Protokoll der Sitzung vom 25.10.2006

„Deshalb muss sichergestellt werden, dass sich die Hochschulleitung nicht nur ihrem … Aufsichtorgan Hochschulrat verpflichtet und verantwortlich fühlt, sondern auch den im Senat repräsentierten vor allem wissenschaftlichen Mitgliedern der Hochschule.“

Bei der Anhörung im Landtag haben im Übrigen auch die Verfassungsrechtler darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit der Einschränkung der Kompetenzen der hochschuleigenen Gremien einen unzulässigen Eingriff in die von der Verfassung garantierte Freiheit von Forschung und Lehre sehen. Einen solchen Gesetzentwurf wollen Sie heute durchwinken, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen?

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Wir sagen deutlich: Die Machtverteilung zwischen Hochschulrat, Hochschulleitung und Senat muss so austariert werden, dass es zu einem wirklichen Autonomiegewinn für die Hochschulen kommt und nicht zu einer Fremdbestimmung. Ich erinnere daran, dass Forschung und Lehre zum Kerngeschäft der Hochschulen gehören und dass sich unsere Universitäten und Fachhochschulen nicht in erster Linie als Unternehmen verstehen, die gewinnorientiert arbeiten müssen.

Und lassen Sie mich noch einen dritten wichtigen Punkt anmerken: Sie haben in Ihrem Gesetz nicht erklärt, wie Sie künftig in dieser dichtesten Hochschullandschaft Europas, in Nordrhein-Westfalen, eine verantwortliche Landesplanung garantieren wollen. Dabei liegt doch auf der Hand, dass mit wachsender Selbstständigkeit der einzelnen Hochschule eine koordinierte und abgestimmte Landesplanung immer wichtiger wird.

Herr Prof. Ronge, der Vorsitzende der LHK, hat es bei der Anhörung noch einmal auf den Punkt gebracht. Ich möchte ihn gern zitieren: Wir haben es mit einer „radikal veränderten Hochschullandschaft“ zu tun, sagt er. Und weiter:

„Man wird sich überlegen müssen, ob wir überhaupt noch von einer Hochschullandschaft NRW sprechen können; denn wir haben dann eine Vielzahl von Hochschulen, deren integratives Element, das bisher durch den Staat geleistet worden ist, entfallen ist. Dann haben wir viele Hochschulen, aber nicht mehr eine Lan

desstruktur des nordrhein-westfälischen Hochschulwesens.“

Aus unserer Sicht ist es vornehmste und wichtigste Aufgabe des Parlamentes, die strategischen Ziele für eine Landesplanung der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zu formulieren.

Denn wer anders sollte die Verantwortung tragen für einen demografie- und arbeitsmarktgerechten Ausbau unseres Hochschulsystems als der Gesetzgeber selbst? Denn schließlich gilt es, künftig genügend Studienplätze bereitzustellen, ein ausgewogenes und zukunftsfähiges Angebot an Fächern vorzuhalten und auch – nicht zuletzt – das Ziel der Bildungsgerechtigkeit nicht aus den Augen zu verlieren.

Wir haben uns bewusst auch dafür stark gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Satz im Aufgabenkatalog zu belassen, der aus unserer Sicht unverzichtbares Leitbild unserer Hochschulen sein sollte. Er lautet – ich zitiere –: Die Hochschulen

„wirken an der Erhaltung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates mit und tragen zur Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen bei.“

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Begründung für die Streichung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie wollten das Gesetz verschlanken und entbürokratisieren, klingt mir noch zynisch in den Ohren nach.

(Beifall von den GRÜNEN und Heike Geb- hard [SPD])

Das zeugt von wenig Kreativität. Es ist eher peinlich, wenn man sich das Selbstverständnis der Hochschulen vor Augen führt. Aber diese Landesregierung ist eben unsensibel und schert sich wenig um die Einwände der Akteure an den Hochschulen.

Im Gegenteil: Mit ihrem Änderungsantrag, der die Widerspruchsrechte des Hochschulpersonals abschaffen soll, zeigen Sie einmal mehr, wessen Freiheit Sie mit diesem Hochschulfreiheitsgesetz jedenfalls nicht meinen.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und Heike Gebhard [SPD])

Unsere Änderungsanträge, die wir im Ausschuss und im Plenum vorgelegt haben, stellen klar heraus, dass wir ein anderes Staatsverständnis haben. Wir sagen Ja zu freien und autonomen Hochschulen, aber Nein zu diesem Hochschul

freiheitsgesetz. Deshalb fordern wir Sie heute auf, dieses Gesetz zurückzuziehen oder

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

ihm wenigstens einen passenden Namen zu geben. Nennen Sie es „Gesetz zur marktradikalen Ausrichtung der Hochschulen“. Das wäre ehrlicher und im Sinne der Gesetzeswahrheit und -klarheit geboten.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)

Denn eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch festhalten: Freiheit ist einer der wichtigsten im Grundgesetz verankerten Werte; das vorliegende Gesetz hat diesen Namen jedenfalls nicht verdient.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die FDP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Lindner. Bitte schön.

Herr Präsident! Heute Morgen bei Ihrer Wahl war ich entschuldigt abwesend. Ich will Ihnen deshalb jetzt sehr herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren.

Grund meiner Abwesenheit war, dass ich an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu tun hatte. Ich habe dort also heute am Tag der Verabschiedung des Hochschulfreiheitsgesetzes noch einmal ganz praktischen Bezug zu unserem Hochschulwesen gehabt.

(Heike Gebhard [SPD]: In welchem Seminar waren Sie denn? – Karl Schultheis [SPD]: Haben Sie sich dort angemeldet oder was? – Zuruf von Frank Sichau [SPD] – Weitere Zu- rufe von der SPD)

Wenn man sich etwa die Substanz der Gebäude an der Universität Bonn, einer besseren Hochschule, ansieht, kann man nicht den Eindruck gewinnen, dass in den vergangen 39 Jahren dem Hochschulwesen viel Aufmerksamkeit zugemessen worden wäre.

(Beifall von FDP und CDU – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: 14 Jahre davon waren Sie dabei!)

Wenn man sich einmal ansieht, dass in Deutschland pro Professor im Durchschnitt 53 Studierende zu betreuen sind, in Nordrhein-Westfalen pro Professor aber 82 Studierende betreut werden müssen, kann man ebenfalls nicht den Eindruck gewinnen, dass in dieser Hochschullandschaft in

Nordrhein-Westfalen schon alles zum Besten stünde. Deshalb ist es keine Überraschung,

(Heike Gebhard [SPD]: Dass Sie Studienge- bühren einführen!)

dass in diesem Bundesland die durchschnittliche Studiendauer 11,9 Semester beträgt – wesentlich mehr als in anderen Bundesländern, mit denen wir uns vergleichen sollten.

Vor diesem Hintergrund zu fordern, wir sollten unser Hochschulfreiheitsgesetz zurückziehen, bescheidener in unserem Anspruch zu sein, den Menschen weniger zuzutrauen, ist verantwortungslos gegenüber denjenigen, die in NordrheinWestfalen im Bildungsbereich tätig sind.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, der Status quo war – wir haben das ja im Ausschuss miteinander verhandelt – trotz sichtbarer Bemühungen in den vergangenen Jahren auch ein überbürokratisiertes Hochschulwesen.

Ich will das nur an zwei Beispielen belegen: In Nordrhein-Westfalen hat sich die frühere Landesregierung angemaßt, eine feste Quote anzugeben, wie viele Bachelor-Absolventen einen Master-Studiengang anstreben dürften.

(Karl Schultheis [SPD]: Quatsch!)

Und legendär ist ja nun das Beispiel, das Sie von Düsseldorf aus den Hochschulen vorschreiben wollten, dass der Rektor in seinem Dienstwagen eine Standheizung haben darf, der Kanzler aber nicht.

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist schon länger her! Das ist lange, lange her! – Weitere Zuru- fe)

Solche Regelungen braucht niemand. Deshalb ist es richtig, dass wir mit diesem Hochschulfreiheitsgesetz mit dieserlei Überregulierungen Schluss machen.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Jo- hannes Remmel [GRÜNE] – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Wir wollen mit diesem Hochschulfreiheitsgesetz unseren Hochschulen mehr Freiräume eröffnen, ihnen mehr Möglichkeiten geben, aus ihren vorhandenen Stärken auch mehr zu machen. Wir wollen, dass sie sich in die Gesellschaft öffnen. Deshalb haben wir mit dem Hochschulrat einen Beitrag dazu geleistet, dass wir leistungsstarke Leitungsstrukturen bekommen und zum anderen externen Sachverstand im Interesse einer nach

haltigen Hochschulentwicklung für unser Hochschulwesen gewinnen.

Herr Kollege Lindner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schultheis?

Ja, das tue ich. Herr Schultheis, bitte.

Bitte, Herr Abgeordneter Schultheis.

Herr Kollege Lindner, Sie sprachen eine Quote für die Verteilung von Bachelor- und Master-Studierenden an. Eine solche Quote hat es in Nordrhein-Westfalen nie gegeben. Man hat eine Berechnung angestellt, wie sich die Kapazitäten im Endeffekt verteilen würden.

(Zurufe von der CDU)