Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Deshalb sollten wir tatsächlich die Anhörung in aller Breite durchführen, um Unklarheiten, die möglicherweise im Raum stehen, zu beseitigen.

Meine Damen und Herren, wir fangen ja nicht heute mit der Debatte an. Herr Kuschke, Herr Ellerbrock und Herr Schulte kennen die aus der Vergangenheit. Wir könnten auch als Wanderzirkus auftreten. Wir haben schon über mehrere Jahre diese Debatte am Landeswassergesetz geführt, und immer wieder ist sie wie das Hornberger Schießen ausgegangen. Insofern ist es manchmal – nicht immer – gut, bei dem zu bleiben, was man hat. Und das ist der Grundsatz, dass die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung hoheitliche Aufgaben sind. Das würde ich gerne festhalten, denn bisher hat es der Landtag in seiner großen Mehrheit – die FDP ist da, wie gesagt, außen vor – auch immer festgehalten.

Ich habe allerdings beim Vorgehen ein paar Bedenken – das war schon in der Vergangenheit so und ist jetzt auch so – gegenüber dem, was von der Seite der Wasserverbände kommt, und auch gegenüber dem, was die sozialdemokratische Fraktion hier vorgetragen hat, dass man nämlich den Wasserverbänden die Möglichkeit einräumt, Kanäle zu übernehmen oder ganze Kanalnetze zu kaufen. Es geht nicht darum, dass sie Abwasserbeseitigung betreiben – das stellt keiner infrage; das können im Übrigen auch Private; Kommunen können Privaten die Abwasserbeseitigung über

tragen –, sondern es geht um die Hoheit über die Infrastruktur.

Wenn man es allein den Wasserverbänden eröffnen würde, das zu tun – das haben wir in der letzten Legislaturperiode unter dem Stichwort „Privileg für die Wasserverbände“ diskutiert –, dann laufen Sie einfach Gefahr, dass diese Frage europarechtlich nicht vereinbar ist. Die Gefahr hat Herr Ellerbrock in Person am Pult auch deutlich gemacht: Die stehen schon da. Wir diskutieren nicht im luftleeren Raum, sondern die Privaten stehen schon da. Wir werden also diese Frage europarechtlich klären müssen.

Nicht umsonst hat das Ministerium zur Vorbereitung der Neufassung des Landeswassergesetzes – im Übrigen einmalig – die Anhörung im Landtag und in einer großen Öffentlichkeit gemacht, um zu dokumentieren – so habe ich das verstanden –, dass, wenn man in die eine Richtung geht, aus der anderen sofort die Kelle kommt. Deshalb ist es besser, man bleibt bei der geltenden Gesetzeslage. Wenn man das Privileg an die Wasserverbände ausspricht, wenn man da Öffnungen macht, werden wir europarechtlich die Kelle bekommen. Der andere Weg, der private Weg, den andere Bundesländer gesetzlich gegangen sind, ist aus der Tatsache der Umsatzsteuerbefreiung heraus nicht möglich. Deshalb ist es richtig, bei dem jetzigen Stand zu bleiben.

Unter diesen Voraussetzungen könnte man dem gesetzlichen Weg, den Sie jetzt vorschlagen, zustimmen. Aber Sie sind natürlich auch ein wenig schlitzohrig gewesen, indem Sie die ergangene Rechtsprechung nicht weiter hinterfragt haben und die Berufung zurückgezogen haben. Sie haben also den drei Kommunen den Weg eröffnet.

(Widerspruch von Christian Weisbrich [CDU])

Ja, selbstverständlich! Wir haben doch im Ausschuss schon darüber geredet. Selbstverständlich hätten Sie die Zeit von zwei, drei Monaten gehabt, die gesetzliche Neuregelung zu fassen und gleichzeitig die Berufung aufrechtzuerhalten.

(Zustimmung von GRÜNEN und SPD)

Es gab Druck aus Ihrer Fraktion von Frau BrunertJetter und Herrn Kleff aus Meschede, dann gibt es einen Oberbürgermeister in Hamm, und dann gibt es Initiativen im Bereich des Erftverbandes, die gedrückt haben.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Genauso ist es!)

Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass Sie nicht diese drei haben durchs Netz schlüpfen lassen, um jetzt das Gesetz im Nachhinein für alle anderen zuzumachen. Das ist der Schönheitsfehler bei Ihrer gesetzlichen Initiative, und dann sollten Sie auch so ehrlich sein, das hier im Hohen Hause zu sagen.

Meine Fraktion ist also der Auffassung: Die Abwasserbeseitigung ist und bleibt hoheitliche Aufgabe. Daran sollte der Landtag insgesamt festhalten. Insofern kann man einem solchen gesetzlichen Weg im Grundsatz zustimmen – wenn nicht dieser Schönheitsfehler wäre. Aber wir werden ja im Laufe der Beratungen und in den Anhörungen das eine oder andere noch klären können.

Herr Remmel, im Sinne eines lebendigen Parlamentes: Es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weisbrich. Ihre Redezeit ist allerdings zu Ende. Geben Sie dieser Zwischenfrage noch Platz?

Das liegt in Ihrer Hand, Herr Präsident.

Sie müssen sagen, ob Sie die Zwischenfrage noch zulassen.

Ja, ich lasse sie natürlich zu.

Gut. – Bitte schön, Herr Weisbrich.

Herr Kollege Remmel, Sie haben das eben sehr vereinfacht dargestellt. Ist Ihnen bewusst, dass die Landesregierung nicht sicher sein konnte, ob das Oberverwaltungsgericht diese Berufung zulässt? Es ist also nicht ein normales Berufungsverfahren, sondern es ging darum, dass noch offen war, ob die Berufung zugelassen würde. Wenn sie nicht zugelassen worden wäre, wäre flächendeckend eine Übertragung auf die Wasserverbände erfolgt. Das war der Grund. Ist Ihnen das klar?

(Svenja Schulze [SPD]: Das müssen doch die Kommunen entscheiden!)

Das ist mir völlig klar, Herr Weisbrich. Aber es gibt Erfahrungswerte – und hier handelte es sich um einen Zeitraum von zwei oder drei Monaten –, wann Gerichte solche Entscheidungen treffen. Herr Weisbrich, wenn Sie zu uns, zur Grünen-Fraktion oder zur SPD-Fraktion, gekommen wären und gesagt hätten, wir haben da

ein Problem, wir müssen schnell rechtlich handeln, dann hätten wir das in erster, zweiter und dritter Lesung zusammen direkt an einem Plenartag gemacht. Aber das haben Sie eben nicht getan, weil Sie diesen drei Kommunen das Schlupfloch noch öffnen wollten. Dabei bleibe ich, und das wird sich auch im Laufe der Debatte so herausstellen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Remmel. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Uhlenberg.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen der CDU und der FDP haben in Konsequenz des zwischenzeitlich erledigten Rechtsstreits zwischen dem Lippeverband und dem Land Nordrhein-Westfalen den Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung wasserverbandsrechtlicher Vorschriften eingereicht, den wir heute in erster Lesung beraten.

Das Land hat immer die Rechtsauffassung vertreten, dass sich der Umfang der Aufgabe der Abwasserbeseitigung in den sondergesetzlichen Wasserverbänden nach den Maßgaben des Landeswassergesetzes richtet. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat dies in dem Rechtsstreit, der hier schon mehrmals zitiert worden ist, anders gesehen.

Es vertrat die Auffassung, dass nach der derzeit geltenden Rechtslage die Verbände ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Aufgabe der Abwasserbeseitigung hätten. Das Land müsse im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Genehmigungspflicht nach Beschluss der Verbandsversammlung einer Aufgabenübernahme durch die Verbände von den Kommunen ohne weitere Prüfung zustimmen. Das ist die Ausgangssituation, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Svenja Schulze [SPD]: Wenn die Kommu- nen das wollen!)

Nach dieser Gesetzesauslegung wird dem Land keine Möglichkeit gelassen, in einer Genehmigungsentscheidung wasserwirtschaftliche und strukturpolitische Erwägungen zur Geltung bringen. Gerade eine Fraktion wie die SPD-Fraktion, die immer sehr stark nach dem Staat ruft und meint, dass der Staat auch einen solch komplizierten Prozess entsprechend regeln müsste, beispielsweise im Bereich der Abwasserbeseitigung, müsste anerkennen, dass dies eine schwierige

Situation für das Land, für den Gesetzgeber ist. Wenn dann der Gesetzgeber keine Möglichkeiten mehr hat, in einer Genehmigungsentscheidung wasserwirtschaftliche und strukturpolitische Erwägungen bei einem so sensiblen Thema entsprechend zu berücksichtigen, meine Damen und Herren, dann muss das Problem gelöst werden.

Daher zieht der vorliegende Gesetzentwurf die notwendigen Konsequenzen zur eindeutigen Regelung des gewollten Rechtszustandes, der Basis für die Möglichkeit einer Gleichbehandlung von privaten und sondergesetzlichen Wasserverbänden sein soll. Er stellt klar, dass sich der Aufgabenumfang der Abwasserbeseitigung an den Vorgaben des Landeswassergesetzes bemisst. Ohne diese notwendigen klarstellenden Regelungen stünde den Verbänden jetzt ein Recht zu, das allen anderen verschlossen ist.

Um den alten Rechtszustand gleicher Wahrnehmungsmöglichkeiten wieder herzustellen, begrüßt und unterstützt die Landesregierung diesen Gesetzentwurf. Man muss sich einmal die Konsequenzen vorstellen, wenn wir nicht durch einen solchen Gesetzentwurf entsprechend handeln würden. Es liegt natürlich, Herr Abgeordneter Kuschke, ganz konkret im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, dass so gehandelt wird.

Im Vorfeld der heutigen ersten Lesung gab es ja eine große Aufgeregtheit von interessierten Organisationen, beispielsweise eine Presseinformation der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwirtschaftsverbände Nordrhein-Westfalen wie auch ein gemeinsames Schreiben der Wasserverbände an alle Landtagsabgeordneten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe beides mit Befremden zur Kenntnis genommen.

Die Unterstellungen, es handele sich um einen eiligst vorgelegten Gesetzentwurf – er ist nach diesem Urteil relativ zügig vorgelegt worden; das ist sicherlich richtig –, bar jeder Sensibilität im Umgang mit Wasser, vermag ich nicht einzusehen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Sie entbehren jeder Grundlage und sind gegenüber dem Parlament unangemessen.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Das Parlament beschäftigt sich ja schon seit längerer Zeit mit dieser Problematik. Es hat im Zusammenhang mit der Novellierung des Landeswassergesetzes eine Anhörung stattgefunden. Der Abgeordnete Kuschke hat gerade davon gesprochen, dass er offensichtlich eine weitere Anhörung beantragen möchte.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschke?

Ich darf das eben noch sagen: In dieser Anhörung wurden alle Gesichtspunkte angesprochen. Die Landesregierung hat darüber hinaus stets die Rechtsauffassung vertreten, dass sich die Aufgaben der sondergesetzlichen Wasserverbände nach Maßgabe des Landeswassergesetzes bestimmen. Ich lasse Ihre Zwischenfrage gleich zu, möchte aber zuerst noch meinen Gedankengang zu Ende führen.

Danke.

Dieser Gesetzentwurf beschneidet daher keine Rechte der sondergesetzlichen Wasserverbände und der Kommunen, sondern stellt die Beziehung der wasserverbandlichen Gesetze zum Landeswassergesetz klar. Dadurch wird die notwendige Basis wiederhergestellt, die dem Parlament den erforderlichen Freiraum für künftige Überlegungen verschafft. Deswegen dieser Gesetzentwurf, der in der Tat eilig vorgelegt worden ist, meine Damen und Herren.

Wir werden uns mit diesem Thema in den nächsten Jahren wohl noch des Öfteren beschäftigen müssen, insbesondere vor dem Hintergrund von Entscheidungen, die in Brüssel zu erwarten sind, etwa was diese Mehrwertsteuerfrage angeht, die bei all den Überlegungen zur Frage „Private oder der sondergesetzliche Verbände“ eine wichtige Rolle gespielt hat, und zwar auch in Vorbereitung des großen Gesetzentwurfs des Landeswassergesetzes hier bei uns in Nordrhein-Westfalen.

Herr Kuschke, bitte.

Vielen Dank, Herr Minister. Wir müssen das in der Anhörung noch einmal vertiefen.

Mir geht seit einiger Zeit die Frage durch den Kopf: Was waren das für wasserwirtschaftliche und strukturpolitische Entscheidungen, die sozusagen vor dem Gelsenkirchener Urteil geltend gemacht worden sind? Dann kommt das Gelsenkirchener Urteil. Und wir befinden uns jetzt im März 2007 und haben die Befürchtung, dass wieder ein Riesenwust an entsprechenden Dingen

dort nicht mehr einzubringen ist. Deshalb kommt der Gesetzentwurf.

Ich finde dafür keine Beispiele, auch nicht aus der Verwaltungspraxis der Vergangenheit oder aus dem Handeln des zuständigen Ministeriums.

Herr Abgeordneter Kuschke, ich kann Sie deshalb nicht verstehen, weil gerade dieser Gesetzentwurf dazu beitragen soll, dass wir im Hinblick auf künftige Entscheidungen, wie es mit der Abwasserbeseitigung weitergeht, sowie im Lichte des Urteils des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen durch diesen Gesetzentwurf sowie später durch die Novellierung des Landeswassergesetzes in Nordrhein-Westfalen eine Regelung finden müssen, wie die Abwasserbeseitigungspflicht in NordrheinWestfalen konkret gelöst werden soll.