Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Sie setzen keine Schwerpunkte. Sie haben keinen Mut, zulasten von anderen Bereichen Gelder umzuschichten. Sie sparen an der falschen Stelle. Sie machen keine Haushaltspolitik für die Zukunft.

(Beifall von der SPD)

Ich fordere Sie heute im Namen meiner Fraktion noch einmal auf: Nehmen Sie 1 % von den 2 Milliarden € und halten Sie mit diesen 20 Millionen €

endlich die Zusage ein, die im Landesjugendplan gegeben wurde –

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

von uns allen hier im Saal, meine Damen und Herren. Halten Sie Versprechen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist das, was die Menschen von uns Politikern erwarten, Herr Ministerpräsident.

(Christian Lindner [FDP]: Wie war das denn mit der Mehrwertsteuer?)

Außerdem haben wir Einsparungen und Umschichtungen im Landeshaushalt zugunsten von Kindern und Bildung vorgeschlagen. Damit zeigen wir, dass wir in der Lage sind, klare Schwerpunkte zu setzen. Das ist auch unserer Fraktion nicht leicht gefallen. Man könnte ja dazu neigen, an vielen Stellen den einen oder anderen Antrag zu stellen, schon um draußen zu zeigen, dass man sich um die Dinge kümmert.

Wir haben uns als Fraktion aber verpflichtet, nur in diesem Bereich umzuschichten und Anträge zu stellen, meine Damen und Herren. Das ist klare politische Schwerpunktsetzung. Eine solche Politik müsste man von einer Landesregierung erst recht erwarten. Diese Erwartung erfüllen Sie aber nicht.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir über Umschichtungen bei den Mitteln für Kinder und im Bildungswesen sprechen, dann sprechen wir vom letzten Kindergartenjahr. Wir wollen, dass das letzte Kindergartenjahr als erster Schritt beitragsfrei wird. Herr Lindner, wie ich immer wieder lese, sind Sie da mit mir einer Meinung. Offensichtlich können Sie sich nur nicht durchsetzen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben das doch im- mer abgelehnt!)

Wir wollen die Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass Bildung nicht erst in der Schule anfängt. Weil wir den Experten, den Wissenschaftlern, zugehört haben, wissen wir, dass Bildung im Kindergarten beginnen muss. Und wenn Bildung dort beginnen muss und soll, müssen wir sicherstellen, dass alle Kinder da sind. Das heißt, es muss verpflichtend sein, und deshalb muss das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei sein. Das ist der richtige Weg.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir wollen, dass den Kindern geholfen wird, deren Defizite wir demnächst hoffentlich auch früher erkennen – Stichwort: sprachliche Frühförderung –, dann muss das im Kindergarten stattfinden.

(Ralf Witzel [FDP]: Warum haben Sie das denn selber nie gemacht, Frau Kraft?)

Herr Minister Laschet, Ihre Familienzentren sind eine gute Idee; völlig unbestritten. Aber glauben Sie ernsthaft, dass Sie mit einer Finanzierung von 1.000 € pro Monat die Ziele erreichen werden, die Sie damit erreichen wollen? Das wird doch nicht gelingen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben das alles beantragt, und Sie haben es abgelehnt.

Herr Ministerpräsident, Sie haben 2006 zum „Jahr des Kindes“ ausgerufen. Die Erwartungen, die Sie damit geweckt haben, waren groß. Umso größer war allerdings auch die Enttäuschung – die Enttäuschung über Ihre Sparpolitik gerade bei den Kindern. Wir alle sagen doch immer sonntags: Kinder sind die Zukunft unseres Landes. Wir müssen unser Land kinderfreundlicher machen, damit junge Menschen sich für Kinder und Familie entscheiden. Wir müssen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern, damit sich diese Lebensentwürfe nicht ausschließen, sondern ergänzen.

Aktuelle Untersuchungen beweisen: Die Länder in Europa, in denen die Frauenberufstätigkeit am höchsten ist, sind auch die Länder mit der höchsten Geburtenrate. Wir als SPD haben die Situation erkannt. Wir haben deshalb auf unserer Klausurtagung des Bundesvorstands in Bremen daraus die Konsequenzen gezogen. Bis zum Jahr 2010 wollen wir einen Rechtsanspruch für Kinder nach dem ersten Geburtstag schaffen, einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz.

(Beifall von der SPD)

Das ist der Weg, den dieses Land gehen muss, meine Damen und Herren.

Das Ganze soll dann mit dem letzten Kindergartenjahr beginnend schrittweise kostenfrei werden. Diese Beschlüsse sind richtungweisend für die Familienpolitik in Deutschland, aber vor allem für die Menschen in diesem Land, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist ein Quantensprung, auf den dieses Land lange gewartet hat.

(Zurufe von der CDU: 39 Jahre!)

Das ist deshalb wichtig – Herr Ministerpräsident, ich habe den Eindruck, Sie haben das immer noch nicht verstanden …

(Zurufe von der CDU)

Ich komme gleich noch auf die 39 Jahre zurück. Sie können sich beruhigen. Darauf komme ich gleich zurück und sage gleich etwas dazu.

Das ist aus folgendem Grund wichtig, Herr Ministerpräsident – ich glaube, die Dimension haben Sie nicht erkannt, als Sie sich sehr deutlich dagegen ausgesprochen haben –: Nur durch eine solche Entscheidung kann man Bildung früher stattfinden lassen. Nur durch eine solche Entscheidung kann man dann auch sehr frühzeitig einen Bildungsplan für jedes Kind erstellen, der individuell abgestimmte Fördermaßnahmen schon im Kindergarten beginnen lässt. Das ist der richtige Weg. Das ist die Zukunft für unser Land, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Hinzu kommt: Wir müssen uns auch um die Betreuung der unter Dreijährigen kümmern. Hier muss das Angebot kontinuierlich Jahr für Jahr ausgeweitet werden. Herr Laschet, ich weiß, dass Sie das auch so sehen, aber der Haushalt sagt etwas anderes. Der Haushalt sagt: Sie kriegen die Mittel dafür nicht, um diesen sinnvollen Weg zu gehen.

(Beifall von der SPD)

Das ist eine falsche Entscheidung. Wir haben das beantragt. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben es abgelehnt. Sie reden viel, aber Sie handeln anders.

(Beifall von der SPD)

Politik wird manifest im Haushalt. An den Zahlen lässt sich ablesen, ob Sie es ernst meinen. In diesem Feld meinen Sie es offensichtlich nicht ernst.

(Beifall von der SPD)

Wenn wir schon bei den Familien sind, dann kommen wir auch einmal zu den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern. Von denen verlangen Sie ja gerne mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit. Berufstätige Mütter sollen nach Ihren Vorstellungen im Einzelhandel auch noch mitten in der Nacht arbeiten gehen.

(Beifall von der SPD)

Dem Fetisch der 24-stündigen Ladenöffnungszeit haben Sie mal ganz locker die Bedürfnisse und Interessen der Beschäftigten geopfert.

(Beifall von der SPD)

Die Auswirkungen auf die Familien – das ist der entscheidende Punkt – haben Sie dabei wissend in Kauf genommen.

Ich sage das an dieser Stelle deutlich: Wir sind froh, dass Ihr Ladenöffnungsgesetz – die lieben Kollegen von der FDP sollten genau zuhören –, dass Ihr Ladenöffnungsgesetz im Großen und Ganzen ein Flop ist.

(Beifall von der SPD)

Wenn ich mir als Verbraucher anschaue, was für ein Wirrwarr da bei den Öffnungszeiten entstanden ist, dass alle eigentlich jetzt schon wieder auf 20 Uhr zurückgegangen sind und dass die alte Kamelle vom langen Donnerstag schon wieder herausgekramt wird, dann kann ich nur sagen: Welch ein wegweisendes Projekt für dieses Land. Das hat uns wirklich Freiheit gebracht, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber das Schlimme ist ja, dass Sie daraus nicht lernen. Das wirklich Schlimme für die Familien in diesem Land ist, dass die Unsicherheit für die Familien bleibt. Sie müssen immer noch damit rechnen, dass zu bestimmten Zeiten im Jahr – im Sommer wird es vielleicht dann noch einmal ausprobiert – die Arbeitszeit weit ausgedehnt wird, ohne dass Sie irgendeine Anstrengung unternehmen, eine Betreuung anzubieten.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, an dieser Stelle unterscheiden wir uns grundsätzlich von Ihnen. Im Zentrum unserer Politik wird immer der Mensch stehen und nicht der Markt. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dass Sie in Ihrer schauspielerischen Leistung, Herr Ministerpräsident, zwar gerne den Sozialreformer geben, nehmen die Menschen in diesem Land ja hoffentlich richtig wahr. Das zeigen uns ja die Umfragen vom WDR. Ihr wahres Gesicht zeigen Sie doch wieder darin, dass der Kollege Wüst auf die geniale Idee gekommen ist, Herrn Ackermann zu einer Diskussion einzuladen.