Protokoll der Sitzung vom 08.02.2007

aber es ist von uns mit breiter Unterstützung vieler Sachverständiger in die Gespräche in Berlin eingespeist worden. Ich sage noch einmal: Wenn wir dort von den Sozialdemokraten unterstützt worden wären, die dort auch für Nordrhein-Westfalen Verantwortung tragen, hätten wir noch mehr herausholen können.

(Beifall von der FDP)

Aber das, was erreicht worden ist, wird uns Möglichkeiten bieten, die wir jetzt organisieren müssen. Das ist überhaupt keine Frage. Dazu hat der Ministerpräsident schon einiges ausgeführt. Wir diskutieren über unterschiedliche Möglichkeiten, die wir noch bündeln werden. Es gibt gute, es gibt verheißungsvolle Ansätze, die wir noch stärker unterfüttern wollen. Wir brauchen ein kräftiges Aufbruchsignal gerade in die betroffenen Bergbauregionen hinein.

Auch deshalb ist das, was die SPD in den letzten Tagen und Wochen mit Blick auf den Sockelbergbau gemacht hat, so verheerend. Was die Menschen – das gilt nicht nur für die Bergleute in den betroffenen Revieren – jetzt bräuchten, das wäre ein klares Signal aller politisch Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen: Wir stehen Seite an Seite, um die Herausforderungen, die auf die betroffenen Reviere zukommen, gemeinsam bewältigen zu können.

Man tut den Menschen dort doch keinen Gefallen, ihnen zu suggerieren: 2012 gibt es vielleicht doch noch eine Wiedereinstiegsmöglichkeit. – Das würde das nötige Aufbruchsignal im Keim ersticken. Die Leute brauchen endlich Planungssicherheit. Die brauchen Klarheit für ihre persönliche Lebensplanung. Die betroffenen Kommunen brauchen Klarheit. Die müssen sofort mit einer Anschlussplanung loslegen: für die jeweiligen Zechen und Reviere, für die Bereiche, für die Grundstücke, die anders beplant werden müssen.

Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie dort neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das ist die Gesamtverantwortung des Landtags Nordrhein-Westfalen. In der bisherigen Debatte habe ich leider keinerlei Hinweise gesehen, dass Sie bereit wären, sich darauf einzulassen.

(Beifall von der FDP)

Wir werden das also im Zweifel alleine machen müssen. Das werden wir aber auch so hinbekommen. Schließlich sind wir auch dafür gewählt worden. Wenn die Menschen das SPD und Grünen zugetraut hätten, hätten sie sie nicht abgewählt. Von daher werden wir das umsetzen und das erreichen, wofür wir von den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen mandatiert worden sind.

Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, dass die Ergebnisse, die wir heute debattieren, von den Freien Demokraten mit besonderer Freude, mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis genommen worden sind. Denn wir standen – das wissen Sie alle – über viele, viele Jahre in der Debatte über den Ausstieg aus dem Subventionsbergbau gewissermaßen wie einsame Rufer in der Wüste.

Zum Schluss darf ich noch sagen: Ich habe aus meinem Archiv einen Antrag der Fraktion der FDP vom 18. September 2000 mit dem Titel „Zukunftskonzept Montanregion – Beihilfenanpassung aktiv gestalten“ herausgesucht. Ich erinnere mich noch so gut daran, weil ich ihn selber am PC getippt habe. Da haben wir erstmals eine Initiative eingebracht – erstmals in der Geschichte des Landtags hat eine Fraktion das getan –, den Subventionsbergbau zu beenden. Damals haben wir gesagt: bis 2015. – Ungefähr da landen wir jetzt ja auch: 2014 für NRW.

Damals standen wir allein. Wir haben es dann zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der CDU geschafft, dieses Ziel des sozialverträglichen Ausstiegs in unserer Koalitionsvereinbarung zu verankern. Wir haben jetzt aus dem, was wir dort als gemeinsames Ziel für die Landes

regierung Nordrhein-Westfalen festgehalten haben, Realität gemacht. Daran lassen wir uns von den Bürgerinnen und Bürgern gerne messen. – Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Papke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Priggen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zuerst würde ich das Ergebnis, soweit wir es kennen, gerne grundsätzlich bewerten. Es gibt eine gute Nachricht. Die gute Nachricht ist aus meiner Sicht, dass es ein Enddatum für die Subventionierung des Bergbaus gibt. Darüber haben wir eine lange Diskussion geführt. Ich glaube, es ist für das Land NordrheinWestfalen wirklich das Beste und Vernünftigste – jenseits aller völlig legitimen Profilierungsstreitigkeiten zwischen großen und kleineren Parteien –, dass dieser Endpunkt festgesetzt worden ist. Damit gibt es eine klare Strecke für alle, die vom Bergbau betroffen sind, die im Bergbau arbeiten, die zuliefern, auch für die – das ist mir bisher viel zu kurz gekommen –, die negativ vom Bergbau betroffen sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insofern ist die gute Nachricht, dass diese Entscheidung nun vorliegt und man auf dieser Basis in den nächsten Jahren tatsächlich für die Region planen kann.

Ich bin mir sicher, dass die Revisionsklausel daran nichts mehr ändern wird, weil diese Klausel – in dem Punkt werden wir Ihrem Entschließungsantrag, wenn Sie zu einer differenzierten Abstimmung bereit sind, folgen – in der Substanz nicht mehr tragen kann. Denn es gibt keinerlei realistische Erwartung, dass sich die Förderkosten hier nach unten und die Weltmarktpreise in entsprechendem Maße nach oben entwickeln. Wir wissen vielmehr – das ist bekannt, wenn man ein bisschen genauer hinschaut –, dass die Entwicklung, was die Förderkosten angeht, aufgrund großer geologischer Probleme eher umgekehrt läuft. Deswegen kann die Revisionsklausel nicht greifen.

Um das gleich unmissverständlich klarzumachen: Es ist auch gut, wenn das Land NordrheinWestfalen und eine deutliche Mehrheit im Landtag sagen, dass sie das auch politisch nicht wollen, damit deutlich wird, dass man zwar eine Revisionsklausel in die Vereinbarung aufnehmen kann –

wir wissen auch, dass sie zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Legende dient –, sie aber in der Sache nicht greifen wird. Im Folgenden muss man darauf achten, dass nicht doch noch an irgendwelchen Stellschrauben gedreht wird, um einer Revision Vorschub zu leisten.

Ich finde es bedauerlich, dass Frau Kraft vorhin mit keinem Wort – dazu finde ich auch in dem Eckpunktepapier nichts – auf diejenigen eingegangen ist, die massiv betroffen sind. Für diese Menschen ist es unglaublich schwer. Die Bergleute und ihre Familien haben Garantien und Sicherheit bekommen. Aber es gibt sehr viele von den negativen Folgen des Bergbaus betroffene Bürgerinnen und Bürger, die allerdings selten Erwähnung finden und die jetzt die Sorge umtreibt, dass sie in den letzten Jahren, in denen der Bergbau noch arbeitet, überproportional zu Opfern werden. Für diese Menschen ist es schwer, einzusehen, dass sie, weil andere noch einige Jahre auf einer Zeche arbeiten sollen, mit ihren Häusern, mit ihrem Eigentum – in der Regel handelt es sich bei diesen Leuten nicht um Millionäre, sondern um solche, für die ihr Eigenheim wirklich einen großen Wert darstellt – überproportionale Opfer bringen sollen.

(Beifall von CDU und FDP)

Darum müssen wir uns in der vor uns liegenden Detailarbeit noch kümmern, denn dazu taucht in dem Papier bisher nichts auf.

Das war insgesamt die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass der Bund entgegen seiner aus meiner Sicht eigentlichen politischen Verantwortung die Lasten überproportional bei NRW ablädt. Ich habe dafür kein Verständnis; das habe ich gestern schon gesagt. Der Bund hat, wenn wir die gesamte zeitliche Strecke der Kohlefinanzierung in den Blick nehmen, immer um die 90 % der Subventionen bezahlt. Die Kohle ist im nationalen Interesse mit einer gewissen historischen Begründung gefördert worden; die Abwicklungslasten im nationalen Interesse werden aber überproportional auf Nordrhein-Westfalen abgeladen. Das ist aus meiner Sicht nicht korrekt. Insofern ist das der schlechte Teil der Nachricht.

Dann gibt es eine ganze Reihe offener Fragen, die noch erhebliche Risiken für NordrheinWestfalen beinhalten. Der Punkt hieß „Unterrichtung durch die Landesregierung“. Vor diesem Hintergrund bedaure ich es, Herr Ministerpräsident, dass wir vorhin von Ihnen in Ihrer längeren Rede substanziell über das hinaus, was uns schon an Informationen vorlag, nichts Neues gehört haben. Das ist schade. – Während Ihrer Rede habe ich

übrigens gedacht, Herr Ministerpräsident, Sie würden uns jetzt das vorlesen, was Herr Kuschke in der Staatskanzlei früher immer zum Ruhrgebiet aufgeschrieben hat.

Meine Sorge ist – da werden wir genau hinschauen –, dass die ganze organisierte Intransparenz, die uns immer Probleme gemacht hat, genauso weitergeht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Frage ist, ob das, was an Modellrechnungen, an Zahlen vorlag – es ist ja offensichtlich wesentlich mehr an Substanz da, als im Eckpunktepapier steht und als Sie jetzt gesagt haben –, in den nächsten Wochen und Monaten transparent gemacht wird. Wesentliche Punkte sind ja noch offen: die Finanzstrecke von 2009 bis 2014, die Frage der Verteilung zwischen Bund und Land und die Frage, wie der angekündigte und von Frau Ministerin im Wirtschaftsausschuss vorgetragene Mehrbedarf in Höhe von 1,5 Milliarden € aufgeteilt wird.

Ich habe immer gesagt, die 750 Millionen € müssten einsparbar sein – vorausgesetzt, die Zahlen hätten gestimmt, die uns Schröder damals verkündet hat. Ich muss heute zur Kenntnis nehmen, dass diese Zahlen in der Substanz das Papier nicht wert waren, auf dem sie standen.

Es bleibt also die Frage: Wie lautet die reale Höhe der Subventionen, die das Land wird zur Verfügung stellen müssen, und was ist die sachliche Grundlage für diese Zahlen?

Die Erfahrung zeigt, dass der Bergbau immer bereit ist, sich öffentlicher Mittel zu bedienen, dass er mit der Androhung von betriebsbedingten Entlassungen auch immer ein starkes Argument in der Öffentlichkeit hat und die öffentlichen Hände immer die Zeche zahlen. Es ist zu klären, wozu diese 1,5 Milliarden im Detail dienen sollen, ob sie wirklich notwendig sind oder ob der Betrieb auch so gefahren werden könnte, dass weniger Kosten entstünden. Es ist ein Irrsinn, ein Bergwerk weiter zu betreiben, wo pro Tonne 349 € Kosten anfallen. Es geht also um die Planung der einzelnen Standorte, die Planung des Mitteleinsatzes usw.

Das bedingt ein Maß an Detailinformationen, über die Sie sich unterschiedlich äußern. Manche Vertreter der Regierung sagen, sie hätten diese Informationen nicht. Von anderen Stellen wiederum hört man, dass sie sehr wohl im Wirtschaftsministerium vorlägen. Dann gibt es noch den Hinweis darauf, dass es betriebsgeschützte Daten seien, die man deswegen nicht transparent mache.

Es kommt jetzt auf uns zu, zu sagen: Wenn der Ausstieg aus dem Bergbau sowieso klar ist und es im Kern nur noch um die sozialverträgliche Abwicklung geht, muss alles an Fakten auf den Tisch. Denn jede 100-Millionen-€-Summe, die unnötig herausgeht, tut dem Land und auch anderen überproportional weh und nützt auch niemandem mehr, weil die Sozialverträglichkeit festgeschrieben ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen die dringende Bitte, mehr Transparenz herzustellen!

Dann will ich einige Punkte ansprechen, die sich bei genauem Hinsehen natürlich etwas anders darstellen als in der verkürzten medialen Wiedergabe.

Es ist richtig, dass sich, wie zu lesen, NordrheinWestfalen nicht mehr an den Absatzbeihilfen beteiligt. Das mögen dann 460 Millionen € sein. Richtig ist allerdings auch, dass alle anderen Kostenpunkte – Anpassungsgeld, Stilllegungskosten, Altlasten – auf uns zukommen. Für mich errechnet sich daraus, wenn ich es nur mit Bordmitteln überschlage, eine Summe in einer Größenordnung von 800 Millionen bis 1 Milliarde €, die für den Zeitraum von 2015 bis 2018 für NRW mindestens noch als Anteil anfallen müsste – allerdings auf der Grundlage einer Modellrechnung, der ich entnehme, dass erst 2018 Stilllegungskosten in der Größenordnung von 1 Milliarde € entstünden, als ob erst 2018 die letzten Zechen mit 8 Millionen t stillgelegt werden sollten.

Deshalb noch einmal die dringende Bitte: Legen Sie diese Planung offen! Es kann ja nicht vernünftig sein, die letzten Zechen mit 8 Millionen t erst 2018 stillzulegen.

Die Informationen in dem Papier, das wohl gerade in der SPD-Pressekonferenz verteilt worden ist, decken sich größenordnungsmäßig mit den von mir gerade genannten Zahlen. Nur: Die Modellrechnungen, die dahinter stehen – im Eckpunktepapier wird ja von „vorliegenden Modellrechnungen“ gesprochen; und ich kenne die Modellrechnung aus den letzten Verhandlungen, die wir geführt haben –, die müssen auf den Tisch, müssen transparent gemacht werden. Denn 8 Millionen t erst 2018 stillzulegen ist Unfug! Es muss eine ganz andere Degression dabei herauskommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es bleibt also wesentlich mehr beim Land hängen, als es in der verkürzten medialen Darstellung scheint. Darüber werden wir reden müssen.

Zweiter Punkt: Ich habe ein Papier bekommen, das wohl in dem von Minister Pinkwart eben geführten Pressehintergrundgespräch eine Rolle gespielt hat. Darin tauchen diese 272 Millionen € Einsparung auf. Diese 272 Millionen € sollen sich aus dem Vorziehen der Finanzierung von Alt- und Ewigkeitslasten in den Zeitraum vor 2018 ergeben.

Das kann nicht sein, wenn das KPMG-Gutachten Grundlage der Modelle ist.

Wir wissen aus der Sitzung im Wirtschaftsausschuss, dass im KPMG-Gutachten relevante Sachen vergessen worden sind. Wir kennen nicht die genaue Größenordnung dessen, was vergessen wurde, aber in jedem Fall ist das ewigkeitslastenrelevant. Man kann nur den Eindruck haben, dass im KPMG-Gutachten Sachen stehen, die keine Ewigkeitskosten darstellen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die RAG kennt 2.200 Schächte nicht – deren Lage nicht, deren Zustand nicht –, die KPMG geht aber von 438 Millionen € Kosten aus. Das ist keine Ewigkeitslast. Das gehört zum laufenden Reparaturbetrieb, der jetzt zu erledigen ist – wie man auch eine Schachtanlage, die stillgelegt wird, jetzt in einen ordentlichen Zustand bringt. Das heißt, die Sanierung dieser Schächte – die ja auch von Personal vorgenommen werden kann, das ich aus dem laufenden Betrieb abziehe – muss, damit nicht woanders Schäden verursacht werden, sofort einsetzen. Sie ist Teil der Plafonds, die noch zur Verfügung gestellt werden müssen. Anders kann es nicht sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn wir hören, dass 272 Millionen € praktisch herübergeschoben worden sind, wir aber überhaupt nicht wissen, was das im Detail heißt und inwieweit die Deicherneuerungskosten quantifizierbar sind, können wir als Oppositionsfraktion nur sagen: Wir werden noch sehr genau über die Details reden müssen. Denn von den Kosten landen entweder 20 % oder zwei Drittel beim Land. Da gibt es einen Spielraum von etlichen 100 Millionen €. Das ist bis jetzt nicht transparent. Das muss man noch klären. Die Ganze ist unvermeidlich, das kann man niemandem anlasten. Aber wir sagen: Es muss Klarheit geben.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: 20 ist besser als zwei Drittel!)