Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Heiterkeit von der SPD)

aber da wird die Waldtragödie an einem Bild deutlich. Das betrifft nicht nur eine Stelle, sondern flächendeckend unsere Region. Südwestfalen ist die Region, die am meisten betroffen ist.

Ich will auch meine persönliche Betroffenheit schildern. Vor einer Woche habe ich versucht, nach Hause zu kommen. Ich bin an der Kreisgrenze gescheitert, 20 km von Zuhause weg. Ich kam nicht über die Höhe, weil alle vier Straßen gesperrt worden waren. Bäume hinter mir fielen zu Boden, Bäume vor mir fielen zu Boden. Ich musste dort übernachten. Am nächsten Tag konnte ich in Augenschein nehmen, welche schrecklichen, verheerenden Wirkungen dieser Sturm in meiner Heimat gehabt hat.

Die Funktion des Waldes ist nicht nur Heimat, nicht nur Erholung. In unserer Region bedeutet der Wald – in der Vergangenheit mehr, aktuell aber wieder im Aufleben begriffen – auch eine Zukunftsperspektive für den Tourismus und ebenfalls für die Holzvermarktung, die Nutzung des Rohstoffes als Biomasse in einer weltweit immer stärker nachfragenden Holzwirtschaft.

Diese Hoffnungen, die auch mit Arbeitsplätzen verbunden waren, sind jäh zerstört worden. Es ist kein journalistischer Trick, wenn ich davon berichte, dass gestandene Männer am Rande ihres Waldes stehen und mit Tränen in den Augen nicht nur die eigene Arbeit dahinsinken sehen, sondern auch die Arbeit ihrer Väter und Großväter und die Perspektive ihrer Kinder. Es ist etwas anderes, wenn beispielsweise die Jahresernte eines Kartoffelbauern vor die Hunde geht – der kann im nächsten Jahr neu anfangen. Ein Waldbauer wird die Früchte seiner eigenen Arbeit angesichts der Zerstörung, die jetzt festzustellen ist, nicht erleben können. Der Waldbauer arbeitet für zukünftige Generationen. Und das macht die Tragik dieser Katastrophe aus.

Wir brauchen jetzt Menschen, die sich um den zerstörten Wald kümmern, private und öffentliche Waldbesitzer, die Kapital in die Hand nehmen, die Schäden beseitigen und neue Wälder pflanzen. Da müssen alle helfen. Vieles ist möglich und machbar. Wir haben gestern einen Antrag gestellt, mit einem Sofortprogramm zu helfen. Wir können

mit Landesbürgschaften helfen. Wir können Vermarktungshilfen geben. Es müssen Nasslagerplätze eingerichtet werden, um den jetzt langsam anziehenden Holzpreis vielleicht etwas zu stabilisieren und nicht gleich wieder abfallen zu lassen. Wir müssen auch Personal aus anderen Regionen an die betroffenen Stellen ziehen. Vielleicht können wir auch mit dem Verkauf des Holzes aus dem Staatswald etwas regulieren.

Wir brauchen Fachleute vor Ort, wir brauchen die praktische Arbeit, wir brauchen Ortskenntnisse, wir brauchen die Försterinnen und Förster, wir brauchen die Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit, meine Damen und Herren, bin ich tatsächlich bei der Forstreform. Vor wenigen Wochen haben uns alle Sachverständigen – bis auf wenige Ausnahmen – erklärt, dass diese Forstreform dem Ziel einer nachhaltigen Waldwirtschaft entgegenläuft und dass der Landesbetrieb Wald und Holz, wie er zukünftig konzipiert werden soll, diese Aufgaben nicht wird bewältigen können.

Das Bild, das mir noch im Kopf geblieben ist, ist das von einem Sachverständigen, der sagte: Das ist so, als wenn Sie in ein Auto einen neuen, kleineren Motor einbauen, der die gleiche Leistung erbringen soll, Sie aber nicht gleichzeitig dafür sorgen, den Turbo anzubringen. – Das ist das Bild, das mir von der Forstreform – jedenfalls so, wie sie geplant ist – im Kopf geblieben ist.

Wenn jetzt selbst Forstleute sehr drastisch diese Art der Forstreform kritisieren – beabsichtigt ist, gut 10 % des Personals aus dem Wald abzuziehen; das sind Waldarbeiter/-innen, das sind Leute, die Forstplanung betreiben –, dann muss man darüber nachdenken und reden dürfen.

Herr Minister, es dient der Debatte nicht, wenn Sie den betroffenen Menschen – auch in den Verwaltungen – per Erlass verbieten, sich an dieser Debatte zu beteiligen. Das sind die Fachleute, die wissen, was vor Ort passiert. Ich bitte Sie also: Nehmen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit! Nehmen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst, die Ihnen sagen: Bitte, Herr Minister, stoppen Sie diese Reform! Ziehen Sie sie zumindest für eine begrenzte Zeit zurück!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es sind aber nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, es sind auch Fachleute, die das empfehlen. Ich will Prof. Schulte zitieren, der davon gesprochen hat, dass in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht ausreichend Waldarbeiterinnen und Waldar

beiter zur Verfügung stehen und dass deshalb die Gefahr besteht, dass man den Schaden, der angerichtet worden ist, nicht zielgerichtet aufarbeiten kann.

Herr Minister, Sie haben in einem Interview selbst gesagt, wo das Problem liegt: Die Waldbesitzerinnen und -besitzer haben von sich aus erklärt, dass sie keine Almosen möchten. Hier geht es um die Zurverfügungstellung einer leistungsfähigen Forstverwaltung. Und die leistungsfähige Forstverwaltung, meine Damen und Herren, die haben wir in Nordrhein-Westfalen. Sie bedarf – jedenfalls angesichts dieser Katastrophe – im Moment keiner Gedanken darüber, wie ich den Schreibtisch umsortiere, wo ich das nächste Türschild anmontiere oder wo ich vielleicht neue Kapazitäten für einen Verwaltungsumbau hernehme.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Verwaltung muss raus in den Wald, muss den Menschen helfen. Es geht jetzt darum, Soforthilfe zu leisten. Es geht auch darum, Aufbauplanung mit den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern, aber auch für den Staatswald zu leisten. Dazu gehört, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir noch verstärkter auf Mischkulturen setzen können. Es ist ja eindeutig und verständlich, dass diese Art der Waldbewirtschaftung, wie sie vor 50, 60 Jahren eingesetzt hat, so nicht fortgeführt werden kann. – Das sind die Punkte, die jetzt auf der Tagesordnung stehen.

Herr Minister, ich weiß aus meiner längjährigen Erfahrung als Abgeordneter einer Regierungsfraktion, wie schwierig es ist, wenn eine Regierung, wenn ein Minister – damals war es ein Ministerpräsident – eine Reformidee verkündet hat, davon wieder Abstand zu nehmen. Denn damit wird möglicherweise Gesichtsverlust verbunden. Damit wird verbunden, dass die eigene Stärke offensichtlich doch nicht so beschaffen ist, wie man es vorher verkündet hat. Damit ist möglicherweise auch ein Eingeständnis verbunden, dass man auch anders denken kann.

Ich kann Ihnen hier und heute versichern: Wir werden, wenn Sie zu diesem Schritt bereit sind und die Reform zumindest für ein, zwei Jahre zur Seite legen, das nicht mit politischer Häme begleiten. Wir werden Sie an dieser Stelle unterstützen. Wir werden Ihre Klugheit und Weisheit, sollten Sie diesen Schritt gehen,

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Lachen von der CDU)

im Lande loben. Darauf können Sie sich verlassen. Das ist unser Angebot. Ich hoffe, Sie können

den Weg über diese Brücke gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Jetzt erhält Frau Schulze von der SPD-Fraktion das Wort.

Meine Damen und Herren! Der Klimawandel ist im Moment in aller Munde. Es gibt keine Zeitung, keinen Radiosender, keinen Fernsehsender, der in den letzten Wochen nicht darüber berichtet hätte. Der Orkan Kyrill hat uns noch einmal ganz deutlich gezeigt: Klimawandel ist nichts, was irgendwann einmal in der Zukunft stattfindet, sondern wir sind mittendrin im Klimawandel.

Die Zahlen, die uns dazu genannt werden, sind dramatisch. Laut Stern-Report wird er 5 bis 20 % der globalen Wirtschaftsleistung kosten. Es müssten schon jetzt jährlich rund 1 % des globalen Bruttoinlandsproduktes, also 270 Milliarden €, ausgegeben werden, nur um den Klimawandel abzumildern – also gar nicht einmal, um ihn aufzuhalten.

Die Botschaften sind ganz eindeutig und werden überall im Land verstanden. Deswegen ist es gut und auch an der Zeit, dass wir heute hier im Parlament danach fragen: Was macht eigentlich unsere Landesregierung? Hat sie die Botschaften erkannt? Weiß sie, um was es jetzt geht?

Meine Damen und Herren, da schaut man in ein großes Loch. Die Regierungskoalition beschwört hier immer den Markt und sagt, er würde alles regeln. Der Orkan Kyrill hat uns ganz deutlich gezeigt: Der Markt hat keine Antworten auf den Klimawandel. Hier ist eindeutig der Staat gefordert. Ihre Ideologie „Privat vor Staat, dann läuft das schon“ funktioniert beim Klimawandel nicht. Der Staat muss hier Pionier sein. Er muss Investitionen und Innovationen voranbringen.

Deshalb sind die ganz entscheidenden Fragen: Was macht diese Landesregierung beim Klimaschutz? Wo wird die Wirtschaft gefördert, um innovative Techniken zu entwickeln? – Da hat diese Regierung einfach gar kein Konzept, da herrscht große Ebbe. 582 Tage sind Sie heute im Amt. Sie sind keine neue Landesregierung mehr, sondern eine schon ziemlich angealterte. In 582 Tagen haben Sie es nicht geschafft, wenigstens die Grundideen und Leitlinien für Ihre Klimaschutzkonzepte vorzulegen.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

582 Tage – und Sie haben es noch nicht einmal geschafft, das, was wir vorgelegt haben, fortzuschreiben oder sich das anzusehen und es wenigstens als Ihres auszugeben, wie Sie das sonst immer tun.

Nein, das einzige, was Ihnen hier zum Klimaschutz einfällt, meine Damen und Herren, ist, die Mittel für die Programme zu kürzen, die für diesen Bereich wichtig sind: Sie streichen das RENProgramm um über 40 % zusammen. Sie vernachlässigen die Biomasseforschung; darüber haben wir gestern länger diskutiert. Sie konzentrieren Ihre Mittel für die Energieforschung ausgerechnet auf die Atomkraft; da berufen Sie vier neue Professoren. Was ist denn mit den erneuerbaren Energien? Was ist denn mit dem Sparen von Energie? Was machen Sie da? – Fehlanzeige!

Die SPD-geführten Landesregierungen waren die ersten, die Klimaschutz als Querschnittsthema aufgegriffen und behandelt haben. Wir haben ganz konkret ein Kraftwerkserneuerungsprogramm auf den Weg gebracht. Wir haben den Einsatz erneuerbarer Energien auf den Weg gebracht. In unserer Regierungszeit war NordrheinWestfalen das erste Land, das überhaupt einen Klimaschutzbericht vorgelegt hat.

Ich bitte Sie: Schauen Sie sich doch einmal an, was wir gemacht haben. Es ist sehr anschaulich beschrieben, wo ein Land da handeln kann, wo da unsere Kompetenzen sind. Schielen Sie da nicht auf den Bund oder auf Europa! Werden Sie hier in Nordrhein-Westfalen aktiv! Hier sind die Probleme, hier muss man handeln.

Der Umsetzungsbericht zum Klimaschutzkonzept 2005 hat noch einmal sehr genau dargelegt, was „Querschnittsaufgabe“ für die Landesregierung heißt. Wer koordiniert bei dieser Landesregierung eigentlich im Sinne des Klimaschutzes? Wer führt bei Ihnen Energiepolitik, Verkehrspolitik, Wirtschaftspolitik, Wohnungsbaupolitik, Umweltpolitik und Verbraucherpolitik zusammen? Wer achtet auf eine nachhaltige Politik? – Wenn man sich das Ergebnis anschaut, kann man ganz eindeutig sagen: 582 Tage verloren für den Klimaschutz. 582 Tage!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Diese Regierung braucht einen Sturm wie Kyrill, um das Thema überhaupt auf der Tonspur – wirklich nur auf der Tonspur! – zu entdecken. Gemacht haben Sie bei diesem Thema fast nichts. Das dürfte in dieser Koalition auch schwierig sein. Wir haben gestern noch einmal mitbekommen, wie die FDP, Ihr Koalitionspartner, das Problem

sieht. Für Herrn Ellerbrock ist es immer noch so, dass der Klimawandel im Grunde keine anthropogenen Faktoren hat.

(Kopfschütteln von Holger Ellerbrock [FDP])

Da das Protokoll von gestern noch nicht vorliegt, will ich ein Zitat vom 16. November 2006 nennen; es gibt von Herrn Ellerbrock aber viele Zitate zu diesem Thema. Er sagte – ich zitiere –: „Nur weg von dieser Klimahysterie nach dem Motto ‚Apocalypse now’!“ – Das ist die Haltung der FDP. Gestern gingen Ihre Beiträge in der Debatte in genau die gleiche Richtung. Für die FDP ist das, was im Moment im Klimawandel passiert, Klimahysterie. Es wundert mich nicht, dass Sie keine Konzepte auf den Weg bringen, wenn Sie noch nicht einmal das Problem erkennen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es muss jetzt etwas passieren. Was in der Forstwirtschaft passieren muss, das wird gleich meine Kollegin ausführen. Es muss aber auch auf anderen Feldern etwas passieren. Bitte schauen Sie sich den Umsetzungsbericht 2005 einmal an! Da sind alle Felder genannt. Sie finden dort Rahmenbedingungen für eine Klimaschutzpolitik. Sie finden dort ganz konkrete Maßnahmen, zum Beispiel bei Energiedienstleistungen, zum Beispiel die Förderung der Energieberatung durch die Verbraucherzentrale, zum Beispiel das „Aktionsprogramm 2000 plus“ für den kommunalen Handlungsrahmen. – In diesem dicken Papier finden sich eine ganze Menge Ideen sowie Anregungen, wie integrierte Verkehrsplanung aussehen könnte, das Programm für erneuerbare Energien der damaligen Landesregierung, das Biomasseprogramm und die Solaroffensive. Sie finden ganz konkrete Maßnahmen für den Bereich der Abfallwirtschaft. Und Sie finden Aktivitäten zur Pflege und zum Erhalt der bestehenden Wälder. Was Ihnen zum Wald einfällt, hat mein Kollege eben schon gesagt: Kürzung von Personal.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn Sie schon keine eigenen Ideen haben, dann seien Sie doch wenigstens so klug, unsere Programme fortzuschreiben. Entwickeln Sie unsere Ideen weiter! Dann sind wir beim Klimaschutz schon ein ganzes Stück weiter.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nutzen Sie endlich die Potenziale, die NordrheinWestfalen hat! Wir können die ökologische Industriepolitik, wie sie von Sigmar Gabriel auf der Bundesebene beschrieben wird, hier ganz fantastisch umsetzen. Wir haben hier die Industrie, wir haben

die Betriebe, die dazu ihren Beitrag leisten können. Wir sind in der Klimaschutzpolitik im internationalen Wettbewerb eigentlich führend.

Es wäre Ihre Aufgabe, im Klimaschutz jetzt auch voranzugehen, diese Initiativen zu unterstützen und nicht weiter über Atomkraft zu diskutieren statt über den Klimawandel. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schulze. – Für die CDU-Fraktion erhält die Frau Abgeordnete Brunert-Jetter das Wort.