Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

Eines möchte ich vorab nachtragen, um Ihren Beitrag insgesamt qualifizieren zu können. Der Begriff der Ordnungspolitik wird gewöhnlich anders verwendet, als Sie das tun. Normalerweise meint man damit, dass der Staat die Spielregeln bestimmt und die Menschen das Spiel machen. Ihre Form von Ordnungspolitik sieht offensichtlich vor, dass sich der Staat selbst mit ins Spiel bringt.

(Zuruf von Bärbel Höhn [GRÜNE])

- Natürlich ist das so, Frau Höhn. Sie haben eine Privatdefinition von Ordnungspolitik. Aus unserer Sicht ist das, was Sie Ordnungspolitik nennen, eher Unordnungspolitik.

(Bärbel Höhn [GRÜNE]: Wer zehn Minuten braucht, um das zu erklären, hat ein Prob- lem!)

Und die haben Sie hier lang genug verantworten müssen.

(Widerspruch von Bärbel Höhn [GRÜNE])

- Ich will mich mit Ihnen jetzt nicht über die Ordnungspolitik raufen; dafür haben wir an anderer Stelle noch Gelegenheit.

Meine Damen und Herren, ich will zu Beginn eine Pressemitteilung des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen - datiert auf den 1. Juli 2005 - zitieren:

„Die NRW-Hochschulen sind von den vom Landeskabinett beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen Haushaltssperre und Einstellungsstopp ausgenommen. Mit dieser Entscheidung hat das Kabinett den Qualitätspakt zwischen dem Land NRW und den Hochschulen des Landes bestätigt.“

Das war am 1. Juli. Am 5. Juli kommt der Antrag der SPD-Fraktion. Da stelle ich mir die Frage: Was veranlasst die Sozialdemokraten nach dieser klaren Stellungnahme der Landesregierung, einen solchen Antrag zu stellen? - Entweder brauchen Sie so eine Art Gesprächstherapie, um mit Ihrer Oppositionsrolle klarzukommen,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Machen Sie sich keine Sorgen!)

oder Sie brauchen fortwährend das Erlebnis der Abstimmungsniederlage, um zu realisieren, wo Sie angekommen sind, oder - und das scheint mir fast wahrscheinlicher zu sein - Sie versuchen jetzt, so eine nachlaufende Interpretation des Qualitätspaktes vorzulegen,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Als Hobbypsycho- loge taugen Sie auch nichts!)

oder man könnte diesen Versuch Legendenbildung nennen.

Wenn man nämlich die Überschrift Qualitätspakt außen vor lässt und sich nur mit den materiellen Inhalten beschäftigt, dann sieht das ganz anders aus als das, was Sie hier vorgetragen haben.

Erstens. Qualitätspakt hieß: Die Hochschulen haben sich mit 1.000 Stellen netto weniger Planungssicherheit erkauft.

Herr Lindner, darf ich eine Zwischenfrage von Herrn Remmel zulassen?

Lassen Sie mich die vier Punkte zu Ende vortragen. Ich habe genug Redezeit; dann komme ich gerne auf Herrn Remmel zurück.

Zweitens. Sie haben gesagt, Sie wollen mehr Freiheiten gewähren. Ja, aber das Ministerium hat doch noch immer die Fachaufsicht geführt. Die Hochschulen haben doch noch immer nicht ihre Liegenschaften verwalten dürfen. Sie haben den Hochschulen nicht mehr Freiheit gegeben. Sie haben ihnen lediglich mehr Leine gegeben, aber Sie haben sie nicht von der Leine gelassen. Wir wollen ihnen dagegen echte Autonomie und echte Freiheitsspielräume einräumen.

Drittens: Planungssicherheit. Sie haben nur den Qualitätspakt selbst, aber nicht die ergänzende Vereinbarung zum Thema gemacht. Über die 7 Millionen € im Innovationsfonds, die gestrichen worden sind, kann man hier streiten; Frau Höhn hat darauf hingewiesen.

Aber selbst ungeachtet dieser Konsolidierungsbeiträge des Hochschulwesens gab es noch andere Beispiele für Ihre sogenannte Verlässlichkeit und was davon zu halten ist. Beispielsweise waren die Hochschulen mitnichten von der Verlängerung der Arbeitszeit der Beamten ab Januar 2004 ausgenommen. Allein an der Universität Köln hat das zu einer Reduktion von 28 Stellen bis zum Jahr 2008

geführt. Wo waren denn diese vorher verlässlich eingeplant? Wo gab es denn diese Planungssicherheit?

Also, was Sie hier für sich in Anspruch nehmen, ist ein politisches Ziel, das erst noch erreicht werden muss. Das war nicht die Politik der alten Landesregierung.

Ich komme zum letzten, zum vierten Punkt: Bestandsgarantie. Wo war denn die Bestandsgarantie bei den Entscheidungen, die Sie vom Ministerium aus hinsichtlich Duisburg/Essen getroffen haben? Was war das für eine dezentrale Verantwortung?

Wir wollen keine Bestandsgarantie. Wir wollen Chancengleichheit für Hochschulen, die sich im Wettbewerb bewähren sollen. Diese sollen alle Möglichkeiten haben, sich auch in einem internationalen Wettbewerb behaupten zu können. Aber wer wie Sie unter einem Qualitätswettbewerb versteht, dass das Ergebnis von vornherein festgelegt ist, nämlich Bestandsgarantie, der hat nicht verstanden, was Qualitätswettbewerb eigentlich bedeutet.

(Beifall von FDP und CDU)

Jetzt ist die Gelegenheit für Herrn Remmel.

Sehr geehrter Herr Lindner, Sie haben eben auf die hohe Bedeutung der Presseerklärung der Landesregierung einschließlich der Validität dieser Erklärung hingewiesen. Ich möchte Sie gerne fragen, welche Bedeutung Sie einer Beschlussfassung und Beratung im Parlament beimessen.

Wenn es einen Beratungsgegenstand gibt, der tatsächlich würdig ist, von einer Mehrheit beschlossen zu werden, kann man sicherlich einen schönen Beschluss fassen. Nur: So, wie Sie beziehungsweise die Sozialdemokraten diesen Qualitätspakt hier eingeführt haben, ist diese Form der nachträglichen Legendenbildung kein Beratungsgegenstand, der eine Mehrheit in diesem Hause finden sollte. So werden wir den Antrag gleich auch behandeln. - Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. - Ich gebe das Wort jetzt an den Minister Dr. Pinkwart.

Frau

Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich natürlich ganz besonders, Frau Höhn, dass Sie sich Sorgen darüber machen, wie ich meine Aufgabe erfolgreich wahrnehmen kann. Dabei wäre es mir natürlich insbesondere angelegen gewesen, wenn Sie die Stringenz zwischen Wahlankündigung und Formulierung des Koalitionsvertrags herausgearbeitet hätten, denn dann hätten Sie dem Parlament deutlich machen können, dass wir schon mit der Formulierung des Koalitionsvertrags einen großen Erfolg erreicht haben. Und diesen Vertrag wollen wir in den nächsten fünf Jahren auch umsetzen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben nämlich alles das, was Sie hier, wie ich fand, jedenfalls nicht hinreichend nachvollziehbar und konsistent in den Raum gestellt haben, im Wahlkampf ganz deutlich gemacht. Wir haben nämlich deutlich gemacht, dass wir für die Hochschulen nicht nur Mittel sichern müssen, sondern dass wir die Mittel für die Hochschulen auch wirksamer werden einsetzen müssen, um unsere Hochschulen, die dichteste Hochschullandschaft in Europa, so positionieren zu können und in den nationalen und internationalen Rankings mit dieser Hochschullandschaft so abzuschneiden, dass wir sagen können: Diese Mittel sind im Interesse der Zukunft der Menschen in diesem Land effektiv eingesetzt. - Diese Bilanz haben Sie nicht ziehen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben auf die Mittel der Vergangenheit abgestellt, auch auf den Qualitätspakt. Dazu ist hier von Herrn Brinkmeier und Herrn Lindner schon das Notwendige gesagt worden: Sie haben den Hochschulen Stellen genommen und nur in einem begrenzten Umfang Geld zurückgegeben, eben nicht 1:1, sondern in einem deutlich geringeren Maß. Und dies haben Sie getan vor dem Hintergrund der Ihnen auch als Landesregierung bekannter Zahlen.

Die Zahlen sehen so aus, dass Bayern und Baden-Württemberg zwischen 1990 und 2000/2001, als Sie diese Verträge geschlossen haben, ihre Ausgaben - von einer damals schon deutlich höheren Basis der Ausgaben pro Studierenden ausgehend - um 60 % gesteigert haben und Sie mit Ihrer Regierung Ihre Ausgaben gerade einmal um 21 %. Das heißt, Sie haben das niedrige Niveau, das Nordrhein-Westfalen schon 1990 im Vergleich zu den starken Bundesländern hatte, durch Ihre Politik noch fortgeschrieben, statt zu den anderen aufzuschließen. Das heißt, Ihr Qualitätspakt, den Sie - wir haben ihn ja nicht negativ bewertet - hier

auch mit einigen Vorzügen dargestellt haben, hat anders, als es der Name zum Ausdruck bringt, nicht mehr Qualität gebracht, sondern er hat das, was Sie bisher aufgewendet haben, nur sichern können, und dies noch nicht einmal in vollem Umfange. Das ist die Wahrheit, und die sollten wir der Öffentlichkeit, wie ich finde, auch so deutlich machen.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben die Hochschulen seinerzeit, 1999, evaluiert. Sie haben einen Expertenrat eingeschaltet. Der Expertenrat hat schon damals gesagt, dass Sie bei der Umwandlung „Geld statt Stellen“ die Mittel aus dem Innovationsfonds leistungsbezogen, wettbewerbsorientiert an die Hochschulen vergeben sollten, um den Qualitätsnachteil nordrhein-westfälischer Hochschulen schneller abbauen zu können.

Genau das haben Sie in den letzten Jahren aber nicht getan, sondern Sie haben den notwendigen Strukturwandel - man kann sagen: sehr sorgenvoll um die jeweiligen Standorte - vergleichsweise zurückhaltend vorangebracht. Das zwingt die Hochschulen - aber auch die Landesregierung - heute natürlich, sich im Wettbewerb mit den anderen Hochschulen intensive Gedanken darum zu machen, wie wir uns mit der Qualität, die wir heute aufgrund auch Ihres verantwortlichen Handelns vorfinden, in den nationalen Wettbewerben, etwa im Exzellenzwettbewerb, so positionieren können, dass wir in Zukunft bei der Vergabe von Sonderforschungsbereichen, bei der Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, bei der Vergabe von nationalen Fördermitteln besser abschneiden, als das in der Vergangenheit der Fall war. Nur, dafür müssen wir die Hochschulen auch richtig positionieren.

Nun komme ich zu dem Antrag selbst. Hier ist bereits vorgetragen worden: Wir haben sofort gehandelt. Wir haben auch sofort Wort gehalten. Das ist nicht nur in der Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht worden, sondern auch dadurch, dass das im Kabinett beschlossen worden ist, und zwar auf Vorschlag des Landesfinanzministers, wenn ich das hier, Frau Höhn, sagen darf. Der Landesfinanzminister hat im Kabinett vorgeschlagen, dass bei der Haushaltssperre, die der Ministerpräsident heute Morgen auch angesprochen hat, die Hochschulen und damit der Qualitätspakt herausgenommen werden. Das zeigt: Nicht nur in Pressemitteilungen, nicht nur in Erklärungen hier, sondern durch praktisches Regierungshandeln stellen wir unter Beweis, dass wir uns an Zusagen auch halten.

(Beifall von CDU und FDP)

Das schafft Planungssicherheit.

Was keine Planungssicherheit schafft - das muss ich hier vortragen -, ist das, was Sie in den letzten Wochen vor der Landtagswahl gemacht haben. Da stelle ich ab auf einen anderen Teil des Qualitätspaktes. Dazu gehört auch die Ausschüttung der vom Land vereinnahmten Gebühren der Langzeitstudierenden. Hier ist bemerkenswert, dass Sie mit der Einführung der Studienkonten eine Regelung getroffen haben - das sollte sich auch der Landesrechnungshof noch einmal ansehen, wie ich finde, auch unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes 2005 -, in der Sie bei Verabschiedung Ihres Haushaltes 2005 von einem Einnahmen-Soll in diesem Bereich von 90 Millionen € ausgegangen sind, obwohl Sie im Jahre 2004 ein Einnahmen-Ist von nur 45,2 Millionen € verzeichnet haben. Das heißt, Sie haben den doppelten Betrag als Einnahmensoll angesetzt, haben dann die Ausschüttungsquote von 50 % in den Haushalt eingestellt und wenige Wochen vor der Landtagswahl auch komplett ausgeschüttet, obwohl da schon absehbar war, dass Sie weder die 90 Millionen, ja noch nicht einmal die 45 Millionen € in diesem Jahr aus diesem Bereich würden erwirtschaften können.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Lug und Trug! - Zuruf von der FDP: Skandal!)

Sie wussten da schon, dass alleine für das erste Halbjahr - und das ist das Einnahmen-Ist, das wir jetzt verzeichnen - lediglich 17,2 Millionen € aus den Studiengebühren der Langzeitstudierenden geflossen sind.

Zu erwarten sind für 2005 35 Millionen €. Das heißt, Sie haben einerseits 10 Millionen € mehr als diese Einnahmen ausgeschüttet. Da Sie nur 50 % der Isteinnahmen, die Sie erzielen, ausschütten wollten und gleichzeitig einen entsprechenden Haushaltsvermerk vorgesehen haben, der auch die jetzige Regierung noch dahin gehend bindet, dass die zuviel ausgeschütteten Einnahmen im Folgejahr abgesetzt werden müssen, wird das andererseits dazu führen, dass im kommenden Jahr nicht mehr die von Ihnen zugesagte 100 %-Quote ausgeschüttet werden könnte, sondern nur noch ein Bruchteil davon, voraussichtlich höchstens 10 Millionen €, sofern wir für das nächste Jahr davon ausgehen können, dass auch in 2006 35 Millionen € zu erwarten sind.

Das ist nicht aufgrund unseres Regierungshandelns zu verantworten, sondern das haben Sie mit Ihrem Handeln so veranlasst. Das heißt, Sie haben ein Planungsrisiko für die Hochschulen im

kommenden Jahr wissentlich in Kauf genommen. Das ist das, was der Ministerpräsident heute Morgen mit der fehlenden Planungssicherheit, mit der fehlenden Zuverlässigkeit Ihrer Politik - wie ich finde - erstklassig gekennzeichnet hat.