Protokoll der Sitzung vom 28.09.2006

„Immer“ ist gut. – Bitte, Herr Remmel.

Vielen Dank, Frau Fasse. – Ich kann Ihnen in dem, was Sie gerade gesagt haben, nur zustimmen, frage mich aber, wo das innerhalb des Dialoges mit der Wirtschaft Platz hat. Da finde ich von diesen Worten Ressourceneffizienz, Klimawandel usw. nichts.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Eck- hard Uhlenberg: Das ist ein Schwerpunkt!)

Das sind die Schwerpunkte, die auch der Umweltminister gerade in seinen Ausführungen mitgeteilt hat. Ich komme aber zu diesem Punkt noch in meinen Ausführungen, Herr Remmel.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Ich kann Ihnen meine Rede zur Verfügung stellen! – Gegen- ruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Das steht bei den Schwerpunkten. Aber wir können uns noch darüber unterhalten.

Meine Damen und Herren, diese Erkenntnisse finden bereits ihre praktische Anwendung in dem Konzept CSR, mit dem Unternehmen soziale und

ökologische Belange über staatliche Vorgaben hinaus freiwillig in ihrer Unternehmenstätigkeit integrieren. Somit kann eine wirtschaftlich tragfähige Entwicklung, soziale Verantwortung und die Schonung von Umweltressourcen intelligent verbunden werden.

Darüber hinaus haben das Bundesumweltministerium und der Bundesverband der Deutschen Industrie einen offenen Dialog begonnen, um Industrie und Umweltpolitik in Deutschland stärker ins Gespräch zu bringen. Beide sind davon überzeugt, dass es ungeachtet möglicher Meinungsverschiedenheiten in tagespolitischen Fragen notwendig ist, konstruktiv und zielorientiert nach gemeinsamen Wegen zu suchen, Wirtschaft und Umwelt in Deutschland voranzubringen.

Auch wir in Nordrhein-Westfalen setzen uns mit dem Anspruch, ökologische und ökonomische Zielsetzungen in Einklang zu bringen, auseinander. Im Koalitionsvertrag vom 20. Juni 2005 haben wir die Bündelung der Kräfte von Wirtschaft und Politik im Umweltschutz als Regierungsziel erklärt. Freiwillige Selbstverpflichtung aus ökologischer Eigenverantwortung hat für uns Vorrang vor staatlicher Gängelung.

Durch eine vernünftige Abwägung von Ökologie und Wirtschaftlichkeit werden wir die Proportionen achten und die Betriebe und Hersteller zu integrierter Produktpolitik, die am Grundsatz der Nachhaltigkeit – darin sind wir uns alle ja einig – ausgerichtet ist, anregen.

Zur Erfüllung diese Ziele war es geradezu geboten, auch den Weg zu gehen, der im von Minister Uhlenberg dargestellten Dialog Wirtschaft und Umwelt am 13. Juni diesen Jahres beschritten wurde. Besonders erfreulich ist dabei, dass sich die Industrie durch ihre Spitzenorganisation ebenso wie das Handwerk durch die Handwerkskammern und auch der Handel durch die IHK voll zu den Zielen der Vereinbarung bekannt haben. Es handelt sich also nicht um einzelne Wirtschaftsunternehmen, sondern um den ganz überwiegenden Teil, vertreten durch die Verbände und Kammern. Besonders erfreulich ist, dass sich daneben weitere unterzeichnende Firmen direkt am Dialog beteiligen.

Wenn dieser Pakt auch ohne Mitwirkung der Umweltorganisationen in unserem Lande beschlossen wurde, so dürften die darin formulierten Ziele doch identisch mit denen der Umweltorganisationen sein. Die hin und wieder geäußerte Kritik, hier bestimme nunmehr die Wirtschaft die Umweltstandards in unserem Land, ist absurd.

Es ist in keinem Falle eine Reduzierung des Umweltschutzes zu erwarten. Im Gegenteil: Es wird durch den Dialog der hohe Umweltschutz viel schneller und sicherer erreicht werden, als wenn man diesen Schutz der Wirtschaft von Staats wegen verordnet.

Ging es beim Umweltschutz zunächst vor allem darum, Umweltstandards zu setzen und einen Mindestschutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit herzustellen, so steht heute die Art des Wirtschaftens selber im Zentrum der Umweltpolitik. Die Landesregierung fördert dazu gezielt einen Umweltschutz, der nicht nachträglich Umweltschäden beseitigt, sondern Beeinträchtigungen bereits präventiv vermeidet. Derartige Veränderungen im Betriebsablauf lassen sich nur schwer durch Gesetze und Verordnungen vorschreiben. Viel effektiver ist ein kooperativer Prozess zwischen Staat und Wirtschaft. Dabei gibt es zwei Ziele: Erstens soll die ökologische Effizienz der Produktion in den Unternehmen gesteigert werden, damit die Betriebe zweitens auch wirtschaftlicher arbeiten. Hier hilft die EffizienzAgentur NRW und unterstützt gezielt diese Unternehmen. Dabei ist der „Produktionsintegrierte Umweltschutz“ – das hat auch Frau Wiegand betont – ein schon lange verfolgtes Ziel. Dieses Ziel wird sicherlich mit Hilfe des heute vorgestellten Dialogs erreicht werden.

Wir können allen Beteiligten an dieser Vereinbarung nur unseren Dank aussprechen und wünschen, dass in Zukunft viele weitere Projekte zum Umweltschutz durch den Dialog auf den Weg gebracht werden mögen. Ich rufe Sie alle auf, daran mitzuwirken. – Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Fasse. – Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Remmel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zunächst das ganze Verfahren, das wir heute Morgen erleben, Revue passieren lassen, also Presseerklärung, Presseveröffentlichung am 21. Juni, Kabinettsbeschluss nach der Sommerpause, dreimaliger Anlauf, das Parlament zu unterrichten; wenn das so ein wichtiger Vorgang war, dann hätte man das sicherlich schon früher tun können.

Dieses Verfahren zu kritisieren, wird jedoch etwas hinfällig, wenn ich mir die Rede von Herrn Uhlenberg an einem Punkt auf der Zunge zergehen las

se. Ich halte das für eine gefährliche Tendenz – da wird mir deutlich, was hier eigentlich passiert –: Sie haben en passant dem Parlament erklärt, dass Sie innerhalb dieses Dialogs eine gemeinsame Initiative starten, um zum Beispiel im europäischen Rahmen die Bodenschutzrichtlinie zu bekämpfen, dass Sie in Fragen des Abfallrechts eine Verabredung mit der Wirtschaft getroffen haben, Initiativen zu ergreifen. Was ist denn das für ein Verfahren, Herr Uhlenberg?

(Minister Eckhard Uhlenberg: Ein gutes Ver- fahren!)

Wo sind wir denn? Wir haben eine verfasste demokratische Ordnung in diesem Land. Werden die Wirtschaft und das Bündnis, das Sie offensichtlich mit der Wirtschaft schließen, zur Nebenregierung in diesem Land? Wir haben ein Parlament. Bevor Sie solche Initiativen starten, müssen Sie das Parlament unterrichten. Sie verstoßen gegen Ihren Amtseid, dem ganzen Volk zu dienen. Sie dienen an dieser Stelle offensichtlich ausschließlich der Wirtschaft.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Unverschämt!)

Ich bitte dringend, das zu klären. Die erste Instanz, die zu unterrichten ist, ist das Parlament.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Es ist nichts zu klären!)

Dann legen Sie dar, was Sie machen. Sie haben heute Morgen zwei Stichworte genannt. Bisher haben Sie das Parlament in diesen Fragen nicht unterrichtet. Holen Sie das dringend nach. Es kann nicht der Wille der Regierung und auch nicht des Parlaments sein, dass es neben der demokratisch verfassten Ordnung sozusagen ein Nebengremium gibt.

Nun schaue ich mir einmal die Lyrik an, die in dem zwei, drei Seiten umfassenden Papier steht, das uns gestern zugegangen ist. Im Wesentlichen – das wird man in den Papieren wiederfinden – ist das die Lyrik, die in dem großen Papier steht, das der BDI im Vorfeld der Bundestagswahl veröffentlicht hat.

Der Kerngedanke, die Umweltstandards zu senken, weniger Umweltschutz zu betreiben und stattdessen der wirtschaftlichen Dynamik freien Lauf zu lassen – diese Formulierungen finden sich in diesem Papier exakt wieder. Wenn Sie sich auf der Zunge zergehen lassen, wie das dort formuliert ist, wird Ihnen deutlich, worum es eigentlich geht. Die Identifizierung überflüssiger staatlicher

Regulierung und deren Beseitigung sollen neue ökonomische Dynamiken

(Demonstrativer Beifall von der CDU)

und neue Innovationen ermöglichen. Standards, Genehmigungsverfahren, Nachweise, Meldeinformationspflichten usw. sollen abgeschafft werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von Nachhaltigkeit – so hat Frau Fasse uns das zu erklären versucht – steht in dem ganzen Papier nichts. In diesem Papier ist mit keinem Wort die Rede davon, dass sich dieser Prozess – wenn auch nur lyrisch, verbal – an der Nachhaltigkeit orientiert. Kein einziges Wort gibt es dazu.

Das Ziel ist, im globalen Wettbewerb die wirtschaftliche Dynamik durch die Minimierung der Umweltstandards zu erreichen. Das ist der Kern der Initiative und des vorgelegten Papiers.

Frau Thoben und Herr Uhlenberg – an dieser Stelle muss ich die Landesregierung insgesamt ansprechen –, es wäre an dieser Stelle richtig, wenn Sie uns vielleicht einmal eine Einordnung dieses Papiers oder dieser Initiative gäben. Es ist ja nicht so, dass Sie heute wie Kai aus der Kiste mit einer neuen Initiative zum Dialog Wirtschaft und Umwelt anfangen. Solche Veranstaltungen gab es auch schon in der Vergangenheit. Sie hatten andere Namen. Auch in den anderen Bundesländern laufen sie unter anderen Namen. Aber es wäre sinnvoll, wenn Sie das einmal einordneten.

Wir hatten einen über fünf Jahre andauernden intensiven Prozess. Sie können darüber denken, wie Sie wollen. Sie können auch ein schlechtes Urteil fällen. Dieser Prozess nannte sich „Agenda 21 in Nordrhein-Westfalen“. Offensichtlich führen Sie diesen Prozess nicht weiter. Aber Sie müssten zumindest erklären, warum Sie ihn nicht weiterführen. Auch daran waren Vertreter der Wirtschaft beteiligt, und zwar in nicht unerheblichem Maße. Sie müssten begründen, welche Teile dieses Agenda-Prozesses Sie für negativ erachten, welche Sie fortführen und woran Sie anknüpfen wollen. Es gehört zu einer guten, fundierten Regierungspolitik, dass man, wenn man etwas Neues beginnt, es in das einordnet, was schon vorhanden ist. – Das war der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Dass Sie jetzt einen neuen Namen erfinden – Dialog Wirtschaft und Umwelt –, mag der allgemeinen Regierungskommunikationslogik geschuldet sein. Ich erinnere daran, dass es in Bayern eine Entwicklung gab, die zwar mit dem Stichwort Umweltpakt angefangen hat – so ähnlich klingt das jetzt in Nordrhein-Westfalen auch –, aber dann in eine Agenda-21-Initiative gemündet

ist. Wenn Sie sich die Papiere aus Bayern einmal intensiver anschauen – man mag über manches in Bayern streiten –, werden Sie feststellen, dass darin einige gute Ansätze vorhanden sind. Aber warum Sie hier in eine Zeit zurückgehen, die wir in der Diskussion schon längst überwunden haben, verstehe ich nicht. Es müsste zumindest eine gewisse Einordnung erfolgen. Und darum bitte ich Sie auch.

Eine Einordnung müsste schon deshalb erfolgen – ich komme auf den Begriff Nachhaltigkeit zurück –, weil wir uns in Nordrhein-Westfalen nicht auf einer Insel befinden, sondern dies findet im Rahmen eines weltweit initiierten Prozesses statt, der auf die Konferenz von Rio zurückzuführen ist. Es handelt sich um den Dreiklang von Umwelt, sozialen und ökologischen Anliegen unter dem Begriff der Nachhaltigkeit. Dieser Dreiklang wird in Ihrem Papier in keiner Weise aufgegriffen. Die soziale Dimension taucht überhaupt nicht auf. Von Nachhaltigkeit ist in keiner Weise die Rede.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Eck- hard Uhlenberg: Das gibt es doch nicht! Wie kann man so lügen!)

Stattdessen wird die Unterordnung der ökologischen Anforderungen unter die Anforderungen der Wirtschaft proklamiert. Das Ziel sind Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Prosperität.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Wie kann er so einen Stuss reden!)

Dann zitieren Sie mir bitte aus dem Papier, das Sie uns gestern vorgelegt haben, irgendeine Bemerkung, die etwas mit Nachhaltigkeit und sozialen Anliegen zu tun hat. Ich bitte Sie darum.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Sie haben sich wohl nicht vorbereitet!)

Sicher habe ich mich vorbereitet, und zwar ausführlich.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Wie kann man so eine Rede halten!)

Wenn ich betrachte, wer an Ihrem Prozess beteiligt ist – auch das ist eben schon angesprochen worden –, stelle ich fest, dass das eine Rückkehr zur Ständepolitik des 18. Jahrhunderts ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist das Kennzeichen eines Agenda-Prozesses, eines Prozesses, der im Rahmen der Nachhaltigkeit stattfindet, dass man die Zivilgesellschaft -die ehrenamtlich Tätigen, die Umweltverbände und die Gewerkschaften – einbezieht. Sie gehören dazu; sonst funktioniert so etwas nicht. Sie kehren