegewirklichkeit mehr Rechnung tragen als bisher.

Zweitens. Ein Heimgesetz für Nordrhein-Westfalen muss den Kernauftrag, den Schutz von Heimbewohnern, im Auge behalten. Dabei geht es nicht nur um den Verbraucherschutz für die Bewohner von Altenheimen. Wir wünschen uns ausdrücklich, dass auch die Menschen mit Behinderungen in stationären Einrichtungen von einem zukünftigen Heimgesetz profitieren.

Drittens. Das Heimgesetz muss ein schlankes, aber dennoch effektives Gesetz ohne bürokratischen Ballast sein. Der Verwaltungsaufwand in allen Bereichen der Altenpflege und der Behindertenhilfe muss verringert werden.

Das sind zunächst einmal unsere drei Grundsätze.

Jetzt möchte ich etwas zum Zeitplan sagen. Die Zuständigkeit für das Heimgesetz liegt jetzt 14 Tage, also seit dem 1. September, bei uns. Es muss noch zwischen den Ländern und dem Bund geklärt werden, was rechtlich genau an die Länder übergegangen ist. Darüber gibt es zurzeit Besprechungen in Berlin.

Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr Eckpunkte eines solchen Heimgesetzes für Nordrhein-Westfalen – ich betone: Eckpunkte – im Kabinett beraten werden. Im nächsten Jahr sollten wir uns dann sehr viel Zeit nehmen, diese Eckpunkte im Dialog mit der interessierten Szene zu besprechen.

Einer Verabschiedung nähertreten kann man im Grunde aber erst, wenn wir wissen, wie die Reform der Pflegeversicherung auf Bundesebene aussieht. Ich möchte nicht gerne ein Heimrecht in Nordrhein-Westfalen in Kraft setzen, ohne zu wissen, wie es mit der Pflegeversicherung weitergeht. Denn Heimrecht und Pflegeversicherung haben Schnittmengen. Wenn das Gesetz stimmig sein soll, dann brauchen Sie schlicht und ergreifend die Kenntnisse über die zukünftige Ausgestaltung der Pflegeversicherung. Nur dann können Sie ein Heimrecht schaffen, was sich mit dem jetzigen oder zukünftigen Pflegeversicherungsrecht ergänzt und Doppelstrukturen verhindert.

Und man muss einmal ruhig darüber reden, ob es überhaupt gelingen kann, in die Regelungen eines Heimgesetzes eine so komplizierte Problematik wie einerseits die der Altenpflegeeinrichtungen, andererseits die Thematik Behinderteneinrichtungen einzubeziehen? Das sind zwei unterschiedliche Lebensbereiche von Menschen. Ich bin da sehr offen und frage, ob man nicht unter Umständen auf diese spezifischen Lebenssituationen von Menschen in einem Heimrecht unterschiedlich reagieren muss.

Dann müssen wir uns damit beschäftigen, wie wir die einheitliche Umsetzung des vom Land gesetzten Rechts in ganz Nordrhein-Westfalen sicherstellen. Ich lasse mich hier nicht als zuständiger Minister für jede Frage der Kontrolle, der Bürokratie und der Auflagen in Haftung nehmen, aber wenn wir Recht setzen, müssen wir uns darum kümmern, wie dieses Recht in der Anwendung in der Fläche in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird.

Ich glaube, dieses Gesetzgebungsvorhaben eröffnet uns die Chance, die Situation der Heime in Nordrhein-Westfalen neu zu gestalten. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein Bereich, bei dem es sehr wichtig ist, einen hohen Konsens

nicht nur im Parlament, sondern auch mit den Menschen, die dort arbeiten und leben, zu haben.

Herr Minister.

Ich komme zum Schluss. – Wir sollten vor allen Dingen nicht glauben, wir müssten uns übereilen und überstürzen. In dieser Gesetzgebung geht die Richtigkeit und Genauigkeit vor Effekthascherei durch überhastete Handlungsaktivitäten. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Auch ich danke. – Wir sind am Ende der Beratung. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Anträge Drucksache 14/2409 und 14/2410 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Frauenpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das einstimmig so beschlossen.

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