Protokoll der Sitzung vom 21.12.2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese vorweihnachtliche Stunde eignet sich nicht so sehr, ins Detail zu gehen, sondern sie eignet sich vielmehr dazu, mehr im großen Rahmen auf die Finanzpolitik der letzten Monate zu schauen.

Dabei kann ich feststellen – wenn ich das einmal auf eine Kette aufreihe –, dass Sie sich zunächst mit Ihren ersten haushaltspolitischen Entscheidungen ziemlich frech über die verfassungsmäßigen Bestimmungen zum Aufstellen eines Haushalts hinweggesetzt haben. Das war Ihre große Leistung. Sie sagten: Wir kriegen eben keinen verfassungsgemäßen Haushalt hin, dann geht es eben nicht. – Das war schon ein sehr guter Einstand.

Dann haben Sie sich vor dem Hintergrund steigender Steuern erst einmal ein Bild von sich selbst gemalt, nämlich: Wir sind vorsichtige Kaufleute.

Als Sie dann schließlich merkten, dass das mit den steigenden Steuern wohl doch länger anhalten wird, sind Sie zu Ihrer zwischenzeitlichen Höchstform aufgelaufen, nämlich: Attacke auf Art. 109 und Art. 115 des Grundgesetzes! Weg mit diesen Verschuldungsprinzipien! Möglichst gar keine Regeln! Nebenbei haben Sie dem Land Berlin noch die Leviten gelesen, was denen denn wohl einfällt.

Dazu spreche ich eine dringende Warnung aus. Es gibt ja immer wieder Leute, die bei lang anhal

tendem Sonnenschein beschließen, die Winterbekleidung abzuschaffen. Ich rate Ihnen: Halten Sie sich noch einen Mantel im Schrank! Denn der hier gestern von Herrn Orth zum „eisernen Helmut“ ernannte Finanzminister wird seine äußerliche Erscheinungsform bei Regenwetter ziemlich schnell verändern. Rost glitzert dann nicht mehr so.

(Beifall von der SPD)

Aber eigentlich wollte ich doch zu ein paar Punkten etwas sagen, die mir zum Stil der Finanzpolitik aufgefallen sind.

Erstens. Dass Sie bei Ihren Sanierungs- und Sparbemühungen die Kommunen als Steinbruch nutzen, halte ich angesichts der Situation der Kommunen in diesem Land schon für ein tolles Stück.

(Beifall von der SPD)

Zweitens. Sie spielen – das kommt beim Stil hinzu – bei unangenehmen Entscheidungen über Vorbande. Davon haben wir einen leichten Vorgeschmack bekommen, als Sie das Thema Studiengebühren hier gefahren haben. Dafür haben nicht Sie selbst hinterher den Kopf hingehalten, sondern Sie haben das großzügig an die Unis delegiert, damit die den Ärger jetzt aushalten müssen.

(Christian Lindner [FDP]: Nein! – Gisela Walsken [SPD]: Ja, klar!)

Das nenne ich Politik über die Vorbande.

Drittens haben Sie bei der Kürzung der Gelder für die Kindergärten auch wieder nicht selbst den Kopf hingehalten, sondern in jeder einzelnen Kommune muss der Rat jetzt die Entscheidung treffen und den Kopf für das hinhalten, was Sie hier angerichtet haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Gisela Walsken [SPD]: So ist es!)

Jetzt komme ich zu einem der tollsten Stücke, und damit komme ich nur einmal auf ein Detail aus dem Einzelplan 20 zurück. Richtig wäre es gewesen, wenn Sie wenigstens bei den Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer dick und fett in den Haushaltsplan hineingeschrieben hätten, dass Sie sie ungern und widerwillig angenommen haben. Nach dem Theater, das Sie hier vorher zur Mehrwertsteuererhöhung abgezogen haben, hätte das mindestens außergewöhnlich einmal in den Haushaltsplan reingemusst. Nein, das wurde wie selbstverständlich vereinnahmt.

Vorher haben Sie den Bürgern und der Wirtschaft ja gesagt, wie schlimm das ist, wenn man diesen

Teil jetzt hier einbezieht. Statt diesen Teil direkt an die Leute wieder zurückzuführen

(Christian Lindner [FDP]: Wie das denn?)

und für Investitionen zu nutzen, für gezielte Investitionen in diesen Bereichen, oder diese Kürzungen im Kindergartenbereich als Erstes wieder zurückzunehmen, wird das natürlich einkassiert.

Jetzt komme ich zu Ihrem schönen Argument: Wir setzen jeden Cent für Entschuldung ein. Wissen Sie, was das ist? – Das ist das kollektive Angebot, sich zu exkulpieren, wenn man in fachlichen Diskussionen nicht mehr weiterkommt.

(Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Genau so!)

Dann haben Sie ein Band um alle geschlungen, an der Spitze Herr Klein, der es allen immer wieder eintrichtert, nachdem er sich dankend gegenüber Herrn Linssen geäußert hat.

(Allgemeine Heiterkeit)

Dann kann jeder einzelne Abgeordnete in irgendeinem Fachausschuss irgendwann, wenn er nicht mehr weiter weiß, sagen: Ja, wir müssen sparen. – Sie müssen das Maß finden zwischen Sparen und vernünftiger Sachpolitik,

(Beifall von der SPD)

und das haben Sie bisher nicht gefunden. – Schöne Weihnachten!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schartau. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Lienenkämper das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Mittagspausenbrecher! Ich muss sagen, nach dem bisherigen Verlauf der Debatte hat sich eines wieder ganz deutlich gezeigt, was wir eigentlich spätestens seit dem Wahlkampf 2005 wissen: Die SPD ist finanzpolitisch völlig konzeptionslos.

(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Jetzt kommt Ihr Konzept?)

Sie haben, liebe Frau Kollegin Walsken, hier so etwas wie eine Nullstrategie vorgetragen. Hätten Sie in Ihrer alten Arbeit die Nullnettoneuverschuldung zum Prinzip erhoben, dann hätten wir viele der Schwierigkeiten, die wir jetzt lösen müssen, nicht. Das haben Sie nicht getan, und zwar ganz bewusst nicht.

(Beifall von der CDU)

Wenn ich mir Ihre Deckungsvorschläge ansehe, dann ist das das alte System in Reinkultur. Ich bin da fast versucht, taktisch zu denken und zu fragen: Was passiert eigentlich, wenn wir Ihre Vorschläge bis zum Ende der Legislaturperiode umsetzen würden? Was würde dann passieren? – Dann würden Sie uns im nächsten Landtagswahlkampf vorwerfen, wir hätten finanzpolitisch versagt. Das würde passieren, und das lassen wir nicht mit uns machen.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie 340 Millionen € mehr an Steuereinnahmen etatisieren und die Nettokreditaufnahme nur um 240 Millionen € senken, meine Damen und Herren von der SPD, dann ist das schlicht und ergreifend das alte System.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema Wachstum sagen. Das war ja eine ganz interessante Debatte: Die Wirtschaftsministerin in Vertretung des Finanzministers war eigentlich ideal dafür geeignet, etwas zum Thema Wachstum zu sagen. „60 % Psychologie“, das ist natürlich – Kollege Schartau, trotz Ihrer Rechenversuche – völlig richtig. Ich sage Ihnen einmal einen ganz einfachen Satz, der in der Psychologie und auch in der Politik richtig ist: Haushaltskonsolidierung schafft Wachstum.

(Beifall von der CDU)

Haushaltskonsolidierung schafft Vertrauen in verlässliche Politik. Das ist das, was wir in NordrheinWestfalen tun. Und Sie machen das Gegenteil.

Unserem Finanzminister werfen Sie immer süffisant vor, es sei falsch, wenn er das Vorsichtsprinzip beim Ansetzen der Steuereinnahmen vertritt, und sagen, man müsse die Steuereinnahmen einfach viel höher schätzen. Sie sind das so gewohnt! Aber, meine Damen und Herren, seit Peer Steinbrück nicht mehr hier sitzt, sondern in Berlin und den Bundeshaushalt aufstellen muss,

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Ihren Bundes- haushalt! Sie sind mit in der Regierung!)

tut er da schlicht und ergreifend dasselbe. Da ist es richtig, hier ist es falsch – das müssen Sie mir irgendwann noch einmal ernsthaft erklären.

(Beifall von der CDU)

Dann zu den Grünen. Herr Sagel, ich gebe Ihnen ja zu: Das, was Sie an Deckungsvorschlägen geliefert haben, ist nachhaltiger als das, was die SPD vorgeschlagen hat. Trotzdem ist es falsch.

(Beifall von der CDU)

Ich gehe nur einmal auf das Prüfer-Argument ein. Sie sagen, 240 Millionen € an Steuermehreinnahmen sollten durch zusätzliche Prüfer realisiert werden. Das würde – ich will das einmal auf den Haushalt 2007 beziehen, weil wir über den ja reden – schon 2007 aus dem heiteren Himmel 1 Million € pro Prüfer mehr bedeuten. Selbst wenn das gelingen würde – das ist, das wissen Sie, schwierig genug –, dann müssten Sie immer noch den Länderfinanzausgleich und das GFG gegenrechnen. Dann wären Sie immer noch nicht bei Ihren 240 Millionen €. Ich habe das starke Gefühl, dass da Wunschdenken eine Rolle spielt. Vielleicht hat das mit der Weihnachtszeit auf Sie ja schon ein bisschen vorher abgefärbt. Da ist jedenfalls mehr Wunschdenken dabei als Realität.

(Beifall von der CDU – Rüdiger Sagel [GRÜ- NE]: Wie viel meinen Sie denn?)

Lieber Herr Kollege Sagel, das ist schon mehrfach gesagt worden: Wir sind froh, dass die vorgesehene Zahl der Betriebsprüfer von 3.555 noch vor Karneval erreicht werden wird. Das ist vernünftig und richtig, und das haben wir vorher so angekündigt.

Wir sind auch verlässlich, wenn wir Kommissionen einsetzen. Die Hartmann-Kommission beispielsweise hat hervorragende Ergebnisse wie das Projektbüro zur Haushaltskonsolidierung geliefert. Wenn wir die jetzt umsetzen, dann schaffen wir ein Stück Vertrauen. Das ist gut, vernünftig und verlässlich.

Nun sage ich Ihnen noch etwas zum Personaleinsatzmanagement. Ich habe immer das Gefühl, Sie vermuten, wir wollten auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung Personaleinsatzmanagement betreiben.

(Gisela Walsken [SPD]: Genau so ist es! Besser kann man es nicht formulieren!)