Protokoll der Sitzung vom 20.12.2006

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 47. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zehn Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute zwei Geburtstagskinder unter uns. Frau Margret Gottschlich von der SPDFraktion wird heute 58 Jahre alt, und Herr Wilfried Grunendahl von der CDU-Fraktion wird heute 54 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen noch einen Hinweis zumTagesordnungspunkt „Qualitäten für Kinder und Jugendliche nach der Föderalismusreform sichern“ geben: Auf Antrag der antragstellenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben sich die Fraktionen entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung darauf verständigt, den vorgenannten Punkt von der Tagesordnung zu nehmen und ihn für die Plenarsitzung im Januar vorzusehen. Die bisherigen Tagesordnungspunkte 9 bis 11 werden entsprechend zu Tagesordnungspunkten 8 bis 10. Gibt es dazu Wortmeldungen oder Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Änderung der Tagesordnung beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

1 Gesetz zur Änderung des Haushaltsstrukturgesetzes 2006 und über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2006 (Nachtragshaushaltsgesetz 2006)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/2840

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 14/3070

zweite Lesung

dritte Lesung

Ich eröffne die Beratung und gebe für die SPDFraktion Frau Walsken das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In elf Tagen geht dieses Jahr zu Ende – Rüttgers „Jahr der Kinder“. Wenn wir zurückschauen, stellen wir fest: Es war das Jahr der Kürzungen bei den Kindern,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

der schlimmsten Kürzungen seit Langem, der Kürzungen bei denjenigen, die sich am wenigsten wehren können – bei den Kleinsten. Und gleichzeitig war es das Jahr der höchsten Steuereinnahmen seit Langem. Wir wissen heute sicher: Mehr als 2 Milliarden € sind zusätzlich in die Kassen unseres Landes gesprudelt, weil die wirtschaftliche Lage sich deutlich entspannt und verbessert hat. Rüttgers kürzt bei den Kleinen, den Jugendlichen und den Familien über 300 Millionen €, während er gleichzeitig 2 Milliarden € zusätzlich einnimmt. Das, meine Damen und Herren, ist das wahre Gesicht des selbst ernannten Sozialpolitikers Rüttgers.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist die echte, die lebensnahe Sozialpolitik der Damen und Herren aus CDU und FDP. Heute werden wir Sie an dem messen, was Sie wirklich tun. Hier und heute haben Sie letztmalig für dieses Jahr die Chance, Ihre Politik zu korrigieren. Noch ist es nicht zu spät.

Es gibt viele, die Sie in den letzten Wochen und Monaten gewarnt haben, den Landesjugendplan nicht zu kürzen, gewarnt haben, nicht durch zusätzliche Kürzungen in die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten einzugreifen. Genau das Gegenteil haben Sie getan. Gerade dort haben Sie mehr als 160 Millionen € weniger in die frühkindliche Erziehung und Bildung gesteckt. Es gab einen Aufschrei aus den Kommunen – wir können es seit Tagen in den Zeitungen lesen –, die die Lasten Ihrer Politik nicht weiter tragen können. Doch jetzt wurde sogar „von oben“ angewiesen, diese Lasten auf die Schultern der Eltern zu schieben. Das ist die Politik von CDU und FDP in diesem Land!

(Beifall von der SPD)

Wenn wir genauer hinschauen, dann sehen wir, dass einige Städte, insbesondere die mit Nothaushalten, gezwungen werden, ihre Elternbeiträge zum Beispiel bis zu 300 % wie in Gelsenkirchen, in Mönchengladbach oder in Köln zu erhöhen. Ich bin froh, meine Damen und Herren, dass diese Städte Ihnen auf der rechten Seite des Parlamentes jetzt die rote Karte zeigen und sich weigern, diesen Druck von oben an die Eltern weiterzugeben.

(Beifall von der SPD)

Gelsenkirchen ist an die Spitze getreten. Es werden weitere Städte folgen. Ich bin sicher: Das ist noch nicht das Ende.

Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um das Geld, auch wenn wir heute über den Nachtragshaushalt reden. Es geht auch um die Inhalte Ihrer Politik und ihre Auswirkungen.

Durch die Erhöhung der Elternbeiträge ist damit zu rechnen, dass Kinder vom Kindergarten abgemeldet werden. Das beeinträchtigt die Lebenschancen von Kindern, denn – ich denke, das musste auch Ihnen klar sein – je früher Bildung beginnt, umso größer sind die individuellen Vorteile für die spätere Kinderbiografie.

Wer das „Jahr des Kindes“ nur auf die Schule reduziert, unterliegt einem fundamentalen programmatischen Irrtum, der durch alle internationalen Studien eindrucksvoll widerlegt wurde.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Kinder, meine Damen und Herren, lernen von Geburt an. Das ist die entscheidende Basis. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen aus CDU und FDP, ist Ihr Politikansatz unsozial.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn wir einen Moment innehalten und noch einmal an den schrecklichen Tod des vernachlässigten kleinen Jungen in Thüringen denken, dann sehen wir das auch hier. Die Verbände beklagen – Gott sei Dank – deutlich den Kollaps des Kinderschutzes, weil die Investitionen in das Kinder- und Jugendhilfesystem auch in diesem Lande fehlen. Genau an dieser Stelle sind sie aber nötig. Die Prävention ist der einzige Weg, Vernachlässigung, Verwahrlosung, aber auch Misshandlung von Kindern gar nicht erst entstehen zu lassen.

Wir wissen: Oft sind es die Eltern, die überfordert sind. Drogen- und Alkoholabhängigkeit sind häufig genannte Ursachen. Aber, meine Damen und Herren, genau hier haben Sie im Haushalt 2006 gekürzt: bei der Bekämpfung von Sucht, bei den Beratungsstellen „Frauen und Gesundheit“, bei den regionalen Arbeitsstellen, bei aufsuchender Hilfe und in der Familienhilfe und der Familienbildung.

(Minister Armin Laschet: Stimmt doch gar nicht!)

Meine Damen und Herren, das war falsch. Diese Landesregierung handelt unsozial. Sie enttäuscht die Menschen in diesem Lande.

(Beifall von der SPD)

Deshalb sagen wir deutlich: Diese Koalition ist eine Koalition der Täuschung, aber auch der Enttäuschung.

(Beifall von der SPD)

Wer Prävention will, darf nicht die Familienhilfe kürzen. Wer Sozialpolitiker sein will, kürzt nicht bei der Drogenberatung. Wer das „Jahr des Kindes“ proklamiert, darf in diesem Jahr nicht 20 Millionen € bei der Kinder- und Jugendarbeit kürzen. Meine Damen und Herren, das sind 1 % der Steuermehreinnahmen in diesem Jahr. 1 % von 2 Milliarden €!

(Beifall von der SPD)

Ich sage deutlich für die SPD-Fraktion: Wir sind bereit, das mit Ihnen heute noch zu korrigieren. Wir sind bereit, aus der Summe der Steuermehreinnahmen 20 Millionen € in die Hand zu nehmen und sie gezielt nicht in den Schuldenabbau zu stecken, sondern in die Zukunft unserer Kinder zu investieren, meine Damen und Herren. Dazu sind wir bereit!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und da lasse ich mir sehr gerne von Finanzpolitikern vorhalten, wir wollten ja nur mehr Geld ausgeben. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz bewusst: Eine Investition in die Zukunft unserer Kinder ist nachhaltiger als eine bloße Investition in den Abbau von Schulden. Das ist uns wichtig, meine Damen und Herren. Dazu fordern wir Sie auf. Deshalb werden wir diesen Nachtragshaushalt ablehnen und sie ständig daran erinnern, wie unsozial Ihre Politik ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Danke schön, Frau Walsken. – Für die CDU spricht nun der Kollege Klein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach langen Regierungsjahren vor allen Dingen auch der sozialdemokratischen Partei war Nordrhein-Westfalen doch das Land, wo diejenigen, die nicht aus dem richtigen Elternhaus kamen, die schlechtesten Chancen gerade im Bildungswesen hatten.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen wundert mich der Beitrag von Frau Kollegin Walsken nun sehr.

(Gisela Walsken [SPD]: Danke! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich glaube, dass wir den größten Erfolg genau für die Zielgruppe, für die Frau Kollegin Walsken gerade vorgegeben hat, 20 Millionen € einsetzen zu wollen, dadurch erzielt haben, dass der Unterrichtsausfall in diesem Land bereits im Jahr nach der Regierungsübernahme halbiert werden konnte.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen und Zu- rufe von der SPD)

Das hilft den jungen Menschen. Wenn darüber hinaus noch festzustellen ist, dass die Zahl der Arbeitsplätze steigt und dass die Nettokreditaufnahme sinkt, dann verstehe ich den Ärger, der aus den Worten meiner Vorrednerin spricht, aber ich sehe darin vor allen Dingen eine Freude und einen Erfolg für unser Land Nordrhein-Westfalen.

(André Stinka [SPD]: Aber nicht auf Ihrem Fundament!)

Jahrelang hat sich Nordrhein-Westfalen gefürchtet