Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

(Beifall von FDP und CDU - Rainer Schmelt- zer [SPD]: Wer hat gestern gesagt, dass er weiter kürzen und abbauen will?)

Dann kommen Sie, Frau Kraft, nassforsch daher und verbreiten solche Parolen in einer Zeit, in der die neue Regierung gerade angefangen hat, ein Land wieder aufzurichten, das Sie in Grund und Boden gewirtschaftet haben -

(Beifall von FDP und CDU)

eine groteske Verdrehung von Ursache und Wirkung.

Eines, Frau Kollegin Kraft, will ich Ihnen noch mit auf den Weg geben. Der Ton, den Sie dort angeschlagen haben - ich habe dieses Zitat nicht ohne Grund aufgegriffen -,

(Zuruf von der SPD: Gutes Zitat!)

ist der Ton der Lafontaine-PDS.

(Beifall von FDP und CDU - Lachen und Wi- derspruch von der SPD)

Das hört man in diesen Tagen genauso von der Lafontaine-PDS. War da nicht einmal etwas mit der neuen Mitte?

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Dann passt es ins Bild, Frau Kollegin Kraft, dass Sie den Neoliberalismus verteufeln. Das ist auch das Handwerkszeug von Lafontaine, der „böse Neoliberalismus“.

Der Neoliberalismus, meine Damen und Herren, hat nach dem Krieg das geistige Fundament geschaffen für den Wiederaufstieg unseres Landes,

(Beifall von FDP und CDU)

für die soziale Marktwirtschaft, für das Wirtschaftswunder, für Wohlstand für alle. Das sollten Sie noch einmal nachlesen, Frau Kollegin Kraft.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sollten Sie auch nachlesen!)

Dafür steht der Neoliberalismus. Deutschland und Nordrhein-Westfalen leiden bei einer Staatsquote von fast 50 % doch nicht unter zu viel Wettbewerb und sozialer Marktwirtschaft, sondern unter zu viel bürokratischer Staatswirtschaft. SPD und Grüne haben in Nordrhein-Westfalen sogar verhindert, dass die Biergärten zwei Stunden länger öffnen durften. Selbst ein so kleines Beispiel an Deregulierung, an mehr Freiheit haben Sie nicht auf die Reihe bekommen.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Wir haben das gestern bei Ihrer heuchlerischen Darstellung in der Debatte über die Ladenöffnungszeiten erlebt. Sie waren nicht bereit zu de

regulieren, den Menschen und Betrieben etwas mehr Freiheit zu geben. Das ist die Politik, für die Sie stehen und die Sie offenbar noch weiter verschärfen wollen:

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wer war gestern heuchlerisch?)

weniger Freiheit, weniger Marktwirtschaft, mehr bürokratische Staatswirtschaft. Damit haben Sie Nordrhein-Westfalen in die Sackgasse geführt, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von der FDP)

Drittens. Wir sollten, wenn sich die Opposition so offensiv in Stellung bringt, noch einmal kurz an die rot-grüne Bilanz in der Bildungspolitik erinnern. Passend zu dieser Debatte kommen heute die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie. Schauen Sie hinein! Traurige Rekorde beim Unterrichtsausfall, Abstiegsplätze bei den Pisa-Tests werden heute noch einmal bestätigt. Vor allem - diesen Punkt will ich ausdrücklich erwähnen - ist in keinem anderen Bundesland der Zusammenhang zwischen Bildungschancen und sozialer Herkunft so ausgeprägt wie im rot-grünen Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von FDP und CDU)

Wer es sich leisten kann, organisiert Nachhilfe gegen Unterrichtsausfall und kauft Computer für zuhause. Wer es sich nicht leisten kann, die Schwächen des staatlichen Schulsystems mit dem eigenen Portemonnaie auszugleichen, dessen Kinder haben eben Pech gehabt. Kann es eine schlimmere Bankrotterklärung für sozialdemokratische Politik geben?

(Beifall von FDP und CDU)

Wir werden Schluss damit machen, dass der Geldbeutel der Eltern über die Bildungschancen der Kinder entscheidet.

(Beifall von FDP und CDU - Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das ist heuchlerisch!)

Meine Damen und Herren, Rot-Grün hat die enormen Potenziale unseres Landes nicht zur Entfaltung kommen lassen. In einer solchen Debatte über die Regierungserklärung der Regierung, die dies ändern wird, ist es sehr sinnvoll, sich auch einmal der schonungslosen Zustandsbeschreibung zu erinnern, die der Bremer Historiker Paul Nolte vor gut anderthalb Jahren gegeben hat. Ich will das als Zitat - mit Genehmigung des Präsidenten - vortragen, und ich bitte Sie, Frau Kollegin Kraft, sehr genau zuzuhören, denn es war sehr bedenkenswert:

„Von Aufbruch ist wenig zu spüren. Das größte Bundesland scheint sich mit seiner Marginalisierung nicht nur abgefunden zu haben, sondern sich in dem eingefrorenen, bewegungsarmen Zustand mehr und mehr wohl zu fühlen. Wandel und Neuerung kommen in dieser Illusion eines geschichtslosen Endzustandes nicht mehr vor; nur noch das Austarieren des Bestehenden, die Versöhnung der letzten übrig gebliebenen Konflikte, die Musealisierung der Vergangenheit.“

Das ist eine sehr treffliche Beschreibung der mentalen Verfasstheit in diesem Land am Ende der Regierungszeit von Rot-Grün.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Nolte ist kein un- abhängiger Zeuge!)

Auch deshalb sind Sie abgewählt worden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Frau Kollegin Kraft, ich habe das zwar nur mit wenigen Federstrichen skizziert, aber ich möchte es Ihnen noch einmal sagen: Angesichts einer solchen Bilanz stünde Ihnen persönlich, wenn Sie hier auftreten, etwas mehr Bescheidenheit wahrlich gut zu Gesicht.

(Beifall von FDP und CDU - Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Aber ganz offensichtlich brauchen Sie noch etwas Zeit, bis Sie sich nach dieser langen Regierungszeit die Arroganz der Macht endlich abgewöhnt haben. Das scheint offenbar nicht so leicht zu sein.

(Zurufe von Gisela Walsken [SPD] und Marc Jan Eumann [SPD])

Aber Sie haben ja viel Zeit, Frau Kraft, um sich die Arroganz der Macht abzugewöhnen, nachdem Ihnen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das Vertrauen entzogen haben.

(Beifall von der FDP - Zuruf von der SPD: Das sagt die halbierte FDP!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns noch einen Blick darauf werfen, was die Grünen in diesen Tagen treiben.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Sie befassen sich mit Begriffen. Das kann, wie wir seit Max Weber wissen, auch sehr sinnvoll sein. Frau Höhn hat damit angefangen und erklärt, was bei den Grünen Rotation bedeutet. Frau Höhn erklärte, sie trete jetzt für den Bundestag an - ich zitiere -:

„nach einem Prinzip, das wir immer hochgehalten haben: Rotation.“

(Lachen von der FDP)

Das Rotationsprinzip bedeutet also bei den Grünen, dass abgewählte Landesminister zügig in den Bundestag wechseln. - Interessant!

(Heiterkeit von der FDP)

Dann kam die erste Reaktion von Frau Löhrmann zum Koalitionsvertrag.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt machen Sie doch noch einmal den Hamster - Heiter- keit von SPD und GRÜNEN)

Frau Löhrmann hatte zunächst am Koalitionsvertrag zu kritisieren, er sei nicht durchgängig in neuer deutscher Rechtschreibung abgefasst. - Bemerkenswert!