Protokoll der Sitzung vom 25.10.2006

Wir kommen sechstens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2485. Der Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/2738, den Antrag der SPD abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wer lehnt diese Beschlussempfehlung ab? – Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir sind damit am Ende der Abstimmung und kommen zu:

6 Jetzt erst recht! – ZVS nicht abschaffen, sondern mit der Kompetenz aus NRW weiterentwickeln

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2716

Ich eröffne hiermit die Beratung und erteile Frau Kollegin Apel-Haefs das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir haben unserem Antrag zur Beibehaltung der ZVS den Satz vorangestellt: „Jetzt erst recht!“ Das bedarf einer gewissen Erläuterung.

Zu den vielen guten Argumenten, die schon bisher für die Beibehaltung der ZVS gesprochen haben, ist ein weiteres sehr gutes hinzugekommen: Die Hochschulen wollen sie selber. Genauer: Sie fordern eine bundesweite zentrale Servicestelle, die alle Studienplatzbewerbungen registriert und verwaltet. Für uns heißt es deshalb jetzt erst recht, unser erklärtes Ziel, die ZVS zu erhalten und neuen Anforderungen entsprechend zu reformieren, nicht nur beizubehalten, sondern heute noch einmal zu bekräftigen.

Wir haben Ende September unsere Zustimmung zum Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen gegeben – aus voller Überzeugung. Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, haben diesem Vertrag ebenfalls zugestimmt, allerdings sofort danach erklärt, dass er

für Sie nur eine Übergangssituation, sozusagen ein notwendiges Übel darstellt, das bis 2008 mit der völligen Freiheit der Hochschulen bei der Auswahl ihrer Studenten beendet werden soll.

Mir drängt sich jedoch zunehmend der Verdacht auf, dass die Hochschulen die Freiheit, die Sie meinen, gar nicht haben wollen – und zwar aus guten Gründen.

Die Hochschulen sind schon jetzt mit der Freiheit der Bewerberauswahl in den Numerus-claususFächern personell und organisatorisch überfordert. Das hat die Anhörung im letzten November ganz klar ergeben. Sie nutzen daher ihre Möglichkeiten zur Selbstauswahl noch nicht einmal zu 30 %.

Die Hochschulen haben darüber hinaus aufgrund der steigenden Anzahl von Doppelbewerbungen einen enormen finanziellen und personellen Aufwand. Die dadurch erforderlichen zeitaufwendigen Nachrückverfahren binden Ressourcen, die dann an anderer Stelle fehlen.

Die Hochschulkanzler haben deswegen auf ihrer Tagung am 28. September die Einrichtung einer bundesweiten zentralen Verwaltungsstelle für alle Hochschulbewerber gefordert. Wir wollen und wir werden die Hochschulen bei diesem Anliegen unterstützen. Was liegt da näher, als ein bereits bundesweit arbeitendes, gut funktionierendes System so weiterzuentwickeln, dass es den Serviceanforderungen der Hochschulen entsprechen kann?

Die Vorteile einer demgemäß reformierten ZVS für die Hochschulen sind evident: Entlastungen von administrativem Aufwand unter Beibehaltung der Freiheit, eigene standortspezifische Zulassungskriterien zu definieren. Dass ein solcher Service für die Hochschulen nicht kostenneutral sein wird, ist diesen bewusst und wird auch akzeptiert. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass die Grundfinanzierung der ZVS aus öffentlichen Mitteln zu erfolgen hat und dass die gerade erst im Staatsvertrag beschlossene Rechtslage Bestand hat.

Es ist so, dass die Hochschulen selbst erkannt haben, dass eine Veränderung der Rechtsform der ZVS keine substanziellen Veränderungen zugunsten der Hochschulen hervorbringen würde. In der Anhörung am 3. November letzten Jahres wurde geäußert, dass eine hoheitliche Beleihung hin zu einer einzelnen Hochschule oder einer privatrechtlichen Institution eigentlich nur den Ort des administrativen Aufwands ändern würde, aber zum Beispiel auch den Ort der Gerichtsfolgen. Das Bedürfnis der Hochschulen, dann auch mit

rechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Studienplatzvergabe belastet zu werden, halte sich jedoch in engen Grenzen.

Davon einmal ganz abgesehen: Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass in erster Linie der Staat die Verantwortung dafür trägt, dass nicht nur ausreichend Ausbildungsangebote an den Hochschulen für junge Menschen zur Verfügung gestellt und dass die Kapazitäten dort voll ausgeschöpft werden, sondern dass auch der Zugang zu ihnen so gerecht wie möglich erfolgt. Das setzt auch voraus, dass das Abitur seinen Wert als Nachweis der Studierfähigkeit behält.

Wir müssen die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen und sie auch auskömmlich finanzieren. Dass das gerade in den kommenden Jahren angesichts steigender Studentenzahlen keine leichte Aufgabe sein wird, ist uns allen bewusst. Auch deshalb brauchen wir eine ZVS.

Der Kollege Lienenkämper – er ist jetzt nicht mehr da – hat vorhin in einem anderen Zusammenhang gesagt: Keine Dummheit ist so groß, als dass sie sich durch Beharren nicht noch vergrößern ließe. Ich muss dem Kollegen Lienenkämper, obwohl er von der CDU ist, in diesem Fall Recht geben.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte Sie daher ermuntern, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Legen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab! Dann können Sie die Realitäten viel besser wahrnehmen. Drängen Sie den Hochschulen nicht weiter eine Freiheit auf, die diese so gar nicht wollen, sondern arbeiten Sie mit uns ganz pragmatisch daran, eine ZVS zu entwickeln, die den Hochschulen und den studierwilligen jungen Menschen auch wirklich hilft! – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Apel-Haefs. – Ich erteile für die CDUFraktion Herrn Kollegen Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Antrag anschaut und ihn mit einem anderen Antrag der SPD zum Thema ZVS vergleicht, muss man sagen: Der SPD fällt wirklich nichts Neues ein. Denn diese beiden Anträge sind fast wortgleich.

(Karl Schultheis [SPD]: Sind ja auch beide richtig!)

Der einzige Unterschied, Herr Kollege Schultheis, ist: Jetzt steht drin: „Jetzt erst recht!“ – Wie Sie, Frau Kollegin Apel-Haefs, gesagt haben, bezieht sich das auf die neue Situation.

Der einzige wesentliche Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Antrag ist, dass in der zweiten Forderung, die Sie in dem Antrag niedergeschrieben haben, steht, die Reform solle in Zusammenarbeit mit den Hochschulen und nicht nur mit den anderen Ländern vorangebracht werden. Das muss man sich einmal klarmachen: Im alten Antrag kamen die Hochschulen gar nicht vor. Da sollten nur die Länder, die Regierung, die Politik alles bestimmen. Das offenbart in bester Art und Weise das staatliche Obrigkeitsdenken der SPD in diesem Zusammenhang. Jetzt erst bringen Sie die Hochschulen hinein. Wir haben an dieser Stelle schon immer an die Hochschulen gedacht.

Ja, es gab am 3. November letzten Jahres hier im Landtag eine Anhörung zu diesem Thema. Diese Anhörung hat uns in unserer Meinung bestärkt.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Denn die Stellungnahmen der Sachverständigen in der Anhörung haben deutlich gemacht, dass die derzeitigen staatlichen Steuerungsinstrumente wie ZVS und Kapazitätsverordnung für die Qualitätssicherung und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hochschulen nicht ausreichen. Wir werden daher alles dafür tun, die bürokratischen Hindernisse für eine verbesserte Studienplatzvergabe aus dem Weg zu räumen.

Unser Ziel ist es, die Auswahlverfahren in die Verantwortung der Hochschulen zu legen. Hochschulen sollen ihre Studenten und Studentinnen selbst aussuchen. Studentinnen und Studenten sollen an die Hochschulen ihrer Wahl gehen können. Die bisherigen Regelungen schränken die Freiheit von Studenten und Hochschulen in unnötiger Weise ein. Das wollen wir nicht mehr aufrechterhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

In ihrer jetzigen Form ist die ZVS nicht zukunftsfähig. Darum fordern wir auch die Abschaffung ihrer bisherigen Form. Die SPD meint dazu aber: keine Abschaffung der staatlich organisierten Verteilung. Sie mahnen also eine „SPD-ZVS“ an. Da tun sich die Unterschiede auf.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist aber sehr platt, Herr Kollege!)

Das ist der Unterschied. So haben Sie eben ar

gumentiert. Das ist an der Stelle eine unehrliche Argumentation.

(Ralf Jäger [SPD]: Das ist hanebüchen!)

Die Koalition der Erneuerung wird sich auf der Bundesebene dafür einsetzen, dass die Aufgabenstellung der ZVS dahin gehend verändert wird, dass sie zur Entstaatlichung und Entbürokratisierung des Hochschulzugangs beiträgt. Die ZVS soll ein Dienstleister für die Hochschulen sein und kein bürokratisches Monstrum zur staatlichen Verteilung junger Menschen. Und das ist sie: Die Menschen werden verteilt.

Die herkömmliche Praxis der Regelung des Hochschulzugangs ist mit dem Ziel der Hochschulfreiheit, dem wir in NRW durch die Verabschiedung unseres Hochschulfreiheitsgesetzes eben ein großes Stück näher gekommen sind, nicht vereinbar. Wir sind dezidiert der Auffassung, dass die derzeitige Kapazitätsverordnung nicht den Qualitätsanforderungen an Forschung und Lehre angemessen ist, denn sie behindert den Wettbewerb um wissenschaftliche Exzellenz und um die besten Studierenden.

Durch den neuen Staatsvertrag zur Hochschulzulassung der 16 Bundesländer sind nun die Voraussetzungen für die seit Langem überfällige Neuorganisation der ZVS geschaffen. Die ZVS kann nun in eine Serviceeinrichtung für Studienbewerber und Hochschulen umgebaut werden. Vielleicht kommen wir uns an der Stelle näher und streiten uns dann nicht ums „Wording“.

Wünschenswert wäre eine Überführung der ZVS, die im Augenblick noch eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, in eine andere Rechtsform. Dies entspräche am ehesten den Anforderungen an den Dienstleistungscharakter der ZVS, den wir erwarten. Eine ZVS etwa in privatrechtlicher Rechtsform, auch unter der Trägerschaft der Länder und/oder der Hochschulen, könnte zur Entbürokratisierung entscheidend beitragen. Dies käme auch den Hochschulen und den Studierenden zugute.

Deswegen betrachten wir den jetzigen Zustand als Zwischenschritt auf dem Weg zum eigenständigen Auswahlverfahren durch die Hochschulen selbst. Die Hochschulen werden es auch wollen; das werden Sie sehen. Dabei kann eine neue ZVS gerne Dienstleister der Hochschulen sein, wenn diese es wünschen – und sie werden es wünschen. Die „Kinderlandverschickung“ wird aber ein Ende haben. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Brinkmeier. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte die politische Debatte über die Abschaffung der ZVS, die wir hier seit vielen Jahren in verlässlicher Regelmäßigkeit immer wieder zelebrieren, für eine Scheindebatte. Auch Nordrhein-Westfalen ist doch an die Verfassung gebunden, wenn es darum geht, Studienplatzkapazitäten für möglichst alle Hochschulzugangsberechtigten vorzuhalten. Weil der Hochschulzugang unter staatlichem Schutz steht, muss es auch eine durch den Staat beauftragte Stelle oder Behörde geben, die die Verteilung der NC-Studienplätze im Sinne des Gesetzgebers organisiert und quasi den Mangel verwaltet.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Herr Minister Pinkwart, so haben Sie auch selber argumentiert, als Sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom 6. November 2005 resümierten, am Ende des Prozesses werde es eine Nachfolgeorganisation der ZVS als Serviceeinrichtung für die Hochschulen und die Studierwilligen geben.

Genau das haben wir doch immer gesagt! Was ist denn der Unterschied?

(Christian Lindner [FDP]: Das haben wir ge- nauso gesagt!)

Deswegen habe ich das Ganze ja als Scheindebatte bezeichnet. – In Ihrer Antwort heißt es wörtlich:

„Nach dem Beschluss der Amtschefkonferenz der KMK vom 17. November 2005 soll die ZVS in eine andere Rechtsform mit verändertem Aufgabenspektrum überführt werden. Diese Clearingstelle“