Man sieht ja, dass diese Helferinnen und Helfer auch im Katastrophenfall zur Stelle sind, für uns alle, wie wir es wieder in der vergangenen Woche erlebt haben. Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums hat alleine das THW in der Nacht zum Freitag mit 5.500 Kräften aus 330 Ortsverbänden deutschlandweit geholfen. Am Freitag waren noch 1.400 THW-Helfer im Einsatz gewesen, um Straßen und Gleise freizuräumen und landwirtschaftliche Betriebe mit Strom zu versorgen. Das ist einfach großartiges ehrenamtliches Engagement im besten Sinne.
Der Sturm tobte mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde. Den höchsten Wert registrierte der Wetterdienst mit 225 km/h auf dem Schweizer Aletschgletscher. In Deutschland blies Kyrill am heftigsten über den Wendelstein in Bayern mit 202 Stundenkilometern. Aber auch in NRW wurden extreme Windböen gemessen.
Der Orkan Kyrill hat in Europa etwa 62 Millionen Bäume umgeknickt. In den Wäldern NordrheinWestfalens richtete der Sturm den größten jemals festgestellten Schaden an. Nach Schätzungen des Landesbetriebs Forst und Holz knickte er in diesem Bundesland 25 Millionen Bäume oder
umgerechnet 12 Millionen m³ Holz um. Deutschlandweit liegen 20 Millionen m³ am Boden, europaweit etwa 30 Millionen m³.
Nach einer ersten Hochrechnung des Deutschen Forstwirtschaftsrates in Bonn wurde bundesweit ein Schaden von rund einer Milliarde € angerichtet, davon etwa die Hälfte allein in NordrheinWestfalen. Leider ist unser Bundesland Nordrhein-Westfalen deutschlandweit mit am heftigsten verwüstet worden. Die gravierendsten Schäden richtete der Sturm im Sieger- und Sauerland an. Das ist die am stärksten betroffene Region in Europa. Wegen der Gefahr nachfallender Bäume und herabstürzender Äste sind Teile der Wälder für Bürger vorsorglich gesperrt.
Zudem kommen durch den Orkan auch auf die Versicherer voraussichtlich hohe Belastungen zu. Es wird von einem Versicherungsschaden von rund einer Milliarde € ausgegangen. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft handelt es sich damit um einen der schwersten Stürme, die es je in Deutschland gegeben hat.
Auch Kulturgüter sind durch den Sturm beschädigt worden. Ich erinnere an das RömischGermanische Museum in Köln mit seinem weltberühmten Dionysos-Mosaik, das durch Bohlen beschädigt wurde. Aber auch die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin war betroffen. Dort wurde das Dach des Archivs abgedeckt. Es gab also Schäden ohne Ende.
Aber lassen Sie mich zum Schluss wie mein Vorredner noch einige allgemeine Worte zum Thema Katastrophenschutz sagen. Gerade bei der Vernetzung und der Kommunikation muss der Standard verbessert werden. Sicherheit aus einer Hand ist hier die Lösung. Wir müssen daran arbeiten, dass das Durcheinander beseitigt wird, welches durch das Nebeneinander verschiedener gesetzlicher Zuständigkeiten entstanden ist.
Bei einem Anschlag von außerhalb Deutschlands ist die Bundesregierung zuständig. Bei einem Unglücksfall hierzulande wird der Katastrophenschutz auf kommunaler Ebene organisiert. Rettungsdienst und Katastrophenschutz sind Sache der Kreise, Feuerschutz die der Kommunen, und die Einbindung der Polizei läuft eigenständig nebenher. Die dadurch entstehenden Reibungsverluste sind augenscheinlich und sollten in einer neuen Sicherheitsarchitektur beseitigt werden. Das haben wir bereits an anderer Stelle thematisiert. Daran arbeiten wir.
Last but not least sind wir aber alle froh, dass die Folgen des Sturmes bereits größtenteils beseitigt
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Dr. Rudolph das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der Dank der SPD-Fraktion gilt den ungenannten und unzähligen Helferinnen und Helfern für ihre außergewöhnliche Leistung bei dieser ungewohnten Großschadenslage. Zu loben sind mit Sicherheit die insgesamt guten Ausbildungsstandards der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen, was nicht heißen soll, sie nach neu gewonnenen Erfahrungen nicht noch weiter verbessern zu können. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch den Beschluss der Bundesregierung von gestern, ein großes Programm zur zivilen Sicherheitsforschung aufzulegen, was uns sicherlich hilft, weitere Erkenntnisse für derartige Schadensfälle zu gewinnen.
Es ist bereits gesagt worden, dass es viele Verletzte und Todesfälle zu beklagen gab. Es kommt nun darauf an, dass die Familien und Angehörigen jedwede Unterstützung und eine entsprechend helfende psychologische Nachbetreuung erhalten. Wir bitten in diesem Zusammenhang ganz konkret darum, dass die Landesregierung auf diese Dinge achtet.
Wir bitten die Landesregierung ferner, die Sicherheitsstandards zu überprüfen und die Unfallprophylaxe über Speziallehrgänge im Institut der Feuerwehr beziehungsweise im Landesbetrieb Wald und Holz zu intensivieren, weil es im Zusammenhang mit dieser Großschadenslage zu schweren Unfällen und deshalb auch zu Verletzungen gekommen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren ist uns immer wieder aus der Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen berichtet worden, dass es große Probleme beim Vollzug der gesetzlichen Regelungen für Feuerwehrleute und andere Helfer im Ehrenamt gibt, weil es viel zu viele Arbeitgeber in unserem Land gibt, die ihre Mitarbeiter für ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht oder nicht mehr freistellen.
Spätestens jetzt müssten diese Arbeitgeber erkannt haben, dass sie damit falsch und auch fahrlässig gehandelt haben. Auch nach dem hervorragenden Einsatz dieser vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer werden uns wieder punk
tuell Fälle gemeldet, bei denen Helfer nach einem pausenlosen Tag- und Nachteinsatz am nächsten Tag zur Arbeit erscheinen mussten und bisweilen nicht auf das Verständnis des Arbeitgebers getroffen sind, das man eigentlich hätte erwarten dürfen.
Deswegen bitten wir die Landesregierung, zeitnah eine Abfrage über die entsprechenden Verbände zu starten, um zu klären, ob und wo es solche Fälle gegeben hat, und dies dem Parlament dann unverzüglich mitzuteilen.
Viele Helfer, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind schon gelobt worden. Darunter zählen sicherlich auch die Helferinnen und Helfer bei der Deutschen Bahn, wo sich anscheinend sehr viele bemüht haben. Aber man muss der Ehrlichkeit halber sagen: Manchmal ist es nur bei dem Bemühen der Deutschen Bahn geblieben. Sie hat sich nicht in allen Fällen mit Ruhm bekleckert, manchmal war es unter aller Sau.
Wir erwarten ein klares und ernstes Wort der Landesregierung gegenüber der Deutschen Bahn, insbesondere in solchen Fällen, wo es erhebliche Probleme gegeben hat, beispielsweise im Bahnhof Hagen – wir können dort mit konkreten Antworten helfen –, wie man mit der Versorgung von gestrandeten Passagieren in nordrheinwestfälischen Bahnhöfen umgeht, wo es weder Verpflegung noch Toiletten noch irgendwelche Hinweise darauf gibt, wie es für die betroffenen Menschen weitergeht.
Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Weil auch die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag nach dem Stand und den Perspektiven des Katastrophenschutzes fragen, möchte ich Ihnen darauf aus innenpolitischer Sicht die nächstliegende Antwort geben: Gerade in diesem Katastrophenfall hat sich wieder einmal gezeigt, dass sich eine Vernetzung von polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr bei den Bezirksregierungen bewährt hat, weil dort rasch Krisenstäbe hochgefahren und Lagezentren eingerichtet wurden.
Man könnte jetzt auf viele Einzelheiten während dieser Großschadenslage eingehen – ich kann das hier nicht –, aber alle haben gezeigt, welch wichtige Rolle eine erfahrene und in solchen Fällen auch funktionierende Bündelungsbehörde bei der Katastrophenabwehr spielen kann und wie
wichtig es ist, die polizeiliche und nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr zusammenzulassen. Sie beschreiten mit den Veränderungen in der Organisation der Polizei wissentlich und fälschlicherweise genau den umgekehrten Weg; denn mit der Herausnahme der Polizei aus den Bezirksregierungen gefährden Sie die Bündelung einer Gefahrenabwehr, die sich bewährt hat.
Deswegen bleibt mein Fazit aus innenpolitischer Sicht in dieser Angelegenheit: Herr Innenminister, gehen Sie nicht wie Kyrill durch die gebündelte Gefahrenabwehr. Legen Sie Ihre Pläne zur Neuorganisation der Polizeiverwaltung dahin, wo sie hingehören, nämlich in die tiefste Schublade, die Sie finden, wo kein Orkan der Welt sie erreichen kann. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Rudolph. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Abgeordnete Düker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist von allen gesagt worden, ich schließe mich an: Den Angehörigen der Opfer des Orkans gilt unser Mitgefühl. Unser Dank gilt den ehrenamtlichen wie den hauptamtlichen Rettungskräften. Hier ist kein Dienst nach Vorschrift geleistet worden, es gab eine hohe Leistungsbereitschaft und einen hohen Einsatz aller.
Herr Schmitz, Sie haben gesagt: Der Katastrophenschutz funktioniert. – Ja, er funktioniert. Wenigstens funktioniert er besser als der Klimaschutz in unserem Land. Das muss man zuerst dazu sagen.
Aber, Herr Schmitz, die Landesregierung hat es ihm im letzten Jahr nicht sehr leicht gemacht zu funktionieren. Der wohlfeile Dank wird in unserem Land von einer Politik des Innenministers konterkariert, die im Katastrophenschutz gerade im letzten Jahr für viel Verwirrung, um nicht zu sagen für Irritationen und auch Ärger gesorgt hat.
Erstes Beispiel: Noch im Sommer 2006 bringen CDU und FDP einen Antrag ein, in dem sie der freiwilligen Feuerwehr ausdrücklich erklären, dass der bisherige Einsatz der Landesregierung beim Bund für eine Erhöhung der steuerfreien Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Helfer aufgegeben wird, weil das alles nicht zu finanzieren sei.
In einer Debatte im Innenausschuss im Sommer letzten Jahres ging es um die Gefahrenanalyse, die erstellt und fortgeschrieben werden muss. Wir wissen, der Katastrophenschutz muss sich immer neuen Herausforderungen stellen; es geht um die Stromausfälle im Münsterland, Hochwasserlagen, Energieausfälle, Strahlenunfälle und vieles mehr. Auf die Frage, wann diese Gefahrenanalyse im Land erstellt und dem Landtag vorgelegt wird, hieß es – ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll vom 17. August 2006 –: „Innenminister Dr. Ingo Wolf sagt, die Gefahrenanalyse werde vorgelegt, wenn man so weit sei.“
Herr Minister, kann ich daraus schließen, dass Sie, weil die Gefahrenanalyse bis heute nicht vorgelegt wurde, noch nicht so weit sind? Ich fände es schön, wenn Sie hierzu eine Erklärung abgeben könnten.
Last, but not least: Kurz vor Ende des Jahres konnte uns die Landesregierung immer noch nicht sagen, wie die neue Arbeitszeitverordnung der EU zu den Arbeitszeiten bei der Feuerwehr ab 1. Januar dieses Jahres umgesetzt wird und wie sie diese neue Regelung vor Ort realisieren will, Stichworte: Opt-out-Regelung, Schichtzulagen. Die Feuerwehren haben noch Ende des Jahres den Fraktionen gesagt: Wir wissen nicht, wie wir die Arbeitszeitregelung umsetzen sollen. Wir haben keine rechtliche Grundlage für die Schichtzulage. Wir wissen nicht, wie wir unsere Schichten organisieren sollen, und vieles mehr. – Der Gesetzentwurf für die Schichtzulage liegt dem Parlament immer noch nicht vor.
Herr Minister, ich kann nur das Fazit ziehen: Der Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen funktioniert, er hat es wieder bewiesen. Aber er funktioniert nicht wegen Ihrer Politik,
Ich hoffe, dass Sie dem Katastrophenschutz die Aufmerksamkeit widmen und diese chaotische Politik beenden. – Danke schön.
kan Kyrill führt zum größten Einsatz von Feuerwehr und Katastrophenschutz in einer Krisensituation seit Bestehen des Landes. Für Feuerwehr und Katastrophenschutz waren 41.534 Einsätze zu bewältigen. Dabei waren ca. 43.000 haupt- und ehrenamtliche Kräfte eingesetzt. Hinzu kamen 13.500 Einsätze der Polizei, die ebenso einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Lage geleistet hat.
Zuallererst möchte ich allen Einsatzkräften, den Polizisten, den Feuerwehrleuten, den Mitgliedern der Hilfsorganisationen, den THW-Helfern, den Forstleuten sowie den Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßenbau, den Dank der Landesregierung, aber auch meinen persönlichen Dank aussprechen. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass sie unter Zurückstellung privater Belange ihre Kraft, ihr Können und ihre Zeit in den Dienst unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger gestellt haben. Die hohe Professionalität, mit der sie ihre Aufgabe gemeistert haben, hat bundesweite Beachtung erfahren.