Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inzwischen ist der vom Kabinett beschlossene Dialog Wirtschaft und Umwelt in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht.
Interessensunterschiede sind in einem modernern Industrieland, wo wirtschaftliche Nutzungen Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben, oft unvermeidlich. Politische Verantwortung bedeutet,
dass und wie wir konstruktive Lösungen finden. Das gelingt uns unter anderem mit diesem Dialog. Auch das charakterisiert die politische Trendwende in Nordrhein-Westfalen, dem Aufsteigerland 2006.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unter Rot-Grün gab es diesen Dialog nicht, weil er nicht möglich war. Es gab kein Vertrauen, weder seitens der Wirtschaft zur Umweltpolitik und erst recht nicht innerhalb der Landesregierung.
CDU und FDP vertrauen den Menschen; wir trauen ihnen auch etwas zu. Deshalb setzen wir auf Kooperation – mit Erfolg, wie ich das an zwei Beispielen deutlich machen möchte:
erstens an unserer Konsenserklärung mit den 16 Betreibergesellschaften der Hausmüllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2005. Sie können in ihren Anlagen über die Abfallbeseitigung hinaus weiterhin Energie aus Abfällen gewinnen;
zweitens an meiner Übereinkunft vom 20. Dezember 2005 mit dem Vorstandsvorsitzenden der Thyssen Krupp Steel AG. Die Hochofenstückschlacken und der Hüttensand sind dort jetzt als Nebenprodukte der Stahlerzeugung anerkannt.
Meine Damen und Herren, das nutzt der Kreislaufwirtschaft. Wir haben uns im Umweltministerium zuvor davon überzeugt, dass hier ohne Einbußen für den Umweltschutz kein Abfallrecht mehr greifen muss. Weitere Vereinbarungen sind in Vorbereitung.
Eine Leitfrage für moderne Umweltpolitik ist: Welche Instrumente fügen sich am besten in die soziale Marktwirtschaft ein? Wir sagen: Kooperative Lösungen gehören dazu.
Der Dialog Wirtschaft und Umwelt ist Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Wirtschaft für umweltverträgliches Wachstum, strebt Vertrauensbildung zwischen den Partnern an, klärt Bedingungen für nachhaltige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen und baut eine neue gemeinsame Kommunikations- und Handlungsplattform auf. Dadurch werden Umweltstandards nicht verschlechtert.
Der Dialog Wirtschaft und Umwelt unterstützt die EU-Ziele des Lissabon-Prozesses: Innovation, Wachstum und neue Arbeit. Er öffnet Wege zum Abbau überflüssiger staatlicher Regulierungen, nimmt Einfluss auf die Entwicklung der EUUmweltvorgaben. Wir haben vereinbart, Prozess und Ergebnisse transparent zu gestalten, auf gleicher Augenhöhe miteinander zu reden und die
Arbeitsebene konsequent paritätisch zu besetzen. Unser gemeinsames Anliegen ist, NordrheinWestfalen zum Land der neuen Chancen zu machen und dem Grundsatz „Privat vor Staat“ Geltung zu verschaffen.
Wer hat diese Übereinkunft getroffen? Für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen handeln der Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und die Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie gemeinsam. Für die nordrhein-westfälische Wirtschaft gehören zu den Vertragspartnern der Bundesverband der deutschen Industrie, die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern. Zusätzlich bringen vier Unternehmerpersönlichkeiten als Einzelmitglieder des Lenkungskreises ihre Kompetenz und eine unmittelbare Rückkoppelung zur betrieblichen Praxis in die politische Steuerung ein. Auch das ist praktische Bodenhaftung moderner Umwelt- und Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen.
Ein Koordinierungskreis unter Leitung der Staatssekretäre bündelt und organisiert die Facharbeit. Die vier Schwerpunkte des Dialogs sind: Ressourceneffizienz, Gewässerschutz, Abfall- und Bodenschutz sowie Immissionsschutz.
Die dazu eingerichteten paritätisch besetzten Arbeitsgruppen aus Fachleuten tagen in regelmäßigen Abständen. Ad-hoc-Arbeitsgruppen greifen aktuelle Themen auf und beraten komplexe Einzelfragen. Im Gegenstromprinzip kommen wir über diese drei Ebenen inhaltlich zügig voran. Ergebnisse der Arbeitsgruppen kommen über den Koordinierungskreis in den Lenkungskreis, der sie in politischen Empfehlungen oder Beschlüssen ausformuliert. Zugleich kann der Lenkungskreis Orientierungen für die anderen Gremien geben. Eine regierungsinterne Koordinierungsgruppe flankiert die Beratungen mit der Wirtschaft.
Auffallend ist, wie eng viele Fragestellungen mit europäischer Rechtsetzung verflochten sind und im Mittelpunkt des aktuellen Interesses stehen. Daher ist der Blick nach Brüssel unter Beteiligung des Europaministers Element in vielen Beratungen. Das gilt für unsere Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, für Maßnahmen zur Luftqualitätsrichtlinie sowie für die EU-Bodenschutzstrategie oder die Abfallrichtlinie.
Gemeinsam sprechen wir uns gegen überflüssige neue Regelungen aus. Deshalb unsere gemeinsame Kritik an einer geplanten Bodenschutzrichtlinie, eine Kritik und Ablehnung, die jetzt auch von anderen Bundesländern geteilt wird.
Ein Resultat des noch jungen Dialogs ist ein Positionspapier zur Novelle der EU-Abfallrahmenrichtlinie. Wir haben es Ende August in einem gemeinsamen Gespräch von Wirtschaft und Landesregierung mit den Europaabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen erörtert. Wir wollen gemeinsam die Interessen Nordrhein-Westfalens im europäischen Abfallrecht wirksam vertreten. Unsere Positionen haben bei den europäischen Umweltpolitikern großen Anklang gefunden.
Das gilt auch für unsere gemeinsame Ablehnung einer EU-Bodenschutzrichtlinie, die im Dialog ebenso wie in der gemeinsamen Kabinettsitzung von Bayern und Nordrhein-Westfalen vorgestern ausgesprochen wurde. Um es klar und knapp zu sagen: Hier kommen Land und Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen ohne neue EU-Bürokratie klar. Wir brauchen regionale Lösungen statt zusätzlicher Bürokratie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Wir bauen auf Dialog und haben Erfolg. Natürlich gilt: Kooperation kann die Pflicht des Staates nicht ersetzen, für die Einhaltung der Umweltgesetze und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu sorgen. Aber Umweltstandards werden in diesem Zusammenhang auch schneller umgesetzt.
Wie geht es weiter? – Wir haben den Dialog auf die Laufzeit der Legislaturperiode angelegt. Die geschaffenen Strukturen arbeiten effizient und ergebnisorientiert. 2008 werden wir Fortschritte und Abläufe prüfen und, falls nötig, für die weitere Verlaufszeit bis zum Jahre 2010 nachjustieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe auf Ihre Zustimmung, auch was das folgende Zitat angeht:
„Mit weniger bürokratischen gesetzlichen Regelungen, aber mit mehr marktwirtschaftlichen Anreizen kann viel mehr Gutes für die Ökologie und gleichzeitig für die ökonomische Entwicklung getan werden.“
(Marc Jan Eumann [SPD]: Aber Ihre Leute haben auch nicht geklatscht! – Britta Alten- kamp [SPD]: Herr Uhlenberg, haben Sie de- nen nicht vorher die Rede gegeben?)
Sie müssten es besonders gut kennen, denn dieses Zitat stammt vom früheren Umweltminister Klaus Matthiesen,
der dies hier vor dem Landtag und auch in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ im Jahre 1992 erklärt hat. Sie sehen also: Die Entbürokratisierung in der Umweltpolitik bei gleichzeitig hohen Standards war damals eine Aufgabe, und sie wird jetzt von dieser Landesregierung umgesetzt.
(Britta Altenkamp [SPD]: Sollen wir jetzt klat- schen? – Marc Jan Eumann [SPD]: Die klat- schen ja auch immer noch nicht!)
Meine Damen und Herren, wir handeln mit diesem Dialog für unser Land. Die positiven Erfahrungen in anderen Ländern und Regionen mit vergleichbaren Umweltallianzen geben uns Rückenwind. Ich wünsche mir eine aufgeschlossene Begleitung unseres Dialogs Wirtschaft und Umwelt durch die Koalition und durch den Landtag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das erste Mal, dass ich erlebe, dass eine Unterrichtung der Landesregierung stattfindet und die Reihen der regierungstragenden Fraktionen so dünn besetzt sind.
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass sich eine Landesregierung und die ihr nachgeordneten Ministerien regelmäßig mit Vertretern der verschiedensten Bereiche treffen, auch mit Vertretern der Wirtschaft und der Umweltverbände. Sie greifen damit eine gute Tradition der vorherigen Landesregierung auf. Wir haben diesen Dialog nämlich schon seit Jahren intensiv geführt,
Es ist allerdings schlechter parlamentarischer Stil, dass Sie es versäumt haben, vor Ihrer Unterrichtung rechtzeitig qualifizierte Informationen zu Ihrem weiteren Vorgehen für das Parlament herauszugeben. Stattdessen lassen Sie einen einzigen Tag vorher ein Eilpapier verteilen,
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Hannelore Kraft [SPD]: Ja! – Johannes Remmel [GRÜ- NE]: Abenteuerlich! – Marc Jan Eumann [SPD]: Entgegen der Zusage im Ältestenrat!)
Gute und solide Arbeit ist es auch nicht, dass Sie mit Ihrem Vorhaben nicht vorwärts gerichtet sind, sondern umweltpolitisch Lichtjahre nach hinten blicken.
Bei Ihrem Dialog Wirtschaft und Umwelt handelt es sich lediglich um eine rhetorisch leicht aufgepeppte Version eines CDU-Antrags aus dem Plenum des Jahres 1997.