Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Herr Pinkwart hat völlig Recht: Natürlich haben wir alle die Erwartungshaltung, dass in erster Linie die Wirtschaft verantwortlich ist und Ausbildungsstellen bereitzustellen hat.

Sie, Herr Minister Pinkwart, haben es eigentlich auch zum Ausdruck gebracht; die Kollegen aus den Fraktionen leider nicht, dass wir dabei natürlich den Kollegen Laumann nicht alleine lassen und sagen können: Darum kümmert sich die Wirtschaft. Das Land selbst muss mit gutem Beispiel vorangehen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das tun wir doch auch! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sagt sie doch gerade!)

Wenn Sie bestätigen, wie gut die Hochschulen ausbilden, ist das sicherlich nicht ein Verdienst, das im letzten Jahr entstanden, sondern das in den letzten Jahrzehnten aufgebaut worden ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich finde es gut, dass Sie anerkennen, dass die Hochschulen Dank unserer Leistung so gut dastehen.

Die Ausführungen von Herrn Dr. Berger zum Globalhaushalt haben gezeigt, wie wichtig und notwendig unser Antrag ist. Uns geht es darum, das auch zukünftig sicherzustellen. Herr Berger, Sie haben eigentlich deutlich gemacht, dass unsere Befürchtungen sehr begründet sind, dass es zukünftig nicht mehr so weitergeht, wenn in diesem Bereich keine Gesamtverantwortung des Landes mehr gesehen, sondern die Verantwortung – ich sage einmal – individualisiert bei den Hochschulen angesetzt wird.

Man kann dieses Sich-aus-der-VerantwortungStehlen an einem konkreten Punkt im Haushalt deutlich machen: Bei den Zentralmitteln sind 173 Ausbildungsstellen in 2006 etatisiert, die nun im neuen Landeshaushalt den Hochschulen zugeschlagen werden – allerdings ohne jegliche finanzielle Kompensation. Von daher ist unsere Befürchtung doch mehr als berechtigt.

Sie haben ferner ausgeführt: Verbundausbildung ist gut und schön; aber warum soll man ausgerechnet die Gründer einbeziehen? – Natürlich sollen die Gründer nicht gleich innerhalb der ersten vier Wochen einbezogen werden. Gerade weil die Gründer nicht einzeln in der Lage sind, sich entsprechend am Ausbildungsmarkt zu beteiligen, haben wir ihnen die Hand gereicht und gesagt: Lasst uns sehen, wie die Gründer, die sich sowieso im Schatten der Hochschulen ansiedeln, das Problem gemeinsam, im Verbund mit den Hochschulen ein Stück weit voranbringen können. Das ist sehr wohl möglich und auch notwendig; denn es besteht die Gefahr, dass gerade in den Gründerunternehmen nahe den Hochschulen ansonsten nur mit studentischen Hilfskräften gearbeitet wird. Die Frage ist, ob wir nicht die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, dass dort ordentliche Ausbildungsstellen entstehen.

(Beifall von der SPD)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie …

Ich würde meine Rede gerne zu Ende bringen. – Herr Pinkwart, ich habe

Sie nach Ihrer Diktion so verstanden, dass Sie sehr wohl die Verantwortung des Landes sehen, dass Sie sehr wohl sagen: Die öffentliche Hand kann nicht nur die Privaten auffordern, ihrer Pflicht nachzukommen, sondern sie muss auch mit gutem Beispiel vorangehen. – Doch werden Sie zukünftig finanziell sicherstellen, dass das bei den Hochschulen auch weiterhin so bleibt, dass das auch unter den neuen Bedingungen des Hochschulfreiheitsgesetzes so positiv fortgesetzt wird? – Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Gebhard. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Doch? – Bitte schön, Herr Minister Pinkwart. Ihre Redezeit ist zwar überschaubar, aber bitte, Sie haben noch Redezeit.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Ich habe noch eine Minute, die ich gerne nutzen möchte, Frau Gebhard, um noch einmal zu wiederholen, was ich eben gesagt habe. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen das auch schon im Ausschuss im Kontext der Ziel- und Leistungsvereinbarung dargelegt. Wir werden das Thema Ausbildungsleistung der Hochschulen – das habe ich Ihnen hier eben dargelegt – zum Gegenstand der Ziel- und Leistungsvereinbarung machen. Das heißt: Wir werden es dort verankern. Im Budget ist es also abgesichert.

Wie ich dargelegt habe, steht das Land zu seiner Verpflichtung, die Hochschulen auch bei der Ausbildungsleistung zu unterstützen. Das tun wir auch gerne, weil wir damit natürlich anerkennen, was hier von den Hochschulen über den eigenen Bedarf hinaus auch – und das ist doch ganz wichtig – in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft an Ausbildungsleistung erbracht wird. Gerade diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen wollen doch Hochschulen und Wirtschaft stärker zusammenbringen und wollen den Transfer stärken. Sie können sicher davon ausgehen, dass wir auch mit dem Hochschulfreiheitsgesetz den Rahmen dafür eher noch erweitern, damit diese Potenziale in Zukunft tatkräftig genutzt werden.

(Karl Schultheis [SPD]: Wir kommen darauf zurück, Herr Minister!)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags mit der Drucksache 14/2586 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – mitberatend. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann haben wir das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

3 Wider den Staatsbankrott – Streichung des kreditverfassungsrechtlichen Ausnahmebestands der „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/2578

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU Herrn Abgeordneten Stahl das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir sprechen über einen Antrag, der einen verfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestand zum Inhalt hat. Es geht um die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Es gibt wenige Anträge, zu denen man ganz persönlich eine Beziehung hat. Ich erinnere mich, dass – als ich 20 wurde – das Thema Rolle des Staates zur Abwehr konjunktureller Schwankungen eine unglaubliche Aktualität besaß und die Menschen bewegt hat.

Am 8. Juni 1967 ist das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verabschiedet worden. Im gleichen Jahr ist auch das Grundgesetz geändert worden. Im Art. 109 wurde die Verpflichtung eingebaut, dass sich das staatliche, haushalterische Handeln an den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu orientieren habe.

1969 habe ich mein Studium der Volkswirtschaftslehre aufgenommen. Im gleichen Jahr ist in den Art. 115 des Grundgesetzes der gleiche Satz eingebaut worden, dass sich nämlich der Staat zusätzlich verschulden darf, wenn dies der Abwehr gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte dient.

Ich fand das damals unglaublich spannend. Es hat mich sehr bewegt, weil das, was seinerzeit debattiert wurde, irgendwie meiner Lebenserfah

rung und dem widersprach, was ich zu Hause erlebt hatte. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass es möglich sei, dass man – wenn man Haushaltsprobleme überwinden will – Kredite aufnimmt, die man – wenn es einem besser geht – zurückzahlt. Das ist der Mechanismus, der hinter dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz steht.

Das konnte ich mir schlechterdings deshalb nicht vorstellen, weil es zusätzliche Zinsen kostet und damit verbunden ist, dass man – wenn es einem besser geht – nicht das Bessere nutzen kann, sondern auf Teile der Besserung verzichtet, um zurückzuzahlen. Dieses Prinzip konnte nach meiner Lebenserfahrung nicht aufgehen.

Der Mechanismus ist auch nicht aufgegangen: Wann immer sich bei den Preisen und beim Wachstum etwas tut, dass das Wachstum beispielsweise rückläufig ist, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht in Unordnung geht, nimmt der Staat Kredite auf, um die Lücken so zu füllen, dass die Konjunktur abgeschafft wird und man sozusagen ein immerwährendes Wachstum hat.

Wie sich gezeigt hat, war das falsch. Es stand dem sogar auf die Stirn geschrieben, dass es falsch ist. Schon wenige Jahre später, Mitte der 70er- und 80er-Jahre, zeigte sich, dass das Ganze nicht funktionieren kann.

Als Einziges konstant gewachsen über die gesamte Zeitachse ist die Arbeitslosigkeit: 1975 hatten wir zum ersten Mal eine Arbeitslosigkeit von über 1 Million Menschen in der alten Bundesrepublik Deutschland, die sich – wie wir alle wissen – bis auf über 5 Millionen Menschen in Deutschland erhöht hat.

Das heißt: Der Versuch, mit Schulden Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, hat in keiner Weise genutzt. Er hat nicht nur nicht genutzt, sondern das Schuldenmachen ist sogar Teil der Ursache von Arbeitslosigkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Weil das so ist, gehört die vermeintlich keynesianische Theorie in das Lexikon der schlimmsten Irrtümer der politischen Geschichte in unserem Land.

(Beifall von CDU und FDP)

Nun könnte man das ja mit einem Vorbei und Vergessen und „Was soll’s!“ abtun. Fakt ist allerdings, dass diese unglaublich falsche Theorie und was in ihr angelegt ist, immer noch breite Wirkungen in unserem tatsächlichen politischen Handeln entfaltet.

In vielen Landtagen und im Deutschen Bundestag wird wieder über Haushalte diskutiert. Etwa die Hälfte der Bundesländer ist nicht in der Lage, ohne Aufnahme von mehr Krediten die Verfassungsgrenzen einzuhalten. Finanzminister jedweder Couleur werden die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären müssen, obwohl wir Preisstabilität haben, ein angemessenes Wirtschaftswachstum und einen unglaublichen Außenbeitrag der Wirtschaft. Nur bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Gott sei Dank jetzt ein Stück nachlässt, hapert es weiter. Wieder werden Schulden aufgenommen und auf den Schuldenberg, den wir ohnehin haben, draufgepackt.

Ich habe Debatten, die wir hier geführt haben, immer noch gut in Erinnerung. Sie unterstreichen, dass Politik immer noch von diesem falschen Gedankengut geprägt ist. So habe ich mich gestern Abend daran erinnert, dass ich hier mit dem Kollegen Dieckmann – seinerzeit Finanzminister – am 28. Januar 2004 einen Strauß um dieses Thema ausgetragen habe. Ich meine, damals faktisch sehr klar nachgewiesen zu haben, dass das Argument Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, auf das die alte Landesregierung zurückgegriffen hat, empirisch in keiner Weise haltbar ist. Wider besseres Wissen hat der Kollege Dieckmann, damals Finanzminister, genau entsprechend des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes begründet, dass das – wenn wir sparen – prozyklisch und damit ökonomisch falsch ist und wir – wenn wir sparen – dem Aufschwung schaden. Außerdem verstoßen wir – wenn wir sparen – gegen das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz.

Alles, was damals gesagt wurde, halte ich nach wie vor nicht für tragend, zumal jetzt auch Helmut Linssen und die neue Landesregierung bewiesen haben, dass es tatsächlich geht und man Ausgaben kürzen kann, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen.

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir haben das Problem, dass wir nach einem Jahr Regierungsverantwortung in unserem schönen Bundesland noch nicht in der Lage sind, einen den Kriterien von Art. 83 unserer Landesverfassung entsprechenden Haushalt vorzulegen.

Nur machen wir etwas völlig anderes als Sie: Wir sagen, dass das nicht geht! Es geht nicht so schnell, wie wir es gerne erreichen möchten, weil es objektiv unmöglich ist, die Ausgaben so schnell zurückzuführen. Wir werfen Ihnen vor, dass Sie in

der Praxis überhaupt nicht den Versuch unternommen haben, nachhaltig Schulden abzubauen und einen verfassungsgemäßen Haushalt auf die Beine zu stellen.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode einen Haushalt aufstellen, der zweifelsfrei unserer Verfassung entspricht. Spätestens in der nächsten Legislaturperiode wollen wir damit beginnen, tatsächlich wieder Schulden zurückzuzahlen.

(Beifall von CDU und FDP)

Natürlich ist es immer eine spannende Frage, warum es Ihnen nicht gelungen ist und es auch in anderen Parlamenten nicht gelingt, die Ausgaben den Einnahmen anzupassen und damit gegen die Verfassung zu verstoßen und darauf verzichten zu können, Kredite zum Ausgleich des Haushalts aufzunehmen.

Ich persönlich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, dass man den Menschen Zumutungen nicht ersparen kann. Man muss Kürzungen in Bereichen vornehmen, in denen Menschen es gewohnt sind, dass sie Gelder erhalten. Das kann in Beratungsinfrastrukturen oder wo auch immer der Fall sein.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])