Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU dem Kollegen Bollenbach das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier über einen Antrag zur Entwicklungszusammenarbeit, der meiner Fraktion sehr am Herzen liegt. Er unterstreicht, dass die Koalitionsfraktionen den entwicklungspolitischen Beitrag unseres Bundeslandes auch in Zeiten knapper Kassen zukunftsfest, effizient und profiliert gestalten werden.

NRW ist das wichtigste Nord-Süd-Land der Bundesrepublik Deutschland. So haben fast alle relevanten entwicklungspolitischen Organisationen ihren Hauptsitz in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommt, dass Nordrhein-Westfalen mit Bonn den deutschlandweit einzigen Standort der Vereinten Nationen aufweisen kann.

Die entwicklungspolitische Arbeit des Landes leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen NordrheinWestfalens mit den Entwicklungsländern, sondern trägt auch zur dortigen Armutsbekämpfung aktiv bei.

Für meine Fraktion ist die Entwicklungspolitik kein unbeschriebenes Blatt. Bereits in der letzten Periode des Landtags haben wir einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht. Aus unserer Sicht ergeben sich fünf Handlungsschwerpunkte als Prioritäten für die zukünftige Arbeit in diesem Bereich, die ich Ihnen kurz erläutern möchte.

Erstens. Die Orientierung der Entwicklungszusammenarbeit des Landes an den Millenniumsentwicklungszielen der Vereinten Nationen hat herausgehobene Bedeutung. 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben mit der sogenannten Millenniumserklärung einen Katalog grundsätzlicher Zielsetzungen für alle UN-Mitgliedstaaten verabschiedet. Die entwicklungspolitische Arbeit von Nordrhein-Westfalen muss sich zukünftig verstärkt an den Millenniumsentwicklungszielen der Vereinten Nationen orientieren. Sie bilden den politischen Rahmen für eine nachhaltige Entwicklungspolitik, zu deren Umsetzung auch verstärkt regionale Beiträge erforderlich sind.

Zweitens. Die Stärkung des internationalen UNStandortes Bonn ist eine nationale Aufgabe. Ge

genwärtig sind in 13 UN-Einrichtungen schon mehr als 600 UN-Mitarbeiter tätig. Bedingt durch die Ansiedlung von UN-Einrichtungen und deutschen Entwicklungsorganisationen ist die Stadt mittlerweile auch Sitz zahlreicher Nichtregierungsorganisationen geworden. Dieses Potenzial wollen wir im Interesse des Landes aktiv nutzen.

Langfristiges Ziel der Landespolitik muss es sein, in enger Zusammenarbeit mit dem Bund, mit den Kommunen, mit Wirtschaft und Wissenschaft die Region Köln/Bonn zum in Deutschland und Europa führenden Nord-Süd-Zentrum zu entwickeln und durch die Ansiedlung weiterer UN-Organisationen und zusätzlicher internationaler und nationaler Nichtregierungsorganisationen diesen Standort auszubauen und zu stärken.

Wir fordern die Landesregierung auf, Bonn als Kongressstandort durch eigene Veranstaltungen und durch Unterstützung internationaler Kongresse im Aufgabenbereich der Landesregierung weiter zu profilieren.

Drittens. Teile der nordrhein-westfälischen Wirtschaft widmen sich bereits der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Dieses Potenzial muss ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch, den Anteil privatwirtschaftlicher Förderung an der entwicklungspolitischen Arbeit in Nordrhein-Westfalen signifikant zu erhöhen.

Viertens. Das bürgerschaftliche Engagement in der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit ist für uns von entscheidender Bedeutung. Die über 3.000 ehrenamtlichen Gruppen in Nordrhein-Westfalen sind ein wichtiger Bestandteil der Entwicklungspolitik des Landes. Sie spiegeln das große bürgerschaftliche Engagement wider, das auf diesem Feld vorhanden ist.

Das neu konzipierte Koordinatorenprogramm, das erstmalig landesweit und flächendeckend die Vermittlung entwicklungspolitischer Bildungsinhalte im Sinne der Multiplikatorenfunktion gewährleistet, ist ein deutlicher Beleg unseres Gestaltungsanspruchs. Auch die Programme des Landes zum konkreten Friedensdienst und zur entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit werden fortgeschrieben und sind wichtige Bausteine.

Fünftens. Die Kooperation mit Entwicklungsorganisation und Hilfswerken muss im Sinne eines systematischen entwicklungspolitischen Dialogs vorangetrieben werden. Darüber hinaus ist auch die verstärkte Zusammenarbeit des Landes mit den zentralen Entwicklungsgesellschaften wie zum Beispiel mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, dem Deutschen Entwicklungs

dienst oder der KfW-Entwicklungsbank erstrebenswert.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung: Meine Fraktion hat mit Freude vernommen, dass sich die Landesregierung in Fragen der Entwicklungspolitik verstärkt dem afrikanischen Kontinent zuwenden möchte. Hier liegen große Potenziale für eine zukunftsgerichtete Zusammenarbeit. Über die konkreten Länderschwerpunkte wird sicherlich noch zu reden sein.

Aber, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Wenn wir über Entwicklungshilfe reden, fallen mir zum Beispiel Benin und Ghana ein. Schon heute gibt es zahlreiche Initiativen und Gruppierung in Nordrhein-Westfalen, die sich seit langer Zeit in Ghana engagieren. Das darf und kann man nicht ausblenden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bollenbach. – Als Nächster hat der Kollege Lindner für die zweite antragstellende Fraktion der FDP das Wort.

(Holger Ellerbrock [FDP] niest. – Zuruf von der CDU: Gesundheit!)

Dem Kollegen Ellerbrock von hier aus ein herzliches „Gesundheit“!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Klimaberichterstattung der Vereinten Nationen hat in diesen Tagen den Blick auch für Notwendigkeiten geschärft, Entwicklungsfortschritte in den Bereichen der Welt zu unterstützen, die von Klimaveränderungen in besonderer Weise betroffen sein werden.

Wir stellen fest, dass die Gesellschaften, die schon aufgrund ihrer Altersstruktur vor erheblichen Herausforderungen stehen – viele Länder in Nordafrika und im Nahen Osten haben ein Meridianalter von 14 bis 15 Jahren –, auch gleichzeitig Leidtragende der Klimaveränderungen sein werden.

Hier begegnen sich also umwelt- und entwicklungspolitische Notwendigkeiten. Es gilt, dem bei den entwicklungspolitischen Aktivitäten stärker Rechnung zu tragen, die das Land NRW entfalten will. Auch deshalb haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt, mit dem wir die Landesregierung auffordern – ich will besser sagen: mit dem wir sie weiter ermuntern wollen –, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und möglicherweise

hier und da noch Schwerpunkte herauszuarbeiten.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Aus Sicht meiner Fraktion ist die ganz konkrete Kooperation mit der Wirtschaft besonders hervorzuheben. Ich hatte in diesen Tagen die Gelegenheit, mit Wirtschaftspolitikern meiner Fraktion die Baugewerblichen Verbände in NordrheinWestfalen zu besuchen. Anlässlich dieses Gedankenaustauschs sind wir auch über das informiert worden, was in unserem Landeshaushalt unter der Überschrift „Maßnahmen der technischen Zusammenarbeit im Ausland“ passiert.

Das ist etwas, was wir in den Haushaltsberatungen noch nicht einmal so wahrnehmen, weil wir uns darauf konzentrieren, unser Koordinatorenprogramm weiterzuentwickeln, weil wir darüber nachdenken, wie die Stiftung Umwelt und Entwicklung neu aufgestellt werden kann. Diese Maßnahmen der technischen Zusammenarbeit im Ausland sind aber in besonderer Weise geeignet, Lebenssituationen von Menschen sehr konkret zu verbessern und einen Brückenschlag zwischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und in Ländern der Dritten Welt bzw. auf dem afrikanischen Kontinent zu erreichen.

An diese Programme anzuknüpfen und sie zu intensivieren, wäre gewiss für die Zukunft ein wichtiger und wertvoller Beitrag zu einer gesamten entwicklungspolitischen Strategie der Bundesrepublik.

(Ein Handy klingelt.)

Herr Staatssekretär, da klingelt nachhaltig Ihr Telefon, wenn ich das nur sagen darf.

(Parl. Staatssekretär Manfred Palmen: Vie- len Dank, Herr Generalsekretär!)

Bitte schön. Das ist Amtshilfe.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Zurufe)

Das war bestimmt der Innenminister: so, wie das vibriert hat. Das kennen wir.

(Heiterkeit)

Was lachen Sie schon wieder?

(Zurufe)

Ich kenne ihn besser als Sie.

Ich möchte einen zweiten Bereich hervorheben, nämlich alles, was wir im Inland an entwicklungspolitischer Arbeit und an Maßnahmen der Verständigung tun. Ich habe ein bisschen an der Diskussion bedauert, die wir in den letzten Monaten

geführt haben, dass gar nicht mehr unterschieden wird, welche Maßnahmen eigentlich konkret gefördert bzw. ergriffen werden und wie sich das auf die Dritte Welt und auf Schwellenländer auswirkt und was möglicherweise nur Gelder sind, die in Nordrhein-Westfalen für vielleicht gut gemeinte Projekte verwendet werden. Wir wollten mit unserem Antrag auch einen neuen Impuls für diese Debatte aussenden, sich stärker darauf zu fokussieren, was tatsächlich Entwicklungshilfe ist und was auf der anderen Seite in Nordrhein-Westfalen sicherlich gut gemeinte, aber auch von anderen zu leistende Bildungsarbeit und Unterstützung von Verbänden ist.

Wir jedenfalls wollen einen Beitrag dazu leisten, dass sich in Ländern der Dritten Welt und in Schwellenländern die konkrete Lebenssituation verbessert. Hier in Nordrhein-Westfalen nur darauf zu schauen, wie möglicherweise Strukturen finanziert werden können, ist jedenfalls aus entwicklungspolitischen Gründen nicht vordringlich.

Bezeichnenderweise hat es auch in der Fachöffentlichkeit Vorschläge gegeben, doch bitte schön im Haushalt Gelder für Projekte in der Dritten Welt zu streichen und dafür lieber im Inland die Bildungsarbeit zu verstärken. Für einen solchen Ansatz waren wir anlässlich der letzten Haushaltsberatungen nicht empfänglich. Ich glaube, wir werden das auch zukünftig nicht sein.

Letzter Gedanke, Frau Präsidentin: Insgesamt werden wir als FDP-Landtagsfraktion aus ordnungspolitischen Gründen weiter darauf achten, die klare Kompetenzordnung nicht zu verlassen. Entwicklungspolitik ist in erster Linie eine Aufgabe der europäischen Staatengemeinschaft und der Bundesrepublik Deutschland. Dort aber, wo das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen seiner Möglichkeiten einen konkreten Beitrag leisten kann, wollen wir das gerne tun. Wie das gelingen kann, haben wir Ihnen mit diesem Antrag vorgelegt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Fraktion der SPD hat Frau Hendricks das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das ist schon ein bemerkenswerter Antrag, und die Ausführungen von Herrn Lindner unterstreichen das. Alle Aussagen des Antrags sind zu begrüßen. Besonders freuen wir uns, dass nun auch die FDP erkannt hat, dass entwicklungspolitische Zusammenarbeit nicht nur Aufgabe des

Bundes, sondern auch eine Landesaufgabe ist, die in der Vergangenheit durch die Ministerpräsidenten in etlichen Vereinbarungen unterstützt und bestätigt worden ist.

Nordrhein-Westfalen ist Sitzland der UNO, hat eine Sonderrolle unter den Ländern. Es ist deshalb im Sinne Nordrhein-Westfalens, wenn es die Chancen, die mit diesem Sitz verbunden sind, aktiv nutzt und sich für die Stärkung des internationalen Standorts Bonn als Zentrum für den NordSüd-Dialog einsetzt. Da werden Sie in Zukunft heftige Aufgaben bei der Fusion der KfW-Bank haben, weil sich dann entscheiden wird, ob Nordrhein-Westfalen tatsächlich Sitzland bleibt.

(Minister Armin Laschet: Da fusioniert gar nichts!)

Aber auch angesichts der globalen Entwicklungen muss die entwicklungspolitische Zusammenarbeit ein wesentliches Merkmal von NRW sein. Darum sollte uns der Gedanke leiten, dass wir alle gemeinsam auf einer Erde leben und für die zukünftigen Generationen Ressourcen bewahren müssen. Wir dürfen der nachfolgenden Generation keine Welt hinterlassen, der wir die Lebensgrundlagen entzogen haben.