Protokoll der Sitzung vom 25.10.2006

(Zurufe von der CDU)

Aber eine verbindliche Quote hat es nicht gegeben. Ich frage Sie aber: Ist Ihnen bekannt, dass es im CDU/FDP-regierten Niedersachsen eine solche Quote gibt?

Vergangenheitsbewältigung, Herr Schultheis, ist ja immer auch gern Ihre Sache gewesen. Ich will mich daran jetzt nicht beteiligen. Ich sage Ihnen:

(Heike Gebhard [SPD]: Sie haben mit der Vergangenheit angefangen!)

Wir haben mittelbare oder unmittelbare Quotierungen bei Bachelor- und Masterstudiengängen abgeschafft. Eine solche Regulierung, ob sie mittelbar oder unmittelbar wirkt, gibt es in NordrheinWestfalen seit dem Regierungswechsel nicht mehr. Das ist entscheidend.

Wie die Erlasslage nun rechtstechnisch vielleicht einzuschätzen war, Herr Schultheis – da komme ich Ihnen gerne entgegen –, ist ziemlich zweitrangig. Entscheidend ist, dass es sie in NordrheinWestfalen nicht mehr gibt, dass es keine entsprechende Wirkung mehr gibt.

Meine Damen und Herren, wir wollen uns doch auch der Opposition zuwenden, weil Herr Schultheis und Frau Seidl uns hier eben Vorwürfe gemacht haben. Bezeichnend ist das Verhalten der Grünen in den vergangenen zwei, drei Wochen. In dieser Woche hat sich die Fraktionsvorsitzende der Grünen öffentlich eingelassen und die einfache Mechanik vertreten, dass die Studienbeiträge in Nordrhein-Westfalen dazu führten,

dass weniger junge Menschen ein Studium anstrebten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist eine Tatsache!)

Sie sagen, das sei eine Tatsache. Frau Löhrmann, wie erklären Sie denn dann – ich habe das im Ausschuss in der vergangenen Woche, als Sie ja leider nicht haben teilnehmen können, schon dargelegt –, dass etwa in Rheinland-Pfalz, beispielsweise an der Universität Mainz, ebenfalls die Studienanfängerzahlen zurückgehen, obwohl Rheinland-Pfalz erklärtermaßen keine Studienbeiträge eingeführt hat? Mit diesen monokausalen Erklärungsmustern wollen Sie die Diskussion, wollen Sie das Klima vergiften. Es ist in Wahrheit eine Desinformationskampagne.

Das setzt sich bei anderer Gelegenheit fort, etwa bei der Exzellenzinitiative. Da kommt Frau Seidl mit dem Vorwurf auf den Markt, der Wissenschaftsminister dieses Landes habe sich in den Verhandlungen nicht hinreichend für nordrheinwestfälische Hochschulen eingesetzt. Zeitgleich läuft über die Ticker, dass es überhaupt keine Verhandlungen gab, weil die Wissenschaft selbst Entscheidungen getroffen hat. Das ist die Qualität Ihrer Argumentation.

Ich will in diesem Zusammenhang für meine Fraktion begrüßen, Herr Minister, dass Sie sich etwa in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dafür ausgesprochen haben, dass auch in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative nicht etwa Proporzkriterien angelegt werden sollten, sondern dass es bei dem wissenschaftlichen Verfahren bleibt. Es wäre nämlich tragisch, wenn sich nordrheinwestfälische Hochschulen jetzt in der zweiten Runde durchsetzen würden und wir uns dann möglicherweise den Vorwurf gefallen lassen müssten, dass dies nur den Proporzgesichtspunkten geschuldet sei. Also: Vielen Dank für diese klare Position.

(Beifall von der CDU)

Die Grünen – das will ich abschließend sagen, und dann wende ich mich der SPD zu – haben in der vergangenen Ausschusssitzung eine Schlangenlinie vorgeführt, einen Schleiertanz aufgeführt. Die Fraktion der Grünen ist mit unterschiedlichen Änderungsanträgen zum Hochschulfreiheitsgesetz aufgetreten, und dann haben wir gefragt: Sind Sie denn, falls diese Änderungsanträge angenommen werden, bereit, diesem Gesetz im Ergebnis auch zuzustimmen?

(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben doch da- gegen gestimmt!)

Dann hat die Fraktion der Grünen erklärt: Ja, würden die Änderungsanträge angenommen werden, dann könnten wir uns vorstellen, dem Gesetz zuzustimmen. – Sie haben aber keinen Änderungsantrag gestellt, der sich gegen die materielle Verselbstständigung der Hochschulen gerichtet hätte. Also müssen wir doch davon ausgehen, dass Sie dem Aspekt zustimmen. Sie haben auch keinen Antrag gestellt, dass das Land zukünftig weiter die Beschäftigten führen solle. Also müssen wir doch davon ausgehen, dass Sie auch dem Punkt zustimmen.

Aber heute sagen Sie hier, all das sei grundfalsch. Das Gesetz müsste zurückgezogen werden. Das sind Schlangenlinien, wenn ich es wohlmeinend formuliere. Das ist Desinformation, wenn man einen ehrlichen Austausch pflegt.

(Beifall von FDP und CDU – Karl Schultheis [SPD]: Herr Lindner, wir sind hier doch nicht im Sandkasten!)

Herr Schultheis, Stichwort Sandkasten! Die Sozialdemokratie leistet sich ebenfalls eine beachtliche Form – Sie haben eben ja über Vergangenheit gesprochen –, mit ihrer eigenen Vergangenheit umzugehen. Ich habe großes Verständnis dafür, wenn sich der Hauptpersonalrat für die Beschäftigten einsetzt,

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist seine Aufga- be! Dafür muss man kein Verständnis ha- ben!)

auch wenn wir persönlich seine Auffassung nicht teilen. Man muss ja dem staunenden Publikum einmal darlegen, was sich verändert, weil Sie hier von Massenentlassungen sprechen. Diejenigen, die jetzt bis zum 1. Januar des kommenden Jahres im Hochschulwesen beschäftigt sind, haben keinerlei Statusverschlechterungen zu befürchten, nichts. Dafür haben wir gesorgt.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Diejenigen, die neu hinzukommen, bekommen den Kündigungsschutz, den die Damen und Herren hier oben auf der Tribüne haben, den die Herren und Damen Journalisten haben. Die bekommen den gleichen Kündigungsschutz, wie er in unserer Gesellschaft üblich ist. Da von Massenentlassungen zu sprechen, lieber Herr Schultheis, ist eine Irreführung.

Mein letzter Gedanke, Herr Präsident, Stichwort Vergangenheitsbewältigung: Wie haben Sie das eigentlich damals mit dem Personalübergang bei den Universitätsklinika gehalten, Herr Schultheis? Wie war denn da der Übergang? War der materiell anders als das, was wir jetzt vorsehen? Erklä

ren Sie das doch gleich, wenn Sie gerne Fragen beantworten und stellen.

Im Übrigen: Wenn Sie eine Zweiklassengesellschaft befürchten zwischen denen, die jetzt beschäftigt sind und die gleichen Statusrechte haben wie im öffentlichen Dienst, und zukünftigen Damen und Herren, die weniger Rechte haben – allerdings noch mehr, als im privaten Bereich üblich sind –, dann muss ich Sie darauf hinweisen: Sie haben doch selbst eine Zweiklassengesellschaft in der Landesverwaltung eingeführt, indem Sie die Arbeitszeit der Beamten verlängert haben, aber die der Angestellten nicht, und damit Zwietracht in jeder Dienststube gesät haben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Schon einmal was von Tarifstrukturen gehört?)

Sie haben selbst ja in dieser Weise agiert. Sie wollen sich jetzt einen schlanken Fuß machen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von der CDU)

Die deutsche Sozialdemokratie, insbesondere die nordrhein-westfälische, hat in der Hochschulpolitik ihr Bad Godesberg noch vor sich. Darauf können wir aber nicht warten. Deshalb findet dieses Gesetz eine Mehrheit ohne Sie. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihnen, Herr Präsident.

(Beifall von FDP und CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Lindner, auch für Ihren persönlichen Gruß an mich zu Beginn Ihrer Rede. – Ich erteile Herrn Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutige Tag ist ein guter Tag für die Hochschulen und die Hochschulpolitik in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Häufig blicken wir mit Neid auf andere Bundesländer, vor allem auf die südlichen Länder. Aber heute können wir mit Stolz konstatieren: Wir beraten abschließend über das freiheitlichste Hochschulrecht in ganz Deutschland.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn der Landtag dieses Gesetz beschließt, ist der Weg frei für echte Autonomie und Eigenverantwortung in den Hochschulen unseres Landes.

(Karl Schultheis [SPD]: Für wen?)

Dieses Gesetz stärkt die Hochschulen als Schlüsselakteure wissenschaftsgetriebener Veränderung in unserer Gesellschaft. Die Hochschulen werden schneller, beweglicher und dadurch auch besser, und sie werden professionell agieren können. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – das ist doch ganz entscheidend – werden sich in Zukunft viel stärker mit ihrer eigenen Hochschule identifizieren können.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Die Studierenden werden von dem Qualitätssprung profitieren, den das neue Hochschulrechts ermöglicht. Das sind drei zentrale Ziele des Gesetzentwurfs.

Viele haben daran mitgewirkt, meine Damen und Herren, dass dieses Gesetz heute verabschiedet wird. Ich möchte mich ganz besonders bei den beiden Regierungsfraktionen für die sehr intensive und gute Zusammenarbeit bedanken – namentlich bei Herrn Brinkmeier, Herrn Kuhmichel und Christian Lindner.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Besonders hervorheben möchte ich Herrn Stahl, der sich mit seiner besonderen Erfahrung auf dem Gebiet intensiv in das gesamte Gesetzgebungsvorhaben eingebracht hat.

Von der Regierung möchte ich besonders Kollegen Linssen hervorheben, denn der Staat setzt eine Menge Vertrauen in die Hochschulen und gibt Kompetenz ab. Das ist nicht ganz einfach. Der Finanzminister hat das in exzellenter Weise begleitet, meine sehr verehrten Damen und Herren – auch was die Gestaltung der finanziellen Kraft der Hochschulen in diesem Land betrifft. Ganz herzlichen Dank für die großartige Begleitung!

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn ich hingegen sehe, was von der Opposition kommt, wird deutlich, dass die beiden Oppositionsparteien ihr Problem mit der Freiheit, mit dem Freiheitsbegriff

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Was ist denn mit Ihrer Freiheit, Herr Minister? Ich würde den Mund nicht so voll nehmen!)

und auch mit dem Zusammenspiel von Freiheit und Verantwortung haben. Lassen Sie es mich ein bisschen freundlicher formulieren:

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das war ja schon unfreundlich!)

Ihre Beiträge und Ihre Entschließungsanträge erinnern mich eher an Eltern, die ihren erwachsenen Kindern sagen: Ihr dürft jetzt den Führerschein machen und sollt auch ein Auto fahren; wir schenken euch vielleicht sogar eines.