Sie tragen durch Ihr Gesetz dazu bei, dass 55.000 Beschäftigte aus dem Landesdienst entlassen werden. Sie sollen Beschäftigte ihrer Hochschulen werden. Sie haben im Laufe der Diskussion über den Gesetzentwurf nachgebessert, was den Bestandsschutz angeht; das stimmt.
Sie haben nachgebessert und einen gewissen Bestandsschutz für diejenigen, die jetzt aus dem Landesdienst entlassen werden, hergestellt. Das ist das Mindeste, was man erwarten kann. Aber für all diejenigen, die diesen Beschäftigten folgen werden, wird es wesentlich schlechtere Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen geben.
Diese Beschäftigungsbedingungen werden sich an den Hochschulstandorten auch ausdifferenzieren. Wir werden nicht mehr den Gleichklang haben, den wir bisher hatten, um uns gegenüber den anderen Bundesländern konkurrenzfähig darstellen zu können. Sie sind ja der Meinung, dass wir an der Spitze der Bewegung sind. Wir sehen diese Bewegung in Bayern und BadenWürttemberg nicht, Herr Kuhmichel.
Gerade die Ergebnisse des Exzellenzwettbewerbs, an dem wir uns auch mit unseren Hochschulen beteilig haben, zeigen doch, dass es nicht der Grundlage eines solchen Gesetzentwurfs bedarf, den Sie vorgelegt haben, um exzellent zu sein.
Die Hochschulen in Bayern und Baden-Württemberg sind viel stärker an den Staat gebunden, als es unsere Hochschulen in Nordrhein-Westfalen je gewesen sind. Der bayerische Staat hat noch ein sehr rigides Staatsverständnis. Ich kann Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass die Kollegen in den Ministerien dies gegenüber den Hochschulen amtlich auch so wahrnehmen.
Nochmals: 55.000 Beschäftigte gehen aus dem Landesdienst in die Verantwortung der Hochschulen über – mit all den Folgen, die damit verbunden sind. Gleichzeitig haben Sie den Beschäftigten die Möglichkeit des Widerspruchs genommen, den wir gerade in der Privatwirtschaft immer einfordern. Ich erinnere an die Diskussion mit Herrn Ministerpräsidenten Rüttgers am vergangenen Sonntag, in der er sich über das Verhalten von Managern ereiferte, die Fehlverhalten gezeigt ha
Nein, das ist kein Quatsch. – Sie verabschieden sich aus der staatlichen Verantwortung für die Bildung, indem Sie sich in einen größeren Abstand zu den Einrichtungen bringen. Wir werden ja sehen, wie dies in den nächsten Jahren auch bei den Haushaltsberatungen seinen Niederschlag finden wird.
Meine Damen und Herren, Sie verabschieden sich auch von der demokratischen Selbstverwaltung unserer Hochschulen. Mit der neuen inneren Struktur der Hochschulen mit der besonderen Bedeutung eines neuen, aus meiner Sicht fremden Gremiums in den Hochschulen, nämlich dem Hochschulrat, tragen Sie dazu bei, dass die Selbstbestimmungsrechte der Mitglieder und der Beschäftigten der Hochschulen eingeschränkt werden.
Es macht mich nachdenklich, dass sich gerade diejenigen, die Teil der Elite in den Hochschulen sind – auch in unserem Land –, zu wenig Gedanken darüber zu machen scheinen, dass durch Ihren Gesetzentwurf demokratische Rechte zur Disposition stehen. Ich muss zunächst einmal festhalten, dass dies der Weg ist, den Sie gehen wollen.
Sie geben die Gruppenhochschule auf, die ein einigermaßen gleichberechtigtes Nebeneinander der in der Hochschule zusammengeführten Gruppen bildet, nämlich der Lehrenden, der Studierenden und der Beschäftigten. Aber auch die Perspektive derjenigen, die noch der alten Ordinarienuniversität anhängen – die gibt es auch noch in den Hochschulen –, ist mit Ihrem Gesetzentwurf ebenso vom Tisch wie die demokratisch orientierte Gruppenhochschule.
Sie verabschieden sich ebenfalls aus der landesplanerischen Verantwortung und der strategischen Positionierung unseres Landes. Wir werden die Hochschulfinanzierung in Zukunft – ich sage es noch einmal; ich habe schon im Ausschuss darauf hingewiesen – mit wenigen Haushaltspositionen abarbeiten. Das kann doch keine Wahrnehmung landespolitischer Planung und strategischen Verantwortung sein. Sie werden das auch nicht über die einzelnen Zielvereinbarungen der Regierung, des Ministeriums mit den Hochschulen erreichen.
Der Landtag trägt die Gesamtverantwortung für das, was in diesem Land passiert, wofür wir auch Finanzmittel bereitstellen, und muss von daher die Möglichkeit haben, die landesplanerischen Eckpunkte festzulegen und die strategischen Entscheidungen, wohin sich dieses Land entwickeln soll, zu treffen.
Ich will ein paar Beispiele nennen, wo das auch in der Entwicklung der Hochschulen ganz virulent werden wird: Die Hochschulen werden gezwungen sein, sich so aufzustellen, dass sie sehr stark nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten überprüfen müssen, welche Studienangebote, welche Forschungsbereiche sie behalten, welche sie ausbauen und welche nicht. Dabei wird der Bereich der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften in starke Bedrängnis geraten.
Die Hochschulen können autonom entscheiden. Was machen wir gegen eine solche Entwicklung? Wir haben in Zukunft keinerlei Werkzeug in der Hand – es sei denn zusätzliches Geld –, um diese Entwicklung womöglich nicht in diese negative Richtung laufen zu lassen. Wie wollen Sie dies beeinflussen? Die Tendenz ist klar erkennbar.
Wie wollen Sie darauf hinwirken – außer im Negativen durch das Studiengebührengesetz –, dass sich die Zahl der Studierenden an unseren Hochschulen nicht weiter verringert? Wir haben in diesem Semester minus 8 % Studierende an den Universitäten und minus 5,3 % an den Hochschulen insgesamt. Das ist mit ein Ergebnis Ihrer Politik.
Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt – das wünscht sich von uns niemand, aber die Rahmenbedingungen durch Ihre Gesetzgebung werden uns kaum Einflussmöglichkeiten bieten –, dann werden wir einzelne Hochschulen an die Wand fahren. Die Tatsache, dass Sie selbst im Gesetzgebungsverfahren über Insolvenz und den Staatskommissar nachgedacht haben, muss doch seinen Grund haben, muss doch seine Ursache darin haben, dass Sie billigend in Kauf nehmen, dass einzelne unserer Hochschulen in Schwierigkeiten geraten.
Die regionale und soziale Öffnung unserer Hochschulen wird mit diesem Gesetz aufgegeben – ein Projekt, in das Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, insbesondere unser ehemaliger Ministerpräsident Johannes Rau, viel Kraft und Energie, viele Ressourcen dieses Landes hineingesteckt haben, die Sie nun auf den Markt bringen und im Endeffekt vernichten, die wir unbedingt in den Regionen brauchen, um möglichst viele junge Menschen zu einem möglichst guten Abschluss zu bringen. Das ist irrational, was hier gemacht
wird. Sie machen sich hier zum Hampelmann ideologisch orientierter Konzepte, die Sie fast 1:1 umsetzen. Das ist unverantwortlich.
Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen die ausgestreckte Hand entgegengereicht. Wir haben gesagt, wir sind bereit, gemeinsam ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Dazu haben wir gemeinsam mit denjenigen, die Hochschule ausmachen, nämlich Lehrenden, Studierenden und Beschäftigten, Eckpunkte entwickelt. Sie haben diese Hand ausgeschlagen und wollen Ihr ideologisches Konzept durchsetzen. Sie tragen jetzt auch die Verantwortung dafür. Dabei werden wir Sie aufmerksam begleiten. Sie werden sich – das sollten Sie im Hinterkopf behalten – immer wieder im Landtag dafür zu rechtfertigen haben, was Sie den Zukunftschancen und unserem Land damit an negativem Input gegeben haben.
Meine Damen und Herren, wir werden aus den genannten Gründen – das haben wir bereits im Fachausschuss klargemacht – diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Einzelne Änderungsanträge bieten keine Möglichkeit, sich diesem Gesetzentwurf zu nähern, weil die Gesamtlinie unstimmig ist. Sie ist ideologisch getrieben. Wir werden uns nicht auf diesen Wagen binden lassen. Wir machen da nicht mit.
Ich appelliere an alle, die Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen wollen: Stimmen Sie den Entschließungsanträgen, die seitens der SPD vorliegen, zu! Damit wären wir auf dem richtigen Weg. Wir werden in diesem Sinne weiter Hochschulpolitik für junge Menschen und für unser Land Nordrhein-Westfalen voranbringen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Dr. Seidl das Wort.
Lassen Sie mich erst einmal weiterreden. – So ist das vielleicht auch mit den Absichten der CDU beim Hochschulfreiheitsgesetz. Herrn Brinkmeier
nehme ich gerne ab, dass er es gut machen wollte, doch ich bin mir nicht sicher, ob die CDUFraktion zusammen mit Herrn Kuhmichel die Reichweite der aus dem Hause Pinkwart stammenden Gesetzesnovelle tatsächlich überblickt. Dabei sollte es Ihnen inzwischen klar geworden sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen: Mit diesem Gesetz geben Sie die staatliche Verantwortung für Wissenschaft, Forschung und Lehre zugunsten eines marktradikalen Wettbewerbsansatzes aus der Hand. Ein solches Staatsverständnis können wir nicht mittragen.
Ich will aber kein Missverständnis aufkommen lassen. Wir Grüne haben bereits bei der ersten Lesung und in den Ausschussberatungen deutlich gemacht, dass wir sehr dafür sind, den Hochschulen mehr Autonomie und Gestaltungsfreiheit zu geben. Der Staat muss sich aus der Detailsteuerung der Hochschulen zurückziehen. Vor diesem Hintergrund haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit dem HRWG die entscheidenden Weichen gestellt. Ich nenne die Globalhaushalte – das ist nichts Neues –, die Zielvereinbarungen – auch das ist nichts Neues –, die Freiheit bei der Gestaltung der Binnenorganisation und die Dienstvorgesetzteneigenschaft des Rektors. Das alles sind wichtige Eckpunkte. Darüber hinaus haben wir die Fachaufsicht für die Hochschulen weitgehend zurückgeführt.
Und was kommt jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen? Was ist eigentlich neu an Ihrem Gesetzentwurf? Das Neue entpuppt sich aus unserer Sicht als Mogelpackung, denn anders als der wohlklingende Name „Hochschulfreiheitsgesetz“ suggeriert, schränkt dieses neue Gesetz die Freiheit der Hochschulen massiv ein. Welch ein Widerspruch! Zwar zieht sich der Staat im HFG aus seiner Gesamtverantwortung für die Hochschulen in NordrheinWestfalen zurück, doch an seine Stelle tritt mit dem Hochschulrat ein neues Gremium, das künftig die Geschicke der Hochschulen von außen lenken soll. Dieser ist mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Er wird vor allem auch der Hochschulleitung, dem Präsidium, quasi vor die Nase gesetzt. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz, Frau Wintermantel, auf der Anhörung zum HFG kritisch anmerkt – ich zitiere sie –:
„Uns leuchtet aber nicht ein, warum der Hochschulratsvorsitzende oder die Hochschulratsvorsitzende Dienstvorgesetzte oder Dienstvor
Der deutsche Hochschulverband kritisiert ebenfalls die Entmachtung der hochschuleigenen Gremien. Er sagt:
„Deshalb muss sichergestellt werden, dass sich die Hochschulleitung nicht nur ihrem … Aufsichtorgan Hochschulrat verpflichtet und verantwortlich fühlt, sondern auch den im Senat repräsentierten vor allem wissenschaftlichen Mitgliedern der Hochschule.“