Auch das Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft, auch das macht sich nachdrücklich negativ bemerkbar, wie Ihnen unter anderem der CDUBürgermeister Napp in Neuss immer wieder bestätigt, wenn er darauf hinweist, welche Folgen dies für das Bauträgergeschäft, für die Kommunen und für die Stadtentwicklungspolitik hätte.
Damit sind wir an einem Punkt, der im Moment etwas neben der öffentlichen Aufmerksamkeit liegt, den ich aber wieder ein wenig in den Fokus stellen möchte, nämlich der Frage: Was bedeutet der LEG-Verkauf für die Stadtentwicklung, was bedeutet er für eine humane Entwicklung von Städten in Zeiten des demografischen Wandels, ein riesiges Problem insbesondere im Ruhrgebiet, und was bedeutet es, wenn wir in Stadtbezirken, in denen die Integration ein besonderes Problem ist, weniger steuernd eingreifen können? Private werden das nicht in der gleichen Form tun wie die LEG.
Was bedeutet der LEG-Verkauf nun insbesondere vor dem Hintergrund der sinkenden Realeinkommen? Wenn Sie keine öffentliche Wohnungswirtschaft mehr haben, weil Sie die LEG verkaufen, können Sie auch keine soziale Stadtentwicklungspolitik mehr durchsetzen. Deshalb dürfen Sie auch nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, als könnten Sie Stadtentwicklungspolitik mit privaten Unternehmen noch ansatzweise so machen wie vorher mit öffentlichen Unternehmen.
Das ist eine der Lebenslügen, an denen Sie sich messen lassen müssen und die Ihr Ministerpräsident in Berlin vorgeblich permanent bekämpft, während er sie hier mit Ihnen zusammen konstruiert. Ich bedaure ausdrücklich, dass der Ministerpräsident bei dieser Debatte über eine so weitreichende Entscheidung, die Sie einleiten, fehlt.
Wir wollen nicht verkaufen, Herr Wittke. Sie wollen verkaufen und hängen sich ein soziales Mäntelchen um, das Sie ausweislich Ihrer Politik überhaupt nicht verdient.
Wenn Sie vom sozialen Gewissen NRW reden, wie das Herr Rüttgers gestern getan hat, und gleichzeitig eine solche Maßnahme einleiten, sehe ich darin, gelinde gesagt, einen Widerspruch, einen Unterschied zwischen Reden und Handeln.
Ich glaube, dass Sie sich noch einmal intensiver mit den Stellungnahmen, die ich eben schon angesprochen habe, beschäftigen müssen.
Ich will Ihnen zunächst eine, nämlich die des Städtetags, vorlesen. Der Städtetag hat auf die Bedeutung der LEG-Wohnungsbestände hingewiesen und insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dass es für einkommensschwächere Haushalte in größeren Städten enorm wichtig ist, dass es weiterhin öffentlichen Wohnungsbestand gibt. Deswegen hat sich der Städtetag gegen den Verkauf der LEG gewandt.
„Wir haben das Kabinett um Ministerpräsident Rüttgers mehrfach auf die Gefahren hingewiesen, die sich bereits mittelfristig aus städtebaulicher Sicht aus einem solchen Paketverkauf ergeben können.“
Die Betriebsräte haben sich ebenfalls – auch vor dem Hintergrund Ihrer neuerdings bekannt gewordenen Absichten bei der sogenannten Sozialverträglichkeit – massiv gegen einen solchen Verkauf ausgesprochen. Es waren übrigens auch Betriebsräte privater Unternehmen wie etwa der Deutschen Annington dabei.
Meine Damen und Herren, wer wie Sie diesen Verkauf einleitet, geht den falschen Weg. Er zerschlägt ein Unternehmen, das ansonsten gesund ist. Die Mär von einem ungesunden Unternehmen mit mangelnder Eigenkapitalausstattung ist nichts anderes als eine dieser vorgeblichen Begründungen, die Sie immer wieder neu erfinden, um diesen Prozess einzuleiten.
Das Unternehmen LEG hat im Jahr 2005 den seit vielen Jahren höchsten Jahresüberschuss erzielt – zum Teil deswegen, weil Sie im Jahr 2004 mit gewissen Abgrenzungstricks den Jahresüberschuss gesenkt haben. Aber es hat einen Überschuss. Es
ist nicht so, dass alle privaten Unternehmen mit Eigenkapital um sich werfen könnten. Die Investitionen dieser Unternehmen sind vielmehr weitgehend fremdfinanziert. Das lohnt sich zurzeit, weil die Zinsen so niedrig sind.
Einen Punkt möchte ich noch einmal hervorheben. Auf der Strecke geblieben sind Ihre gesamten Zusagen für Mieterinnen und Mieter; sie sind nichts wert. Es gibt keine Stelle – die Kollegin hat zu Recht darauf hingewiesen –, bei der die Mieter die Zusagen durchsetzen können. Ich frage Sie ganz deutlich: Wenn einer der von Ihnen vorgegebenen Sozialstandards nicht eingehalten würde, werden Sie dann die Wohnungen zurücknehmen, werden Sie sich für die Mieterinnen und Mieter darum kümmern, dass deren Rechte gewährleistet bleiben, oder wie wollen Sie das in Zukunft machen?
Also: Das ist nichts anderes als eine vorgegebene Sozialverträglichkeit, eine Sozialverträglichkeit als Luftbuchung, die es in der Praxis nicht gibt. Weil das so ist, müssen Sie sich auch daran messen lassen, dass der Rest, der sich fachlich damit beschäftigt, Ihnen das um die Ohren schlägt. Es gibt nicht eine einzige ernst zu nehmende Stelle in der gesamten Fachszene, die Ihre Pläne goutiert, für richtig hält und auf den Weg bringen will – ganz im Gegenteil.
Zusammengefasst: Lebenslügen werden an vielen Stellen produziert. Eine der größten wird über den Verkauf der LEG, einen Verkauf, der sozialverträglich sei und die Mieterinnen und Mieter nicht negativ betreffe, in diesem Haus konstruiert. Wer in Berlin zu Recht gegen die Kanzlerin zu Felde zieht, aber in Nordrhein-Westfalen so etwas veranstaltet, weil er sich mit einer real existierenden neoliberalen FDP auseinandersetzen muss, baut sich eine Lebenslüge, die wir ihm nicht durchgehen lassen werden. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Rasche das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Grund für die Position der Koalition zur LEG ist die Finanzsituation des Landes. Die Schulden sind zwischen 1995 und 2005 von 60 auf 113 Milliarden € gestiegen. Täglich werden 13 Millionen € für Zinsen aufgewendet. Diese Schuldenpolitik zulasten der künftigen Generationen hat die neue Koalition beendet.
Wir wollen die Kreditaufnahme von Jahr zu Jahr reduzieren. Ziel ist ein verfassungskonformer Haushalt in dieser Legislaturperiode beziehungsweise langfristig ein ausgeglichener Haushalt.
Bei einer solchen Finanzpolitik ist das Land dazu gezwungen, sich auf seine Kernaufgaben zurückzuziehen. Es stellt sich also die Frage: Gehören die rund 96.000 LEG-Wohnungen zu den Kernaufgaben des Landes oder nicht? Da sich der Wohnungsmarkt gegenüber den vergangenen Jahrzehnten in Nordrhein-Westfalen weitgehend entspannt hat und sich schon jetzt rund drei Viertel des öffentlichen Wohnungsbaubestandes nicht im Eigentum des Landes befinden, sind wir der Auffassung, dass das öffentliche Wohneigentum nicht mehr zu den Kernaufgaben des Landes gehört.
In zahlreichen Gesprächen habe ich für diese grundsätzliche Position sehr großes Verständnis erfahren.
Ein weiterer Grund für den Verkauf ist der enorme Modernisierungsstau, den weder die hochverschuldete LEG noch das Land schultern kann. Der Verkauf steht seit der Existenz des Koalitionsvertrages fest. Die Frage ist beziehungsweise war: Wie verkaufen wir die LEG?
Es gibt sehr unterschiedliche Positionen in der sogenannten Fachwelt, meine Damen und Herren. Die eine Seite, wie zum Beispiel die Architektenkammer, spricht sich für den Verkauf in mehreren Teilen aus. Die andere Seite, wie zum Beispiel die Geschäftsführung der LEG, sagt: Zerschlagt um Gottes willen nicht die LEG. Wir sind für einen Verkauf im Ganzen.
Für die FDP und die Koalition standen zunächst folgende Ziele im Vordergrund: zum einen ein solider Verkaufserlös und zum anderen die Wahrung unserer Fürsorgepflicht gegenüber den Mieterinnen und Mietern und gegenüber den Mitarbeitern. Mehrfach habe ich für die FDP gesagt: Unser Ziel ist nicht der größtmögliche Gewinn. – Diese Aussage wurde durch das Eckpunktepapier, das das Kabinett am Dienstag beschlossen hat, eindeutig bestätigt. Von der Fachwelt ist sehr wohl zur Kenntnis genommen worden, dass die bundesweit höchsten Sozialauflagen festgelegt worden sind:
Der Blockverkauf an einen Käufer oder an ein Konsortium – da kann sich noch einiges bilden – entspricht der Empfehlung des Gutachtens der West-LB. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit unsere Ziele erreichen. Das ist entscheidend. Weniger entscheidend war die Grundsatzfrage „Verkauf in einem Block oder in Teilen“.
Die Reaktionen auf das Eckpunktepapier waren überwiegend positiv. Natürlich gab es auch Kritik. Mieterbund und Gewerkschaften traten durch ihre Kritik besonders hervor. Ein Kommentar in der „Rheinischen Post“ beschäftigt sich mit dieser Kritik:
„Die Sozialstandards, mit denen das Land Mieter und Mitarbeiter beim Verkauf der LEG schützen will, sind mehr als Kosmetik. Ihr Umfang übertrifft alles, was bei vergleichbaren Blockverkäufen in Deutschland je für die Betroffenen getan worden ist. Der kräftige Preisabschlag, den das Land dafür in Kauf nimmt, sichert unmittelbar Besitzstände von Mietern und Mitarbeitern. Das ist Mieterbund und Gewerkschaften leider nicht einmal einen Halbsatz wert. Stattdessen malen sie unbeirrt weiterhin den Heuschrecken-Horror an die Wand, machen die Mieter nervös“
(Hannelore Kraft [SPD]: Die brauchen sie nicht nervös zu machen, die sind schon ner- vös! – Zuruf von Norbert Römer [SPD])
„Auch Lobby-Arbeit kann man gut machen. Wenn man seine Forderungen im Rahmen des Möglichen hält und so tatsächlichen Einfluss behält. Diese Chance haben Mieterbund und Gewerkschaften in Sachen LEG bislang vertan.“
Die Koalition hat ihre Fürsorgepflicht für die Mieter und Mitarbeiter überaus ernst genommen; das belegen die Eckpunkte eindeutig. Wir werden auch im weiteren Verkaufsprozess sachliche Kritik ernst nehmen und mit den Kritikern reden, wenn sie an einer sachlich vernünftigen Lösung interessiert sind. Vielleicht überdenken Mieterbund und Gewerkschaften ihre Positionen.
Die Gewerkschaften, meine Damen und Herren, stellen beim Verkauf von großen Wohnungsbeständen Forderungen nach überaus hohen Sozialstandards, übrigens in einer sehr lauten und aggressiven Art und Weise. Am besten solle ganz auf Verkäufe verzichtet werden. Für die Gewerkschaften selbst gelten die eigenen Forderungen jedoch nicht. Noch im Jahr 2005 haben sie 20.000 Wohnungen ohne die Wahrung sozialer Standards verkauft.