Protokoll der Sitzung vom 20.12.2006

(Beifall von der CDU)

Zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit gab es auch viel Kritik. Von Ihrer Seite, Herr Schmeltzer, hätte ich gerne noch einmal gehört, was Sie dem Bundesarbeitsminister – Sie hatten ihn ja gestern zu Gast in Ihrer Fraktion – an die Hand gegeben haben, was er auf Bundesebene einleiten soll, damit der Arbeitsmarkt flexibler wird und damit Langzeitarbeitslose auch wirklich Chancen haben, in den ersten Arbeitsmarkt hineinzukommen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das werde ich Ih- nen auf die Nase binden!)

Von Ihren Ideen, das Problem Arbeitslosigkeit strukturell anzugehen, ist noch nicht viel in die Bundespolitik eingeflossen.

Frau Steffens hatte wieder den alten Hut mit der Ausbildungsplatzabgabe.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das war doch nur ein Beispiel!)

An neuen Ideen habe ich nicht so viel mitbekommen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Von Ihnen habe ich noch nie eine Idee gehört!)

Ein Schwerpunkt der schwarz-gelben Arbeitsmarktpolitik ist der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Dabei kommt der Schaffung von Arbeitsplätzen bekanntlich eine zentrale Rolle zu. Denn ohne Ausbildung haben Jugendliche immer seltener eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Die Folgen der Jugendarbeitslosigkeit kennen wir zur Genüge. Hier wird oftmals die Grundlage gelegt für weitere Probleme, auch im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik. Dauerhafte Arbeitslosigkeit stellt eine große Belastung für seelische und körperliche Gesundheit dar. Nur wenn sinnvolle Aufgaben vorhanden sind, haben die Jugendlichen den Eindruck, dass sie in der Gesellschaft wirklich gebraucht werden.

Arbeitslosigkeit erschwert gesellschaftliche Integration, ungeachtet aller Leistungen der Sozialsysteme. Dies zu ändern, sind alle Bereiche der Gesellschaft angesprochen. Gleichwohl ist die Politik hier besonders in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten und aktiv zu werden. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangegangen ist und 4.399 Ausbildungsplätze in 93 Ausbildungsberufen anbietet. Damit steht das schwarz-gelbe Bündnis besser da als die alte, die rot-grüne Landesregierung: Sie bietet 10 % mehr Ausbildungsplätze.

Obwohl bei der Zahl der Ausbildungsverträge in Nordrhein-Westfalen ein Plus von fast 5 % im Bereich der IHK und ein Plus von 3,5 % im Bereich des Handwerks zu verzeichnen ist, waren Ende September noch über 10.000 Jugendliche ohne Angebot. Bei der Hälfte handelte es sich um Altbewerber, die schon über Jahre in Schleifen „verwahrt“ wurden.

Diese Umstände erfordern es, auch neue Wege zu gehen. Jugendliche jahrelang ergebnislos in diesen Warteschleifen zu parken, entspricht nicht unserer Vorstellung für eine zukunftsorientierte Politik.

Aus diesem Grund hat die Landesregierung den Beschluss gefasst, das Sonderprogramm zur Förderung der Ausbildung aufzulegen – mit all den Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, dem Faktor Verdrängung zum Beispiel. Die Jugendlichen schließen mit den anerkannten Bildungsträgern einen Vertrag ab und erhalten eine Ausbildungsvergütung analog zum SGB III. Zur Finanzierung werden 90 Millionen € über drei Jahre – überwiegend ESF-Mittel, aber eben auch Landesmittel – bereitgestellt. Wie bereits gesagt, müssen wir aufgrund der reduzierten Fördermittel darauf achten, dass diese dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, und zugleich einen präventiven Beitrag zur Vermeidung von späterer Arbeitslosigkeit leisten.

Hinzuweisen ist darüber hinaus auf die Entwicklungsschritte hin zu einem dritten Weg der Berufsausbildung. Diese Ausbildungsvariante, die auf Modulen aufbaut, ermöglicht gerade Jugendlichen eine Ausbildung, die Probleme mit anspruchsvoller Theorie haben. Es ist von großer Bedeutung, dass Jugendliche messbare Erfolge zeitnah in Form eines Abschlusses erzielen, der ihnen je nach persönlicher Entwicklung den Zugang zu höher qualifizierten Ausbildungsgängen eröffnet. Ein anschauliches Beispiel auf diesem Weg liefert die erste Bilanz zum neuen Ausbildungsberuf des Kfz-Service-Mechanikers.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ein Dank an Ha- rald Schartau!)

Ja, auch Herr Schartau hat gute Dinge gemacht.

(Beifall von der SPD)

Herr Schmeltzer, es ist doch nicht so, dass die Landesregierung durchweg nur schlechte Politik macht. Die Debatte hier kommt häufig so unglaubwürdig draußen beim Bürger an, weil pauschal immer nur Kritik zu hören ist. Wenn es überhaupt Kritikpunkte gibt, dann werden die vom Gegenüber doch viel besser angenommen, wenn man sie mit den Pluspunkten der Politik verbindet, diese auch aufzeigt und nicht immer nur ein schwarzes Bild malt. Auf die Differenzierung kommt es an, und die wird gerade in diesem Parlament noch viel zu wenig erprobt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann kann man die doch hier auch erwähnen!)

Die Zahl der Auszubildenden bei diesem zweijährigen Ausbildungsgang des Kfz-Service-Mechanikers ist seit 2004 von 301 auf 476 gestiegen. Dieser Anstieg ist erfolgt und als Ermutigung zu werten, dass derartige Maßnahmen auch angenommen werden. Jugendliche, die die Prüfung bestehen, können die anderthalbjährige Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker absolvieren. Auf diese Weise werden berufliche Sackgassen verhindert.

Gleichzeitig wird die Bildung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit auch im höheren Lebensalter wichtig. Herr Tenhumberg hat die Bildungsschecks angesprochen, die wirklich eine Erfolgsgeschichte sind. Mehr als 40.000 Bildungsschecks wurden bis Ende Oktober vergeben. Das zeigt, dass dieses Mittel gut ankommt. Auch dafür werden hier im Land ESF-Mittel gut und sinnvoll verwandt.

Dieser Beitrag zur wachsenden Bedeutung des lebenslangen Lernens und zur Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe wird fortgesetzt. Diese Maßnahme ist ein wichtiger Schritt, um den in Zukunft drohenden Fachkräftemangel in einigen Branchen zu verhindern. Vor allem kleinere und mittlere Betriebe können davon profitieren.

Trotz aller Bemühungen ist leider noch immer ein großer Teil der Arbeitslosen dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Bei den Betroffenen handelt es sich vor allem um Menschen ohne Berufsausbildung, um ältere Menschen und um Menschen mit Behinderungen. Wir legen großen Wert darauf, dass diese Bürgerinnen und Bürger wieder aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt verdienen können. Deshalb betrachten wir die aktive Arbeitsmarktpolitik in erster Linie als Form der

Hilfe zur Selbsthilfe. Dagegen ebnet eine Mentalität, die allein auf staatliche Fürsorge setzt, den Weg in eine schleichende Bevormundung. Das Kombilohnmodell in NRW gibt diesen wenig qualifizierten, chancenlosen Menschen längerfristig die Möglichkeit, in der Gesellschaft wieder von Nutzen zu werden.

Diese konkreten Dinge hat die Landesregierung in der Arbeitsmarktpolitik eingesetzt. Wichtig sind die Rahmenbedingungen, die wir natürlich aus Berlin bekommen müssen. Das, was im Moment läuft – sei es die Mehrwertsteuererhöhung oder die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge –, schadet dem Arbeitsmarkt. Deshalb finde ich es wichtig, dass besonders auch die Opposition in Form der SPD, die sehr viel Kritik geübt hat, ihren Draht nach Berlin nutzt, um den Arbeitsmarkt in Europa wettbewerbsfähig zu machen. Davon sind wir aber noch ein gutes Stück entfernt. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Leitlinie für die Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen ist: Sozial ist, was Arbeit schafft und sichert.

Wir werden uns auch weiterhin auf die bereits im Koalitionsvertrag angelegten drei zentralen Felder der Landesarbeitsmarktpolitik konzentrieren.

Das erste Handlungsfeld ist die Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang in das Berufsleben, die Erhöhung der Ausbildungschancen und der Zahl der Ausbildungsplätze. Die Landesregierung unternimmt erhebliche Anstrengungen, unseren Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu geben. Aktuell kümmern wir uns um diejenigen Jugendlichen, die am Ende des Ausbildungsjahres 2005/2006, also am 30. September, noch unversorgt waren. Natürlich gehört in diesen Zusammenhang auch das Lehrstellenprogramm für 3.000 Lehrstellen, die wir zurzeit bei überbetrieblichen Trägern organisieren. Mein Haus wird noch in diesem Jahr all den Trägern, die sich um diese Ausbildungsplätze beworben haben, die Bewilligungsbescheide zusenden, sodass wir dann in den ersten vier Wochen des neuen Jahres sehen können, wie diese Stellen mit Lehrlingen beziehungsweise Auszubildenden besetzt werden.

Wahr ist auch – das wird ja von der Opposition kritisiert –, dass ein solches Programm nicht zum

Nulltarif zu haben ist. Es kostet 30 Millionen € pro Jahr. Da wir im Regelfall von drei Jahren Lehrzeit ausgehen müssen, sind hier 90 Millionen € gebunden. Das ist – das gebe ich zu – für die Verhältnisse einer Landesarbeitsmarktpolitik eine gewaltige Summe Geld. Aber ich glaube, in der jetzigen Lehrstellensituation für junge Leute ist das alles in allem richtig und gut angelegtes Geld.

Ich glaube auch, dass es richtig ist, ein Angebot zu schaffen, das zu einer Kammerprüfung führt. Wir haben viele Angebote im Übergang von Schule in Beruf, die auf eine Lehre hin qualifizieren sollen. Aber man muss sich einmal anschauen, was dann wirklich zur Kammerprüfung führt. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe an der Umsetzung dieses Programms viel Freude entwickelt, weil es nach meiner Meinung ein Programm mit Hand und Fuß ist, weil es für die jungen Leute letzten Endes mit einer Gesellenprüfung, mit einer Facharbeiterprüfung abschließt.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Wahrheit ist auch, dass zwei Dinge zusammengekommen sind. Das eine ist die Finanzierung dieses Programms. Herr Schmeltzer, ich gebe zu, dass das im Ausbildungskonsens geboren worden ist. Ich wette, wenn wir kein Lehrlingsprogramm gemacht hätten, würden Sie mich jetzt andauernd dafür angreifen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Klar!)

So ist das, wenn man in der Opposition ist. Jetzt machen wir ein solches Programm, jetzt werden wir auch angegriffen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein, das haben wir nicht! Dafür hat Sie keiner angegriffen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Dafür, wie Sie es machen!)

Da ich lange Oppositionspolitiker in Berlin war, weiß ich auch, wie Opposition tickt: Das ist immer so. Aber das Entscheidende ist, dass demnächst 3.000 Lehrlinge wissen, dass diese Landesregierung dafür gesorgt hat, dass sie einen Gesellenbrief bekommen können. Das ist mir viel wichtiger als das, was Sie hier dazu sagen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wahr ist auch,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war ja nicht wahr!)

dass wir uns in einem zeitlichen Fenster befinden: Die alte ESF-Förderphase läuft mit dem Förderjahr 2007 aus. Auf der einen Seite muss ich sicherstellen, dass wir das Geld in Nordrhein

Westfalen ausgeben können und es nicht an Europa zurückgeben müssen. Auf der anderen Seite muss ich mit dem Geld auskommen. Deswegen war es notwendig, im Zusammenhang mit diesem Ausbildungsprogramm einen Kassensturz zu machen und zunächst einmal Bewilligungen von Projekten auszusetzen.

Jetzt ist es so – Frau Steffens hat ja nach Zahlen gefragt –, dass wir, wenn der Haushalt 2007 freigegeben ist, rund 20 Millionen € an ESF-Geld im Land zur Verfügung haben, um diese Projekte nach und nach zu bewilligen.

Herr Minister.

Ich komme gleich dazu. – Es ist so, dass wir 19 Millionen € ESF-Mittel des Bundes bekommen haben. Das hängt damit zusammen, dass der Bund genau das gleiche Problem hat wie wir: Er muss die Mittel aus der alten Förderphase bis Ende 2007 ausgeben. Wenn er das nicht tut, muss er sie nach Europa zurückgeben. Der Bund sah sich nicht in der Lage, dieses Geld in 2007 auszugeben. Er hat es dann den Ländern angeboten. Unser Land hat zugegriffen, weil unsere Administration in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass diese 19 Millionen € in 2007 auch ablaufen.

Nehme ich beides zusammen, dann gehe ich davon aus, dass wir in den ersten zwei Monaten des kommenden Jahres, wenn der Haushalt freigegeben ist, die Projekte, soweit sie förderfähig sind, im Großen und Ganzen bewilligen können. Ich denke, das ist kurz vor Weihnachten eine wichtige Aussage auch noch einmal an die Trägerlandschaft in unserem Land.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: An die Menschen, die schon längst hätten drin sein sollen!)

Wir werden dabei auch darauf achten, dass diese Mittel regional gerecht verteilt werden.