Protokoll der Sitzung vom 07.02.2007

Deshalb müssen wir jetzt handeln; die Instrumente dafür haben wir. Wir brauchen mehr Energieeffizienz, und mehr erneuerbare Energien sind einzusetzen.

Kolleginnen und Kollegen von der CDU- und von der FDP-Fraktion, wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie doch der Wirtschaftsministerin, die ich gestern auf der E-World hören konnte und die von einem enormen Potenzial sowohl im Bereich Umweltschutz als auch im Bereich Arbeitsplätze gesprochen hat. Sie hat das in der „Westfälischen Rundschau“ getan und auch gestern vor einem sehr ausgewählten Publikum auf der E-World: 16.500 Arbeitsplätze und 4,2 Milliarden € Umsatz sind Fakten, an denen auch Sie nicht vorbeikommen.

Mit erneuerbaren Energien – und nur damit! – kommen wir hier weiter. Vor diesem Hintergrund verweise ich noch einmal – Frau Fasse hat ja das Handeln im politischen Raum angesprochen – auf unseren Antrag aus der letzten Plenarwoche zur Biomassestrategie, die lange von Herrn Uhlenberg angekündigt wurde und die wir in dem Antrag für das Land Nordrhein-Westfalen, für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen und für den Schutz des Klimas und für unseren Beitrag dazu endlich einfordern. Wir können nicht immer woanders hinblicken. NRW hat in der Klimadebatte einen Beitrag zu leisten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Forsmark und andere atomare Schwachpunkte, die wir auf der Welt haben, sind in dieser ernsten Debatte um die Zukunftsvision keine Alternative.

(Beifall von der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, kehren Sie um! Die Zeit für Halbwahrheiten ist vorbei. Der Tag rückt näher, an dem der Klimawandel jeder Kontrolle entgleitet. Es ist Zeit für eine Revolution des politischen Handelns. Das sage nicht ich – ich will mich da nicht mit fremden Federn schmücken –, sondern das sagte der französische Staatspräsident Jaques Chirac bei der Berichterstattung des Wirtschaftsrates. Ich appelliere an Sie, ihm nachzufolgen. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stinka. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Weisbrich das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Presselandschaft im Umfeld der Pariser IPCC-Konferenz verfolgt hat, hat erstaunliche Kommentierungen festgestellt, beispielsweise: In der medialen Wahrnehmung zum Klimaschutz finden die Grünen bundesweit nicht mehr statt. – Ich kann das nachvollziehen, ich kann auch den Ärger darüber nachvollziehen. Das scheint mit die Ursache dafür zu sein, dass wir von den Grünen in immer schnellerer Taktfrequenz Anträge – auch zu Aktuellen Stunden – zum Klimaschutz vorgelegt bekommen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir müssen versuchen, den Lernprozess zu beschleuni- gen!)

Wenn irgendwo das Wetter durcheinandergerät oder wenn eine neue Interpretation des Universums auf den Markt kommt – flugs sind die Grünen dabei. Leitthema: „Apocalypse now, wir sind die Gutmenschen, Nordrhein-Westfalen muss endlich die Welt retten!“

Meine Damen und Herren, ich will das Thema „Verantwortung des Menschen für den Kohlenstoffkreislauf und damit möglicherweise auch für die Erwärmung der Erdatmosphäre“ keinesfalls kleinreden.

(Frank Sichau [SPD]: „Möglicherweise“?)

Wir kämen aber weiter, wenn wir uns in der Debatte weniger von Emotionen und mehr von harten Fakten leiten ließen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Für dogmatische Aussagen und Unterstellungen ist Klimaforschung viel zu komplex.

Frau Schulze, es ist nicht so, dass man sagen kann: Es gibt ein ganz schmales Zeitfenster, und

alles ist machbar, wir müssen es nur wollen. – Das ist für den, der sich mit dem Klima ernsthaft, wissenschaftlich befasst, wirklich notorischer Unfug.

(Svenja Schulze [SPD]: Wir müssen doch wohl was tun, oder?)

Es ist richtig, dass die „Glaubenskongregation der Klimaforschung“ namens IPCC jetzt in ihrem vierten Arbeitsbericht festgestellt hat, der Mensch sei sehr wahrscheinlich der Verursacher der Erderwärmung. Es ist auch im Großen und Ganzen unumstritten, dass der Mensch einen Anteil dazu leistet.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Der Internationale Wissenschaftsrat zum Klimawandel kommt zu dieser Einschätzung, weil ein weltweiter Industrialisierungsprozess, Energieerzeugung, Brandrodungen in unvorstellbarem Ausmaß, großflächige Abholzung der klassischen Klimasenke Wald, aber auch intensive Land- und Viehwirtschaft für immer mehr Menschen dazu beitragen, das Gleichgewicht der biologischen Pumpe zwischen Pflanzenwelt, Boden, Ozeanen und Atmosphäre zu stören.

Im natürlichen Gleichgewichtszustand – Frau Schulze, das sollten Sie sich einmal merken – enthält die Erdatmosphäre etwa 2,7 Billionen t CO2. Die vom Menschen verursachte bilanzielle Jahreszunahme des CO2-Gehaltes beträgt nach IPCC-Angaben ca. 8 Milliarden t. Das ist schon eine gewaltige Differenz. Wenn man dann noch sieht, was Russland, China, die USA, Indonesien und andere tun, dann muss man sagen, dass das Gewicht von Nordrhein-Westfalen in diesem Kontext sehr, sehr gering ist. Das heißt nicht, dass man es vernachlässigen darf; das heißt nicht, dass wir keine Vorbildfunktion haben sollten. Aber das Gewicht ist sehr, sehr gering. Und alles, was man tut und fordert, muss man sich vor dem Hintergrund von Kosten und Nutzen sehr genau überlegen.

(Beifall von der FDP)

Um den globalen Temperaturanstieg auf etwa 2 Grad Celsius zu begrenzen, was wir im Prinzip ja alle wollen, wäre es bei monokausaler Betrachtung – also wenn wir nur die Verbrennungsvorgänge sehen – notwendig, den CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre bei etwa 500 ppm, „parts per million“, zu stabilisieren.

Ich weise aber darauf hin: Es gibt noch ganz andere Ursachen, beispielsweise Sonneneruptionen, die jetzt auch erforscht werden, die viel stärker

durchschlagen können als alles, was wir als Menschlein hier so treiben. Aber sei’s drum!

Stellen wir uns einmal die Frage: Wie kann es gelingen, den CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre, wie ich es eben geschildert habe, tatsächlich stabil zu halten? Das UN-Klimasekretariat in Bonn sieht in seinem Bericht „Treibhausgase 2006“ als wesentliche Ursachen der seit 2000 wieder ansteigenden CO2-Emissionen die Entwicklung der Boomstaaten wie China und Indien, den Wirtschaftsaufschwung in den Ex-Ostblockstaaten sowie den zunehmenden Luftverkehr – nicht die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen.

Die EU-Kommission schlägt in ihrem Anfang Januar vorgelegten Bericht zur Energiezukunft ein sehr ambitioniertes Kohlendioxid-Reduktionsszenario bis zum Jahr 2050 vor. Herr Kollege Priggen, ausgesprochen interessant! Aber wenn Sie den Bericht lesen, werden Sie wahrscheinlich rückwärts umschlagen. Denn nach EU-Kommissionsmeinung soll der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2050 auf 22 % ansteigen, während 30 % des Energiebedarfs aus Kernkraft abgedeckt werden sollen; damit soll der Anteil an benötigten fossilen Brennstoffen unter 50 % gedrückt werden. Die EU-Kommission ist der festen Überzeugung, dass das nur auf diesem Weg gelingen kann: erneuerbare plus Kernenergie.

Nur nebenbei bemerkt: Die EU-Kommission ist auch der Auffassung, dass, falls die Kyoto-Ziele in Europa erreicht werden sollten, ein Ausbau der Kernkraft unverzichtbar sei. – Ich weiß, dass das für Sie fast der GAU ist. Aber auch Ihnen sollte diese Einschätzung zu denken geben.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Sie haben ja bereits bei der Kohledebatte erlebt, dass es ab einem bestimmten Informationsstand geboten ist, selbsterrichtete Barrikaden zu räumen.

(Beifall von der FDP)

Deshalb rate ich Ihnen: Werfen Sie ideologischen Ballast ab, und begleiten Sie konstruktiv das konkrete Klimaschutzprogramm der Landesregierung! Dies ist ein gutes Programm. Es wird in etwa so aussehen:

Zunächst einmal hat die Landesregierung im Dezember 2006 ein Gutachten zum CO2-Mengengerüst in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben, weil die abgewählte rot-grüne Landesregierung das bisher versäumt hatte. Ich glaube, wir stimmen überein: Anspruchsvolle Klimaschutzziele lassen sich ohne Kontrollbasis nicht umsetzen.

In einem zweiten Schritt startet die Landesregierung ihre Energieeffizienzoffensive „NRW spart Energie“, die an Unternehmen, Kommunen und Privathaushalte adressiert ist.

In einem dritten Schritt legt die Landesregierung das NRW-Konzept für erneuerbare Energien vor. Dieses Konzept wird durch eine Biomassenstrategie für Nordrhein-Westfalen ergänzt.

Die strategische Klammer für alle energiepolitischen Aktivitäten zum Klimaschutz bildet schließlich das Konzept zur Energieforschung in Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, das ist ein rundes, sehr vernünftiges Programm.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme sofort zum Schluss. – In den nächsten Wochen wird die Landesregierung eine gut geplante Handlungsoffensive starten, die dem Klima hilft, ohne unseren Schlüsselbranchen, beispielsweise der Automobilindustrie, zu schaden, und die gleichzeitig Chancen für Umwelttechnologie vom Feinsten aus Nordrhein-Westfalen eröffnet. Ich glaube, die Landesregierung ist auf einem guten Weg. Ich möchte sie ausdrücklich ermuntern, so fortzufahren. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat noch einmal Herr Priggen das Wort. Bitte sehr.

Reiner Priggen (GRÜNE) : Lieber Kollege Weisbrich, ich weiß, dass Sie von der Glaubenskongregation für den Glauben an die Landesregierung sind. Das ist auch völlig in Ordnung. Allerdings sind die inhaltlichen Differenzen bei den Positionierungen der CDU doch sehr deutlich geworden.

Frau Fasse, dem ganzen ersten Teil dessen, was Sie geschildert haben, stimme ich komplett zu.

(Beifall von Oliver Keymis [GRÜNE])

Sie haben das sehr richtig beschrieben. Genau so ist es in der Tat. Sie haben die ganzen Fakten richtig dargestellt.

Herr Weisbrich hat aber eben das IPCC als Glaubenskongregation diffamiert und an dieser Stelle – wie schon Herr Ellerbrock – wieder auf die Boomstaaten China und Indien hingewiesen. Dann müssen Sie doch Folgendes zur Kenntnis neh

men: Indien und China sind prosperierende Wirtschaftsstaaten, die auch hohe technologische Ansprüche haben, in denen im Moment aber noch 1 bis 2 t CO2 pro Person erzeugt werden.

Das ist der entscheidende Punkt. Wir wissen, dass die Wirtschaft in China sehr stark wächst und weiter wachsen wird. Auf längere Sicht werden die Chinesen doch sagen: Wir haben den gleichen Anspruch an Ressourcen wie ihr in Westeuropa und in Amerika.

Auf längere Sicht – das mag zehn, 20 oder 30 Jahre dauern – werden wir nicht klarkommen, wenn wir uns nicht auf ein einheitliches Niveau verständigen. Das hat natürlich Konsequenzen; denn es bedeutet, dass wir in den industrialisierten europäischen und amerikanischen Staaten zu einer CO2-Reduktion um 80 % kommen müssen, während die anderen, beispielsweise die Chinesen, ein Level von maximal 3 bis 4 t erreichen dürfen.