Protokoll der Sitzung vom 25.10.2006

Ihre Beiträge und Ihre Entschließungsanträge erinnern mich eher an Eltern, die ihren erwachsenen Kindern sagen: Ihr dürft jetzt den Führerschein machen und sollt auch ein Auto fahren; wir schenken euch vielleicht sogar eines.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Aber wenn es zum Schwur kommt, wollen die Eltern die Richtung vorgeben und das Tempo mitbestimmen; nach Möglichkeit würden sie sich lieber selbst ans Steuer setzen. Das ist Ihre Herangehensweise an Freiheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Wir trauen den Hochschulen zu, dass sie mit ihrer neuen Freiheit auch verantwortlich umgehen können. Das ist der grundlegende Unterschied zwischen unserer Sichtweise und derjenigen, die Sie hier vortragen und deren Erfolge wir in der Vergangenheit hinreichend haben beobachten dürfen.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Für mich als Fachminister ist entscheidend, dass die Hochschulen das neue Hochschulrecht wollen. Das hat die Anhörung zum Gesetzentwurf eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wir haben alles getan, um die Hochschulen auch in die Ausgestaltung des Gesetzes einzubeziehen. Deswegen haben wir immer wieder Änderungswünsche sowohl in den Referentenentwurf als auch in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Es gab natürlich auch Befürchtungen, ob durch das Gesetz und die neuen Freiheiten zusätzliche Belastungen auf die Hochschulen zukommen würden. Wir haben alle Fragen gemeinsam mit den Hochschulen und mit Fachbeamten – auch aus dem Finanzministerium – geprüft. Es gab über 60 Fragestellungen, denen wir sehr intensiv nachgegangen sind. Die Arbeitsgruppe ist zu dem Ergebnis gekommen: Unter dem Strich gibt es keine Mehrbelastungen für die Hochschulen. Im Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir gehen davon aus, dass das Hochschulfreiheitsgesetz den Hochschulen in den nächsten Jahren zusätzliche Effizienzgewinne bringen wird, weil sie ihre Mittel zur Zielerreichung viel wirksamer werden einsetzen können. Mit dem Zukunftspakt belassen wir die Effizienzgewinne auch bei den Hochschulen, denn wir wissen, dass die Hochschulen die zusätzlichen Mittel brauchen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Abwarten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetz meldet sich Nordrhein-Westfalen im Kreis der Gestalter moderner Hochschulpolitik zurück.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Nirgendwo sonst in Deutschland werden Freiheit und Eigenverantwortung der Hochschulen so konsequent zur Grundlage eines neuen partnerschaftlichen Verhältnisses von Staat und Hochschulen gemacht. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass die Präsidentin der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Frau Wintermantel, hier im Landtag in der Anhörung zu diesem Hochschulfreiheitsgesetz ihre Bewertung auf einen kurzen, aber, wie ich finde, sehr überzeugenden Punkt gebracht hat. Dass Ihnen das nicht gefällt, kann ich nachvollziehen. Uns gefällt es umso besser.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Hier hat sie ge- sessen, auf meinem Platz!)

Sie hat gesagt, es sei geradezu mustergültig. Das ist die Bewertung durch die Wissenschaft in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Dann kommen Sie und wollen in Wahrheit, dass alles so bleibt, wie es ist – ganz so, als könnten wir mit dem Bestehenden zufrieden sein.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Ich frage Sie insbesondere mit Blick auf die Kampagne, die Sie seit Monaten an den Hochschulen fahren, wovor Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschulen eigentlich schützen wollen. Mit einer Angstkampagne versuchen Sie, ihnen einzureden, dass ihre Rechte künftig eingeschränkt und ihre Arbeitsverhältnisse unsicher werden würden.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Herr Schultheis, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und Grünen, Sie kennen doch den Gesetzentwurf.

(Karl Schultheis [SPD]: Eben deswegen!)

Sie wissen doch, was heute zur Abstimmung ansteht. Wenn Sie ein Stück Ehrlichkeit aufbringen würden, müssten Sie auch den Mut haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nordrheinwestfälischen Hochschulen mitzuteilen, dass ihre Arbeitnehmerrechte mit diesem Gesetz nicht nur

gleich bleiben, sondern sogar noch gestärkt werden, was den Kündigungsschutz betrifft.

(Karl Schultheis [SPD]: Wo denn?)

Es gibt also eine Besserstellung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Schlechterstellung. Das ist die Wahrheit, die wir mitteilen dürfen.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD] – Karl Schultheis [SPD]: Die Kollegen können selber gut le- sen!)

Die neuen Beschäftigten der Hochschulen haben in Zukunft nach dem Tarifvertragsrecht die gleichen Bedingungen wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ansonsten in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden – ob beim Land, bei der Stadt Düsseldorf oder dem Kreis Mettmann. Die Bedingungen verschlechtern sich nicht.

Wenn Sie uns jetzt noch unterjubeln wollen, es gäbe 55.000, die entlassen werden sollten, muss ich Sie fragen: Was hat Rot-Grün denn bei den Universitätskliniken gemacht? Damals ging es um 25.000 Beschäftigte, die Sie, wenn Sie so wollen, durch den damaligen Gesetzentwurf überführt haben. Den Mitarbeitern haben Sie schlechtere Bedingungen mitgegeben, als wir das heute tun. Das ist die Wahrheit, die ich doch bitte, den Mitarbeiten zu übermitteln.

(Beifall von CDU und FDP)

Dann frage ich Sie: Wovor wollen Sie eigentlich die Studierenden in Nordrhein-Westfalen schützen?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Vor Ihnen natür- lich!)

Frau Löhrmann, sind Sie denn mit Ihrer Leistungsbilanz schon zufrieden? Herr Lindner hat die Kennzahlen, wenn es um die durchschnittliche Studiendauer geht, die Studierende in NordrheinWestfalen in den letzten Jahren vorzuweisen hatten, noch einmal genannt: Wir liegen im Ländervergleich auf Platz 14 von 16 Bundesländern. Das heißt: Hier haben die jungen Menschen die längste Studienzeit gehabt – im Durchschnitt 1,3 Semester länger als etwa in Baden-Württemberg. Damit ist das Studium hier auch um 1,3 Semester teurer geworden und die Lebensperspektiven um 1,3 Semester schlechter. Das ist die Leistungsbilanz.

Und die Exzellenzinitiative – die klang ebenfalls an –, meine Damen und Herren, hat offensichtlich gezeigt: Wir haben die dichteste Hochschulland

schaft, aber wir haben noch nicht die beste Hochschullandschaft.

(Karl Schultheis [SPD]: Doch!)

Deswegen müssen wir zwei zentrale Voraussetzungen dringend erfüllen, um besser werden zu können: Wir müssen den Hochschulen die notwendige Freiheit geben und wir müssen ihnen die notwendige Gestaltungskraft geben, damit sie an die Spitze kommen können. Das geht natürlich nur über bessere Wettbewerbsbedingungen. Die räumen wir den Hochschulen hiermit ein.

Neben der Freiheit, die wir den Hochschulen mit diesem Gesetz jetzt geben, haben wir hier wiederholt über die Gestaltungskraft diskutieren können. Der Präsident des Deutschen Hochschullehrerverbandes, Herr Kempen, hat ausdrücklich gelobt, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung vorbildlich Wort gehalten hat, dass wir mit Einführung der Studienbeiträge auch einen Zukunftspakt für die Hochschulen im Landtag verabschiedet haben. Es ist einmalig in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen, dass der Landtag den Hochschulen eine so lange Planungsperspektive gibt.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Mit der Einführung der Studienbeiträge in der sozialverträglichsten Form, die in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt zu finden ist, geben wir den Hochschulen in den nächsten Jahren die Möglichkeit, ihre Qualität tatsächlich zu verbessern, und stellen sicher, dass unsere Studierenden damit bessere Bedingungen antreffen, als das an anderen Standorten der Fall ist.

Wenn ich dann lese, dass insbesondere die Grünen – aus welchen Erwägungen auch immer – noch immer gegen Studienbeiträge zu Felde ziehen und die SPD bezichtigen, dass sie nicht vor das Verfassungsgericht ginge, um gegen unser Studienbeitragsgesetz zu klagen, muss ich Ihnen sagen, Frau Löhrmann: Wenn eine Fraktion dieses Landtages nach intensiver Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Gesetz gerichtsfest ist, dann ist es ein guter Schritt, nicht das Verfassungsgericht zu bemühen, festzustellen, dass das Gesetz der Verfassung entspricht. Genau dieser Sachverhalt liegt hier vor.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich habe im Zusammenhang mit den Studienbeiträgen kein Verständnis für die Argumentation – obwohl ich dies selbst eingeräumt habe, weil es

meiner Art entspricht, die Dinge differenziert darzustellen –,

(Zuruf von der SPD: Aha!)

dass die angesprochenen im Durchschnitt verringerten Studienanfängerzahlen ausschließlich auf die Studienbeiträge zurückzuführen seien. Ich frage Sie im Umkehrschluss: Warum haben in Nordrhein-Westfalen Hochschulen wie etwa Bochum oder auch Aachen steigende Studienanfängerzahlen und die Universität Mainz im Bundesland Rheinland-Pfalz, das sich vehement gegen Studienbeiträge ausspricht, sinkende Studienanfängerzahlen? Wenn das so monokausal wäre, wie Sie das öffentlich gerne vortragen, gäbe es hier offensichtlich andere empirische Fakten. Die Fakten sprechen aber eine differenzierte Sprache.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie haben doch selbst den Rückgang deutlich ge- macht!)

Deswegen sage ich hier noch einmal: Wer den Hochschulen eine vernünftige Perspektive geben will, muss auch den Mut aufbringen, einige Wahrheiten anzusprechen. Zu den Wahrheiten gehört auch, dass zusätzlich zum Zukunftspakt die Qualität der Lehre an den Hochschulen nur dann verbessert werden kann, wenn zusätzliche Mittel an die Hochschulen fließen. Wir haben den Mut gehabt, dafür die Voraussetzungen zu schaffen – im Interesse unserer jungen Menschen, damit sie bessere Ergebnisse erzielen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind in Nordrhein-Westfalen nach dem Zukunftspakt und dem Studienbeitragsgesetz mit dem Hochschulfreiheitsgesetz auf dem Weg, unsere Wettbewerbsposition nachhaltig zu stärken. Ich habe öffentlich auch hier im Landtag wiederholt dargelegt, dass wir uns auch bei steigenden Studierendenzahlen in Nordrhein-Westfalen nicht nach altem Strickmuster verhalten werden, indem wir Quantität ohne Qualität betrachten. Vielmehr wird Nordrhein-Westfalen mit Blick auf den Hochschulpakt, der von der Bundesbildungsministerin gegenwärtig mit den Länderwissenschaftsministern besprochen wird, und ergänzend zu dem, was wir bereits auf den Weg gebracht haben, seinen Teil dazu beitragen, dass die Hochschulen mit dieser Herausforderung nicht alleine gelassen werden, sondern dass im Gegenteil auch hier Lösungen dafür gefunden werden, dass sich über die Exzellenzinitiative in der Forschung und über den Hochschulpakt in der Qualität der Lehre an unseren Hochschulen etwas verändert.

Damit ist klar, meine Damen und Herren: Wir geben Freiheit, aber der Staat zieht sich nicht aus

seiner Verantwortung einer hinreichenden Finanzierung der Hochschulen zurück. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)