Protokoll der Sitzung vom 20.12.2006

Sie von der SPD-Fraktion halten dem Finanzminister vor, dass er sich arm rechne. Sie werfen ihm auch noch vor, dass die Steuermehreinnahmen bei 1,48 Milliarden € lägen. So durften wir es jedenfalls im „Kölner Stadt-Anzeiger“ lesen.

(Zuruf von der SPD)

Das ist Ihre Ansicht, die die Experten nicht teilen. Wir glauben an dieser Stelle eher den Experten als denen, die es über Jahrzehnte nicht hinbekommen haben.

(Beifall von FDP und CDU)

NRW leidet unter der angespannten Finanzlage. Ein Schuldenberg von über 113 Milliarden € verdeutlicht, dass unsere Handlungsfähigkeit leider sehr begrenzt ist. Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, werfen uns vor, dass wir eine unsoziale Haushalts- und Finanzpolitik betreiben.

(Ursula Meurer [SPD]: Ja!)

Sie fordern, dass ein Teil der Steuermehreinnahmen nicht zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung verwendet werden soll, sondern für die Finanzierung von Programmen zum Wohle unserer Bürger beziehungsweise unserer Kinder.

(Gisela Walsken [SPD]: Ein Prozent davon!)

Sie glauben anscheinend immer noch, dass NRW handlungsfähiger ist, als es in der Realität der Fall ist. Diesem Gedanken können wir jedenfalls nicht folgen. Wir sind der Ansicht, dass wir die günstige Situation der Steuereinnahmen dazu nutzen müssen, um die Schuldenlast zu senken, die im Moment 6.270 € je Bürger in unserem Land beträgt.

(Heike Gebhard [SPD]: Warum gestehen Sie das den Kommunen nicht zu?)

Wir möchten dauerhaft für zukünftige Generationen Handlungsspielräume schaffen, statt kurzfristig zu konsumieren. Man kann auch sagen: Natürlich möchte man gerne die dicke Torte essen. Aber wir nehmen den Blechkuchen, damit wir uns diesen auch noch auf Dauer leisten können, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Es ist sicher unstrittig, dass wir bei diesen Sparmaßnahmen Opfer bringen müssen. Wir haben Einsparungen im Haushalt 2006 vorgenommen, die auch wir gerne so nicht vorgenommen hätten, wenn wir mehr Möglichkeiten gesehen hätten. Aber wir glauben, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.

Sie von der SPD dagegen sind die Einzigen, die sich an einer strikten Haushaltskonsolidierung nicht beteiligen. Die Grünen machen wenigstens noch Einsparvorschläge. Aber ich frage Sie allen Ernstes: Wo wollen Sie denn eigentlich einsparen? Sie kennen immer nur eines: mehr ausgeben, mehr in den Umlauf bringen. Sie haben immer noch nicht verstanden, dass Keynes schon lange tot ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir sind mit dem Nachtragshaushalt sicherlich noch lange nicht über den Berg. Mehrere Kennzahlen verdeutlichen uns, dass wir zwar Fortschritte erzielt haben, aber noch harte Arbeit vor uns liegt, um den Haushalt zu sanieren.

So erfreulich es auf der einen Seite ist, so alarmierend ist es auf der anderen Seite, dass wir 280 Millionen € weniger in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssen als veranschlagt. Wir müssen in diesem Jahr voraussichtlich 345 Millionen € in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Nach Auskunft des Finanzministeriums belegen wir damit Rang 5 der fünf Geberländer. Wir hinken der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland leider immer noch hinterher. Die Arbeitslosigkeit ist unter eine Million gefallen. Der Trend zur sinkenden Arbeitslosigkeit ist da. Eine

Arbeitslosenquote von 10,6 % ist uns aber immer noch viel zu hoch.

Wir begrüßen als FDP daher ausdrücklich die Maßnahmen, die sich auf die Minderausgaben im Haushalt beziehen. Die Haushaltsumschichtungen erfolgen haushaltsneutral. Das ist begrüßenswert. Sie gefährden den Konsolidierungszweck nicht.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz ein Wort zu den Schulden verlieren. Neben NRW kämpfen auch andere Länder und kämpft der Bund mit massiven Schuldenproblemen. Die MaastrichtKriterien konnten mehrere Jahre lang nicht eingehalten werden. In diesem Jahr werden wir die Maastricht-Kriterien zum ersten Mal wieder einhalten. Das ist erfreulich.

(Beifall von der FDP)

Die Schuldenentwicklung der öffentlichen Haushalte in den letzten Jahren ist sehr bedenklich. Eine Debatte um strengere Verschuldensregeln ist mittlerweile aufgrund unserer Initiative nicht nur hier im Landtag entfacht worden. Sie ist länderübergreifend ein Thema. Wir begrüßen, dass die Finanzminister von Bund und Ländern übereingekommen sind, für öffentliche Haushalte strengere Verschuldensregeln zu schaffen.

Anfang des Jahres 2007 wollen die Finanzminister über Vorschläge zur Einführung einer gesetzlichen Schuldenbremse beraten. Das halten wir für sehr gut. Wir sind der Ansicht, dass neben der Einführung von Verschuldensregeln auch die Finanzbeziehungen auf den staatlichen Ebenen neu geregelt werden müssen. In diesem Sinne sehen wir den Nachtragshaushalt 2006 als einen Zwischenschritt zu unserem Ziel einer Verabschiedung von der Nettoneuverschuldung an. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Orth. – Für die Landesregierung spricht nun Wirtschaftsministerin Frau Thoben in Vertretung für Herrn Finanzminister Linssen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mich nach 39 Jahren der Regierung in der Opposition wiederfände

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

seien Sie ganz ruhig, Frau Kraft – und dann Mitglied der SPD-Fraktion wäre,

(Ralf Jäger [SPD]: Wir nehmen nicht jeden auf! Nicht jeden! – Weitere Zurufe von der SPD)

müsste ich heute mit drei Zitaten beginnen. Das erste lautet sinngemäß: Was hat das arme Kind von heute von einem zukünftig ausgeglichen Landeshaushalt? – So sagte Herr Schartau. Dass er mit dieser Auffassung nicht alleine ist, unterstreicht Frau Walsken heute. Sie können überhaupt nicht in Generationengerechtigkeit denken. Das ist Ihnen fremd.

(Beifall von CDU und FDP)

Das zweite Zitat lautet: „Es wäre ein Treppenwitz, wenn wir aus der Kohle springen, wo es sich fast wieder lohnt.“ – So sagte Herr Müntefering gestern.

(Ralf Jäger [SPD]: Wenn der Herr Linssen nicht da ist, wird es nicht besser!)

Das dritte Zitat kann ich Ihnen nicht ersparen: Die Erde ist eine Scheibe. – Passen Sie auf, dass Sie Desinformation nicht zu Ihrer Kernkompetenz entwickeln!

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren! Ich bin Mitglied der Landesregierung

(Gisela Walsken [SPD]: Es ist doch schade, dass Herr Linssen krank ist! Verdammt schade! Das tut mir richtig leid!)

und vertrete heute den Finanzminister gern. Er ist Hort von Solidität und Nachhaltigkeit.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Anlass für die Einbringung des Nachtraghaushalts 2006 waren zwangsläufige, weil rechtlich verpflichtende Mehrausgaben in Höhe von insgesamt 120 Millionen €. Gleichzeitig wurden Haushaltsverbesserungen aus Steuermehreinnahmen und Minderausgaben im Rahmen des Länderfinanzausgleichs etatisiert, soweit sie zum Zeitpunkt der Einbringung absehbar waren. Der Nachtrag folgt dem strikten Konsolidierungskurs der Landesregierung und orientiert sich an folgenden Leitlinien:

(Ralf Jäger [SPD]: Ist das jetzt die Rede von Herrn Linssen, ja?)

Zwangsläufige Mehrausgaben werden in vollem Umfang durch Minderausgaben bzw. durch nichtsteuerliche Mehreinnahmen gedeckt. Steuermehreinnahmen und Minderausgaben beim Länderfinanzausgleich werden vollständig zur Absenkung der Nettoneuverschuldung eingesetzt.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Wir haben die Haushaltsverbesserungen entsprechend von insgesamt 1,48 Milliarden € in vollem Umfang für die Reduzierung der Neuverschuldung verwendet. Diese sinkt dadurch von gut 5,6 Milliarden € auf gut 4 Milliarden €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie alle wissen: Bei der Kalkulation der Steueransätze handelt es sich um Schätzungen. Dies bedeutet: Den einen richtigen Ansatz gibt es nicht. Vielmehr muss eine Risikoabwägung vorgenommen werden.

In seinem Ende Oktober veröffentlichten Bericht legt der Bundesrechnungshof der Bundesregierung nahe, nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre Sicherheitsabschläge von den Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vorzunehmen. Für ein einzelnes Land können Korrekturen darüber hinaus aus den unterschiedlichsten Gründen geboten sein.

(Ralf Jäger [SPD]: Sehr leidenschaftlich!)

Dafür aber sachgerecht! – Im Finanzbericht Nordrhein-Westfalen sind diese Zusammenhänge seit Jahren unverändert detailliert dargestellt.

(Ralf Jäger [SPD]: Gruß an Herrn Linssen! Gute Rede!)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Seiten A 31 ff. des Berichts 2007. Die Landesregierung stimmt insgesamt den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs zu und hat sich daher für vorsichtige Haushaltsansätze entschieden.

Die in den vergangenen Wochen und Monaten von den Oppositionsfraktionen inszenierte Diskussion um die Höhe des Steueransatzes halte ich für ein Scheingefecht. Es soll von den wahren Problemen des Landeshaushalts ablenken. Das sind in erster Linie die in den vergangenen Jahrzehnten aufgehäuften Schulden und die daraus resultierende Zinsbelastung von zurzeit 4,7 Milliarden € jährlich. Zinsen!