Protokoll der Sitzung vom 25.10.2006

Bitte schön, Frau Altenkamp.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass sich meine Presseerklärung auf einen Vorschlag des sozialpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion bezog, der Frau Ministerin von der Leyen angeboten hat, ein Modellprojekt „Soziales Frühwarnsystem“ in Nordrhein-Westfalen zu installieren? Ist Ihnen des Weiteren bekannt, dass ich gesagt habe, dass ich es ein wenig widersinnig finde, wenn Projekte eingestellt werden und dann ein neues Projekt angeboten wird und zudem so getan wird, als müsste das soziale Frühwarnsystem in Nordrhein-Westfalen neu erfunden werden? Gleiches haben Sie ja in einer Pressemitteilung geäußert. Ist Ihnen dieser Sinnzusammenhang bekannt?

(Hannelore Kraft [SPD]: Dazu gibt es jetzt sogar eine neue Broschüre!)

Frau Kraft ist auch da. Entschuldigung! Dann hätte ich Sie eben angeschaut, als ich über Ihren Kindergeldvorschlag sprach.

Sie erwecken den Eindruck, als wenn irgendetwas eingestellt worden wäre. Das war meine Kritik, nicht Ihr Disput mit Herrn Henke in der Frage, ob das sinnvoll ist oder nicht. Nordrhein-Westfalen wird sich am Ende an dem Projekt der Bundesministerin über 10 Millionen € beteiligen. Das hat Herr Henke damit gemeint, als er sagte, dass wir in der letzten Phase das, was wir haben, weiterentwickeln müssen und dass dabei auch Frau von der Leyen helfen muss.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Ja, gut. Es ist jedenfalls wichtig, dass im Bund 10 Millionen € aufgelegt werden und dass dabei nicht nur die Länder berücksichtigt werden, die bisher noch gar nichts haben, sondern auch die Länder, die schon einen Schritt weiter sind, um zu erreichen, das in jedes Jugendamt zu tragen.

Vielleicht kommen wir in dieser Debatte zu einigen Klarstellungen, was wir wirklich wollen. Insofern ist Bremen eigentlich der falsche Anlass, darüber zu diskutieren.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Warum machen Sie es dann bitte?)

Liebe Frau Asch, weil die Menschen, wie Sie es hier eben beschrieben haben, im Moment an dieser Frage interessiert sind, weil nach Bremen noch weitere Dinge passiert sind, weil heute ein Prozess vor dem Landgericht Bochum stattfindet, in dem es um ein Kind geht, das dort vor anderthalb Jahren zu Tode gekommen ist. Wir haben leider das Problem, dass wir inzwischen wöchentlich mit solchen Fällen konfrontiert werden. Da erwarten die Menschen, dass sich der Landtag von Nordrhein-Westfalen damit beschäftigt und die Landesregierung dazu Antworten gibt.

Das Problem ist: Für 2003 sind in Deutschland 4.168 Misshandlungs- und Vernachlässigungsfälle von Kindern polizeilich bekannt.

Das Allerschlimmste ist eine Zahl, die mich erst vor wenigen Tagen in dieser Schärfe erreicht hat: Von den Kindern, die bei Gewalttaten zu Tode kommen, werden 5 % Opfer von Gewalttätern, die auf der Straße Kinder entführen, misshandeln oder töten; 95 % dieser Kinder kommen in den eigenen Familien um. Das muss uns über Parteigrenzen hinweg die Wächterfunktion des Staates auch zugunsten dieser Kinder stärker in den Blick nehmen lassen.

Frau Meurer, Sie haben das Beispiel Dormagen erwähnt. Ich war in der Tat schon dort, denn gute Projekte muss man sich vor Ort anschauen. Ich erwähne es auch allerorten; insofern brauche ich gar keine Aufforderung, mich einmal mit dem Herrn Bürgermeister, der auch Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes ist, zu beschäftigen.

Unser Ziel muss es doch sein, wenn Ämter auch finanziell in der Lage sind, jede Familie aufzusuchen und ein solches Netz aufzubauen, diesen Mechanismus auf das ganze Land zu übertragen. Es hilft nicht, dass das nur in Dormagen ist.

Der Kongress am Wochenende in Hamm, den Frau Kollegin Kastner erwähnt hat, der vor einem Dreivierteljahr geplant wurde, ist ein Beleg dafür, dass man die, die daran interessiert sind, zusammenführen muss. Da haben 900 interessierte Menschen die Frage erörtert: Wie können wir es schaffen, dass sich jedes einzelne Jugendamt mit den 34 Projekten, mit dem, was in Dormagen, in Gütersloh und in Ostwestfalen-Lippe stattfindet,

beschäftigt? Das ist die Aufgabe der Jugendämter. Dazu will die Landesregierung ihnen Hilfe und Informationen geben, wenn sie diese noch nicht haben.

Die Koalitionsfraktionen haben bei den letzten Haushaltsberatungen das 23-Millionen-Programm, den Aktionsplan, aufgelegt, aus dem jetzt schon sehr viele dieser Dinge bezahlt werden. Wir bezahlen daraus beispielsweise eine Koordinierungsstelle der Familienpflegedienste. Wir verwenden dieses Geld für Elternkompetenzkurse. Wir haben die Broschüre „Kindesvernachlässigung – Erkennen, Beurteilen, Handeln“ aus 2000 neu aufgelegt und aktualisiert, damit jedes Jugendamt Bescheid weiß.

Das Institut für soziale Arbeit in Münster macht zurzeit mit den Landesjugendämtern eine zertifizierte Fortbildung für Fachkräfte zur Kinderschutzfachkraft. Mit dieser Zusatzqualifikation sollen auch die Erzieherinnen in den Kindergärten erkennen können, ob eine Familie Hilfe braucht oder nicht. Aus dem Programm, das CDU und FDP in die letzten Haushaltsberatungen eingebracht haben, werden weitere Fortbildungen für Erzieherinnen bezahlt. Die Landesregierung hat für den Haushalt 2007 vorgeschlagen, dieses Programm fortzusetzen. Wir brauchen diese Aktivität auch in 2007.

Liebe Frau Meurer, Sie haben gesagt, Sie wollen den Bericht in 66 Tagen haben. Da haben Sie bis Silvester gezählt. Ich glaube nicht, dass wir so lange Zeit haben. Ich habe zusammen mit der bayerischen Kollegin beantragt, dass noch im November eine Jugend- und Familienministerkonferenz zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Frau Kollegin Schnieber-Jastram aus Hamburg hat dazu eingeladen, um das alles zusammenzutragen.

Das war auch der Konflikt mit Frau von der Leyen. Es ging nicht darum, mit irgendjemandem parteipolitisch oder nicht parteipolitisch zu streiten, sondern darum, ihr zu sagen: Das ist schön, dass ihr in Niedersachsen auch beginnt. Es ist schön, dass der Bund Projekte von Herrn Prof. Pfeiffer in Niedersachsen finanziert. Wunderbar! – Wenn es da Nachholbedarf gibt, kann sie das gerne machen.

Aber das Entscheidende ist jetzt, zu hören: Was geschieht in welchem Land? Was haben die Bayern für Erfahrungen mit dem Hebammenprogramm? Was hat Nordrhein-Westfalen einzubringen? Wo gibt es Defizite in anderen Bundesländern? All das wird noch Ende November stattfinden. Dann gibt es ein Handlungskonzept. Das haben Sie nicht zu Silvester, sondern allerspätes

tens nach dem 24. November. Ich denke, dass wir dann auch hier im Landtag für alle Jugendamtsbezirke in Nordrhein-Westfalen mehr für die Kinder tun können. Es geht ums Hinschauen, es geht ums Bemerken, wo etwas schief läuft. Ich glaube, da sind unsere Systeme schon auf einem Stand, auf dem wir etwas Gutes weiterentwickeln können.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/2722 – Neudruck – an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration – federführend –, den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie nach einer weiteren Vereinbarung zwischen den Fraktionen an den Rechtsausschuss. Die abschließende Beratung wird im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

9 Konsequenz aus geheimem Gentechnikanbau in NRW: Nur das geltende Gentechnikrecht bietet Schutz und Transparenz

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/2729

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Abgeordneten Remmel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zum Antrag Stellung nehme, zwei Vorbemerkungen.

Erstens. Der Antrag fußt auf der Antwort einer Kleinen Anfrage, die wir zu diesem Thema gestellt haben. Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich beim Ministerium für den Umfang und die Ausführlichkeit der Antwort bedanken. In ähnlichem Umfang ist auch die Anfrage der Kollegin Schulze beantwortet worden.

Zweitens ist es wichtig, den Rahmen zu kennen, innerhalb dessen eine Diskussion stattfindet. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen, die Menschen in der Bundesrepublik lehnen Produkte, die aus

gentechnisch veränderten Materialien, Pflanzen hergestellt worden sind, sie lehnen diese Art der Saatgutveränderung entschieden ab. Das jedenfalls besagen alle einschlägigen Untersuchungen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sowohl im Essen als auch in der Landwirtschaft keine Gentechnik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist der Boden, die Basis unserer Diskussion heute. Hier geht es um Vorgänge, die in der Vergangenheit liegen, die aber ein Licht auf die Zusammenhänge werfen, die uns in Bezug auf Gentechnik sehr nachdenklich machen sollten. In Nordrhein-Westfalen hat es jahrelang geheimen Gentechnikanbau gegeben, ohne dass die Öffentlichkeit, die betroffenen Landwirte oder auch die Landesregierung darüber informiert waren.

Es ist besonders skandalös, dass die Landwirtschaftskammer, eine Institution, die halb Selbstverwaltung ist, halb hoheitliche Aufgaben übernimmt, diesen Anbau heimlich betrieben hat. Das, meine Damen und Herren, ist ein Vertrauensbruch gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch gegenüber den Bäuerinnen und Bauern. Da kann nicht die Ausrede gelten, dass es sich hier um einen Selbstverwaltungsbereich handelt.

Wenn es so unproblematisch war und nach Auffassung der Landesregierung – die Antwort auf die Anfrage gibt die Fakten wieder; wir brauchen aber auch eine politische Bewertung; deshalb müssen wir über diesen Vorgang heute debattieren – sogar zu den Aufgaben der Kammer gehört, warum ist dann diese Heimlichtuerei betrieben worden? Das ist ja so weit gegangen, dass noch nicht einmal die Menschen, die das Saatgut vor Ort ausgesät haben, wussten, um welches Saatgut es sich handelt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das macht deutlich, welche Dimensionen das Ganze hat.

Es bleiben also noch Fragen offen: Wer ist verantwortlich? Wer hat etwas zu verbergen? Warum hat man auf Haus Düsse, in Rheinberg oder in Neulouisendorf nicht offen gesagt, dass es um Gentechnikanbau geht?

Warum – auch das bleibt offen – schafft der Landwirtschaftsminister nicht vollständige Transparenz, wenn er zum Beispiel angesichts der Ortsangabe „bei Rheinbach“ auf eine 20.000 m2 große Fläche hinweist, aber die Fläche nicht genau bezeichnet? Bauern in Rheinbach haben 2004 eine

gentechnikfreie Region gegründet. Da wäre es notwendig, umfassende Transparenz zu schaffen.

Wir wollen also eine politische Stellungnahme der Landesregierung zu den Vorgängen insbesondere bei der Landwirtschaftskammer und keine allgemeinen Äußerungen, dass schon alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist – immer vor dem Hintergrund, dass die Bevölkerung in NordrheinWestfalen, in der Bundesrepublik keine Gentechnik will, Gentechnikanbau ablehnt, und das zu einem Zeitpunkt, wo es eine Regierung gab, die erklärtermaßen – jedenfalls, was die zuständige Ministerin angeht – gegen Gentechnikanbau war. Da hätte es zumindest eine Information der Landesregierung geben müssen. Dass diese Information nicht erfolgt ist, spricht für das Selbstverständnis der Landwirtschaftskammer. Was für ein Staatsverständnis, was für ein Demokratieverständnis hat eine solche Kammer, wenn sie die für sie zuständige Landesregierung nicht offen und umfassend informiert? Es ist notwendig, dass wir heute mit Blick auf die Zukunft darüber diskutieren.

Erst durch das rot-grüne Gentechnikrecht mit dem öffentlichen Standortregister im Internet wurde tatsächlich Transparenz geschaffen. Und das ist gut so; das muss auch so bleiben. Wenn uns dieser Vorgang der Vergangenheit eines lehren soll, dann, dass wir an dieser Transparenz, an dieser Offenheit unbedingt festhalten und allen entgegentreten müssen, die diese Transparenz abschaffen wollen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist beendet.

Dafür muss die Landesregierung kämpfen, dafür muss der Landtag kämpfen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.

Wir hoffen auf eine gute und intensive Beratung im Ausschuss und darauf, dass wir in diesem Fall zu einer gemeinsamen Entschließung, einem gemeinsamen Antrag kommen. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ortgies das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie eigentlich den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Dieser