Wir brauchen jetzt nicht über Begriffe zu diskutieren. Ich habe es, wie die Frau Kollegin es erbeten hat, einmal mit der Zielrichtung erläutert, warum wir es bei Ingenieurwissenschaften so machen, wie wir es vorhaben, nämlich Technikinteresse von Mädchen fördern, und das schon in den Berufswahlkonzepten und im Schulalltag.
Die Landesregierung wird darüber hinaus in den nächsten Jahren einen Wettbewerb durchführen, um einmal alltagstaugliche Konzepte auf diesem Feld zu erarbeiten. Nur die haben Bestand. Partner bei diesem Vorhaben ist die Landesstiftung „Partner für Schule NRW“. Im Ausbildungskonsens, in dessen Rahmen die Landesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften, der Arbeitsverwaltung und den Kommunen an dem Ziel arbeitet, die Qualität der Ausbildung zu verbessern, wird ebenfalls das Thema Geschlechtergerechtigkeit eine wichtige Rolle spielen.
entierung erarbeitet. Da geht es erneut um eine neue Grundlage, geschlechtsspezifische und soziokulturelle Stärken und Schwächen von Schülerinnen und Schülern zu berücksichtigen und die Förderinstrumente darauf abzustimmen. Im Ausbildungskonsens ist das Projekt „Chancen für Mädchen in Handwerk und Technik“ gefördert worden, das vom Handwerkerinnenhaus in Köln durchgeführt wird.
Wichtig ist mir noch ein anderer Aspekt. Das ist – wenn ich noch einmal den SPD-Antrag ganz zart kritisieren darf –
ein Aspekt, der mir darin fehlt. Es ist die Frage der Vernachlässigung neuer Gesichtspunkte. Das eine ist die Frage der technischen Berufe. Sie fordern die Landesregierung auf, den geschlechtergerechten Zugang zu technikorientierten Berufen zu ermöglichen. Das lässt sich in dieser Pauschalität nicht als richtig erkennen.
So hat zum Beispiel die Friedrich-Ebert-Stiftung, eine Stiftung, die, wie der Name sagt, ursprünglich nicht gerade Christdemokraten nahesteht, in einer Studie „Berufsbildung im Umbruch – Signale eines überfälligen Aufbruchs“ davor gewarnt, Mädchen generell in gewerblich-technische Berufe umzuswitchen und ihnen den Eindruck zu vermitteln, dass darin Zukunft liegt. Die FriedrichEbert-Stiftung hat untersucht, dass gerade in handwerklichen Berufen, für die früher viele männliche Hauptschüler aufgenommen wurden, in den letzten Jahren diese Arbeitsplätze ständig weggebrochen sind. Die gibt es in diesem Umfang nicht mehr.
Diese veränderte Beschäftigungsstruktur durch den Wandel von einer Produktions- zu einer Dienstleistungsökonomie hat zur Folge, dass die eher männerintensiven Ausbildungsfelder der gewerblich-technischen Berufe in Industrie und Handwerk von Jahr zu Jahr zurückgehen.
Wenn man jetzt allein darauf setzt, dass man Mädchen möglichst alle in diese Berufe bringt, die nicht zukunftsfähig sind, weil die Zahl der Arbeitsplätze dort zurückgeht, dann kann das Auswirkungen haben, die nicht den Mädchen nutzen und die sie in eine Richtung bringen, die vielleicht nicht wirklich zukunftsträchtig ist. Insofern sind Strukturwandel und fortschreitende Rationalisierung etwas, was man gerade in gewerblichtechnischen Bereichen, bei Industrie und Handwerk im Kopf haben muss. Feinanalyse und Feinsteuerung sind also hier viel mehr gefragt.
Der letzte Aspekt, der in Ihrem Ansatz völlig fehlt, ist unter dem Gesichtspunkt GenderMainstreaming, das heute unsere Politik durchzieht, der Blick auf beide Geschlechter.
Geschlechtergerechtigkeit heißt, auch Benachteiligungen – das hat auch die Friedrich-EbertStiftung in der gleichen Studie gesagt – und Elend der jungen Männer im Blick zu haben. Ohne zu behaupten, dass junge Frauen sich in einer günstigen Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation befinden, konstatiert die Studie, dass jungen Frauen aufgrund ihres Bildungsstands oft mehr alternative Optionen in weiterführende Bildungsgänge offenstehen als jungen Männern. In allen Bundesländern stellen die Jungen 60 bis 70 % der Jugendlichen mit besonders niedrigen Chancen auf eine vollwertige Ausbildung. Gerade deshalb hat der Kollege Laumann in der Erstausbildung Programme wie „Jugend in Arbeit“, „Werkstattjahr“, „Sonderprogramm Ausbildung 2006“ oder den dritten Weg der Berufsausbildung ebenfalls in den Blick genommen.
Heute spricht man mehr über Geschlechtergerechtigkeit. Das, was Kollegin Steffens mit den Führungsfrauen zitiert hat, ist ein wirkliches Problem: Die Mädchen haben meistens bessere Schulabschlüsse, sie haben bessere Hochschulabschlüsse, aber irgendwann beginnt dann der Karriereknick, wo sie nicht mehr in die Führungspositionen kommen. Dies ist ein sehr wichtiges Thema. Aber dass die Mädchen bessere Schulausbildungen und Abschlüsse haben, ist an der Stelle gerade ein Problem für gleichaltrige Jungen. Deshalb muss man unter Geschlechtergerechtigkeit jede Gruppe in den Blick nehmen. Auch das fehlt leider in Ihrem Antrag.
Ich glaube, wenn wir etwas zielgerichteter vorgehen – im Frauenausschuss werden wir diese Frage noch einmal intensiver erörtern können –, dann kommen wir zu Ergebnissen, die wirklich zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, wir setzen die Debatte fort. Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Meurer das Wort.
Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Abwertung der heutigen Berufe, die von Frauen gewählt werden, Frau Milz, haben wir nicht vorgenommen. Das möchte
ich hier eindeutig betonen. Das tun wir auch nicht. Sie ist aber von der Gesellschaft vorgenommen worden. Ich werde in meinem Redebeitrag nachher noch ein Beispiel nennen, das genau für diese Abwertung spricht.
Wir reden auch nicht davon, dass Druck auf die jungen Mädchen ausgeübt werden soll. Das werden Sie in unserem Antrag nicht finden. Auch dazu gleich noch ein bisschen mehr!
Lassen Sie mich ein bisschen in die Vergangenheit gehen. Nicht in die jüngste Vergangenheit – das erwarten Sie ja sicherlich schon, Frau Westerhorstmann –, obwohl sich natürlich heute, am Internationalen Frauentag, anböte, über die Abschaffung der Regionalstellen Frau und Beruf, über die Streichung der vierten Stelle in den Frauenhäusern und die Abschaffung der Koordinierungsstelle Frau und Gesundheit zu sprechen. Aber dazu heute einmal ausnahmsweise nichts!
Ich blicke schon in die etwas fernere Vergangenheit, als wir Frauen noch kein Wahlrecht hatten, als wir noch nicht studieren durften, als unsere Ehemänner noch bestimmten, ob wir berufstätig sein dürfen, als der Beruf von Frauen und Mädchen nur der der Köchin, des Dienstmädchens, der Zugehfrau in hochherrschaftlichen Häusern war. Damals, im März 1911, riefen Frauen in ganz Europa erstmals zum Internationalen Frauentag auf. Wenig später hatten wir die ersten Frauen in den Parlamenten und an den Universitäten.
Seitdem haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wieder für eine gleichberechtigte Teilhabe gestritten. Das ist das, worüber wir hier reden: eine gleichberechtigte Teilhabe. Herr Minister, Jungen – gerne. Aber wann haben wir den Stand erreicht, den die Männer heute schon haben, den sie überall einnehmen, wenn es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, um Geschlechtergerechtigkeit schlechthin geht?
Wir sprechen immer wieder davon, was Frauen und Männer in der Gesellschaft errungen haben. Um diese Teilhabe zu erreichen, müssen wir gerade den Mädchen und jungen Frauen alle Möglichkeiten eröffnen, Berufe mit Zukunft zu ergreifen.
Doch damit nicht genug: Frauen nehmen zunehmend am Erwerbsleben teil. Die Erwerbsquote lag 2005 bei 59,6 %, und das bei immer noch niedrigerem Lohn als der unserer männlichen Kollegen. Wir konnten heute überall entnehmen: 22 %, Frau Steffens – 26 % habe ich nicht finden können –, weniger Lohn als männliche Kollegen.
Gerade in Berufen wie Erzieherin, in dem wir besonders stark vertreten sind, haben wir ein hohes Risiko, von Niedriglohn betroffen zu sein: 43 %! Frau Milz, diesen Beruf werten wir nicht ab. Nein, im Gegenteil, wir halten den Beruf der Erzieherin für sehr, sehr notwendig. Aber gerade da sind Frauen davon betroffen, dass sie im Niedriglohnsektor abgespeist werden, dass sie von ihrem Einkommen nicht leben können, ohne dass sie eine Familie im Hintergrund haben, die sie unterstützt, einen Ehemann oder ihre Eltern. Das darf heute nicht mehr so passieren.
Zu diesen Berufen zählen auch die zehn bevorzugten Ausbildungsberufe Zahnarzthelferin, Arzthelferin, Verkäuferin im Einzelhandel, Frisörin usw. Noch immer werden die sogenannten weiblichen Berufe bevorzugt gewählt, und entsprechend ist die Bezahlung.
Vom Wandel des Status eines Berufes zeugt folgendes Beispiel – jetzt bin ich bei dem Beispiel, das ich nennen wollte –: Früher waren Büro- und Kanzleitätigkeiten den Männern vorbehalten. Entsprechend angesehen, was die Bezahlung angeht, und existenzsichernd sind sie heute nur in Spitzenpositionen. Dort sind sie auch wieder männlich dominiert. Frauen werden dort häufig als „Tippse“ diskreditiert. Anlass genug für unseren Antrag!
„Zurück an den Herd“ ist vorbei, Frau Pieper-von Heiden, komplett vorbei und Gott sei Dank vorbei. Nur noch 5 % der Frauen wollen ausschließlich Mutter und Hausfrau sein. Wir wollen beides: Kind und Beruf.
Die ersten Schritte für ungebrochene Erwerbsbiografien von Frauen sind eingeleitet. Wir müssen sie nun unterfüttern. Auch dazu unser heutiger Antrag! Es genügt nicht, uns bei der Rente mit den Männern gleichberechtigt zu stellen, sondern dazu gehört noch einiges mehr. Ich spreche an dieser Stelle nur ganz kurz vom Ehegattensplitting: Wenn jede und jeder die Steuern nach seinem Einkommen bezahlt, dann ist auch genug für jeden und jede da.
Im Dezember 2004 hat das Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie seinen Bericht zur beruflichen Situation von Frauen in Nordrhein-Westfalen 1998 bis 2003 abgegeben. Darin wurde festgestellt, dass die jungen Frauen auch in gemischtgeschlechtlichen Berufen ausge
bildet wurden. Dennoch wurden die Dienstleistungsberufe mit 86,4 % überdurchschnittlich hoch gewählt.
Wir stellen heute fest, dass sich in den vergangenen drei Jahren wenig geändert hat – trotz der Tatsache, dass junge Frauen hochwertigere Abschlüsse als die jungen Männer machen. Das ist ja von allen Rednerinnen und auch von Ihnen, Herr Minister, schon gesagt worden. Insofern ist ihr Anteil sogar noch gestiegen. Im Schuljahr 2006/2007 sitzen in der Sekundarstufe II mehr als 50 % Schülerinnen. Im Berufswahlverhalten hat sich dadurch aber wenig verändert.
Eines gilt: Erwerbstätigkeit ohne ein existenzsicherndes Einkommen – darauf muss ich einfach noch einmal zurückkommen – für Frauen verfestigt die Rollenfestlegung, verhindert Gleichstellung und bedeutet Rückschritt.
Voraussetzung für eine eigenständige Alterssicherung für Frauen sind eine möglichst durchgehende Erwerbstätigkeit sowie die Gleichstellung von Frauen und Männern bei Berufszugang und beruflichem Aufstieg. Herr Minister Laschet, damit sind wir bei Ihrer Presseerklärung vom Dienstag dieser Woche zum Ergebnis der Studie „Auf dem Weg in die Chefetage – Betriebliche Entscheidungsprozesse bei der Besetzung von Führungspositionen“. Die Entscheidungen werden an uns vorbeilaufen, wenn wir nicht die Berufe ausüben, die von Industrie und Handwerk gefordert werden.
Eine Führungsposition in einer Kita ist vergleichsweise leicht zu erreichen. Doch im Kfz-Handwerk sieht das Ganze schon ganz anders aus. Wenn wir nicht als Kfz-Meisterin oder als Mechatronikerin ausgebildet sind oder zum Beispiel in der chemischen Industrie eben nicht als Ingenieurin, sondern als Laborantin, dann können wir auch nicht in Führungspositionen aufsteigen. Das ist logisch. Der Unterbau muss stimmen. Die Möglichkeiten müssen schon in der Schule und auch in der Kita geschaffen werden.
In unserem beschaulichen Kreis Heinsberg, den ich immer gerne anführe, haben am vergangenen Samstag in allen Städten in den Kitas eines Trägers der Wohlfahrtspflege Veranstaltungen zu einem Tag der Experimente zum Thema Naturwissenschaften stattgefunden. Die Resonanz war hervorragend. So wird das Interesse für Naturwissenschaften und Technik gefördert. In den Grundschulen und in den weiterführenden Schulen muss durch Lehrplanänderungen die Voraussetzung für den weiblichen Zugang zu den naturwissenschaftlichen Fächern geschaffen werden.
Auch Lehrerinnen und Lehrer müssen in ihrer Ausbildung lernen, einen geschlechterdifferenzierten Zugang zu den Lerninhalten zu erlangen und zu vermitteln. Frauen als Exotinnen unter Männern wie zum Beispiel im Flugzeugcockpit oder bei der Feuerwehr müssen der Vergangenheit angehören.
Unsere Schwestern im Osten der Republik machen es uns eindrucksvoll vor. Dort sind Frauen schon längst Lokführerin und Kranführerin.
Danke schön. – Faktische Berufsverbote wie seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts für die Pionierinnen der Lüfte gehören ins Abseits gestellt. Wir wollen die Hälfte des Himmels, die Hälfte der Macht auf Erden. Die andere Hälfte, die kriegen Sie. Kein Problem! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und erwarte die Beratungen im Ausschuss mit Interesse.