Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Aber als Regierungskoalition teilen wir die Auffassung, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern einen gesetzlichen Anspruch auch auf Informationen im Verbraucherbereich ermöglichen müssen, damit unseriöse Unternehmen namentlich genannt werden können. Die Konsumenten müssen sich bei uns darauf verlassen können, dass die Lebensmittel nach bestem Wissen und Gewissen erzeugt und vertrieben werden. Sie müssen darauf vertrauen können, dass Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Es muss also gelten: Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein.

Das gilt auch für andere Branchen. Konsumgüter müssen mit eindeutigen und klaren Herkunftsnachweisen versehen sein. Deutsche Qualität muss tatsächlich „Made in Germany“ bedeuten.

Die Liste von vergleichbaren Beispielen ließe sich noch beliebig fortsetzen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, schon im Koalitionsvertrag haben wir die Stärkung der Verbraucherinformationsrechte angekündigt. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag:

„Der informierte und mündige Verbraucher ist Ziel und Leitbild unserer Verbraucherschutzpolitik. Wir werden deshalb Verbraucherinformationsrechte verbessern.“

Weil unsere Landesregierung dieses Engagement fortsetzt, hat das Kabinett am Dienstag ein eigenes Verbraucherinformationsgesetz beschlossen. „Überholung durch Zeitablauf“ nennt man das wohl heutzutage. Es ist auch gut so, dass sich das Kabinett mit diesem Gesetzentwurf beschäftigt hat.

Aber lassen Sie mich trotzdem noch kurz einen Rückblick auf die letzten 20 Monate geben. Es hat sich die Zahl der in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung, Lagerung und Lieferung von Lebensmitteln und Futtermitteln in den letzten Jahren vergrößert. Die Zahl der aufgedeckten Fälle war im Jahre 2005 so hoch wie nie zuvor.

Auch wenn sich die Lebensmittelskandale glücklicherweise nicht ausschließlich in NRW abspielten, haben wir gleich verantwortlich reagiert. Das 15Punkte-Programm mit Sofortmaßnahmen von Minister Uhlenberg wurde konsequent angewandt und zeigte in kurzer Zeit nachweisbare Erfolge. An dieser Stelle seien beispielsweise die risikoorientierten Schwerpunktkontrollen zu nennen. Durch das Sofortmaßnahmen-Programm Uhlenbergs hat sich die Situation für die Verbraucherinnen und Verbraucher schon heute deutlich verbessert.

Herr Remmel, ich muss Ihnen Recht geben, dass sich der Verbraucherschutz nicht nur auf Lebensmittel, sondern auf alle Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher in NRW und in ganz Deutschland stützen muss.

Daran sehen Sie, meine verehrten Damen und Herren, dass die Regierungskoalition hält, was sie verspricht. Hätte Rot-Grün in zehn Jahren das erreicht, was diese Landesregierung in 20 Monaten geschafft hat, wären die Verbraucher besser dran.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir stimmen zwar dem Ziel des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu, nicht aber dem Gesetzentwurf selber. Wie so häufig sind die Mittel nicht die richtigen. Zum einen, Herr Remmel, ist der Antrag im Wesentlichen abgeschrieben von einem Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ist das schlimm?)

Dann sagen Sie es doch, Herr Remmel, dass Sie ihn abgeschrieben haben.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Ihr Gesetz- entwurf ist ja wahrscheinlich auch von Bun- destagsabgeordneten abgeschrieben!)

Wie so häufig sind Ihre Mittelansätze nicht die richtigen. Der Antrag ist im Wesentlichen abgeschrieben worden, Herr Remmel, weil Ihnen das Gedankengut fehlte, um Verbraucherschutzpolitik in den letzten Jahrzehnten vernünftig auf den Weg zu bringen.

(Beifall von der CDU)

Das alleine zwingt uns noch nicht zur Ablehnung Ihres Entwurfs. Da aber schon der Bundestag mit Mehrheit – wie gesagt – diesem Antrag aus guten Gründen nicht gefolgt ist, können wir nicht nachvollziehen, warum wir hier in Düsseldorf Fehler machen sollen, die in Berlin vermieden worden sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: In Berlin ha- ben die gar nichts zustande gebracht!)

Stattdessen, liebe Kollegin, brauchen wir einen Mix aus aktiven Informationsrechten der Verwaltung und Zugang zu Informationen auch für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Wir brauchen einen Mix aus der Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen in notwendigem Umfang und dem Recht, Kriminelle und für Verbraucher gefährliche Täter öffentlich beim Namen nennen zu können. Über festgestellte Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften muss in jedem Fall informiert werden. Bei einem reinen Verdachtsmoment muss man auch in einzelnen Fällen vorsichtiger sein können. Wir wollen niemanden an den Pranger stellen, aber bei Verdacht und Verstößen müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher informiert werden.

Wir brauchen einen Mix aus beherrschbarem bürokratischen Aufwand für die Unternehmen und Betrieben und einem einfachen Zugang zu den notwendigen Informationen für die Verbraucher. Das beinhaltet auch die Ermöglichung mündlicher

und elektronischer Anträge für die Verbraucherinnen und Verbraucher, welche übrigens in dem auf Bundesebene gescheiterten Verbraucherinformationsgesetz nicht vorgesehen war.

Kurzum: Wir brauchen ein ab- und ausgewogenes Verbraucherinformationsgesetz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Ansprüchen genügt der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen in keiner Weise. Deshalb werden Sie sich nicht wundern, dass wir diesem Gesetzentwurf im weiteren Verfahren nicht zustimmen werden.

Vielmehr bietet der Gesetzentwurf des Kabinetts eine hervorragende Grundlage für die Stärkung der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen, und zwar bei gleichzeitigem vernünftigen Schutz, insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen und Betrieben vor ungerechtfertigten Eingriffen und bei Beherrschung des bürokratischen Aufwandes in vernünftiger Weise zu helfen.

All das kann gerne in den Fachausschüssen, Herr Remmel, weiter diskutiert werden. Natürlich stimmen wir der Überweisung zu. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Jetzt hat Frau Abgeordnete Schulze für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns doch einmal ein bisschen daran, was wir hier in den letzten Wochen und Monaten diskutiert haben. Da stand Gammelfleisch auf der Tagesordnung. Da ging es um Gen-Mais und Pestizide. Wenn man es mal makaber nimmt, könnte man inzwischen aus dem, was wir hier diskutiert haben, ein komplettes Dreigangmenü zusammenstellen.

(Peter Kaiser [CDU]: Lecker!)

Wir sind uns hier doch wohl einig, dass wir alle etwas dafür tun müssen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vor solchen Lebensmittelskandalen geschützt werden; wir haben über diesen Punkt schon mehrfach diskutiert. Und wir sind uns eigentlich auch alle darin einig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher dafür mehr Transparenz brauchen. Sie müssen mit denen, die im wirtschaftlichen Prozess eingebunden sind, auf gleicher Augenhöhe sein.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Insofern ist es schon richtig, einmal zu hinterfragen, was diese Landesregierung tut, um mehr

Transparenz zu schaffen. Was ist eigentlich hier passiert, als das Verbraucherinformationsgesetz auf Bundesebene aus formalen Gründen gescheitert ist? Hat sich denn jemand von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen dafür eingesetzt, dass es auf Bundesebene einen neuen Anlauf gibt?

(Minister Eckhard Uhlenberg: Aber selbst- verständlich!)

Nein, davon konnte man kaum etwas hören.

Sehr geehrter Herr Kaiser, eigentlich wäre es mir lieber gewesen, Sie hätten heute die Rede gehalten, die Sie am 16. März letzten Jahres hier an gleicher Stelle gehalten haben. Da haben Sie gesagt – ich darf Sie zitieren –:

„Nicht-Wissen führt angesichts immer neuer Skandale leicht zum Nicht-Kaufen. Fehlende Information ist also ein Hemmnis für den Konsum. Nur Kundinnen und Kunden, die zufrieden sind und die gut informiert sind, sichern wirtschaftlichen Erfolg.“

Genau so ist es, Herr Kaiser. Das ist ein schönes Zitat. Wenn Sie das ernst meinen, müssten Sie dafür sorgen, dass es auf der Bundesebene endlich ein Verbraucherinformationsgesetz gibt. Wenn Sie es wirklich ernst meinen, müssten wir auf der europäischen Ebene stärker für Verbraucherschutz sorgen.

Wir brauchen also bundeseinheitliche Instrumente, um die Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken. Wir brauchen bundesweit, also in allen Bundesländern, die gleiche Augenhöhe, und wir brauchen die Pflicht der Behörden, die Menschen zu informieren, wenn Missstände bekannt werden. Wenn ekelerregende Lebensmittel auftauchen, muss sofort informiert werden können. Wir brauchen das Recht, dass Verbraucherinnen und Verbrauche Auskünfte von Behörden einholen können.

Natürlich, wir können als Notnagel erst einmal ein Landesgesetz machen, wie es die Grünen vorgeschlagen haben und wie wir es wohl auch von der Landesregierung vorgelegt bekommen. Halten Sie sich allerdings eines vor Augen: Gen-Mais kommt aus Australien, Pestizide finden wir im Obst aus Griechenland oder sonst woher. – Insofern kann man doch nicht ernsthaft darüber diskutieren, dass wir das auf Landesebene regeln könnten. Die Lebensmittelmärkte sind längst international. Wir müssen mindestens auf der Bundesebene reagieren und können uns nicht einen 16-LänderFlickenteppich leisten.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Wir wissen doch, welche Wege Lebensmittel heute hinter sich haben. Sie konnten das beim Fleischskandal sehr genau verfolgen: Bis sie bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern landen, haben sie teilweise 14 Bundesländer und mehrere benachbarte Staaten durchlaufen. Deswegen brauchen wir einheitliches Recht auf der Bundesebene. Wir brauchen einheitliche Standards für Verbraucherinnen und Verbraucher, und – ich habe es eben schon gesagt – wahrscheinlich brauchen wir sogar europäische Standards.

Das Gesetz der Landesregierung liegt uns noch nicht vor. Angesichts der Art und Weise, wie die Verbraucherpolitik hier in Nordrhein-Westfalen von Minister Uhlenberg gehandhabt wird, ahne ich nichts Gutes.

Der angebliche Verbraucherminister hat eine Verbraucherpolitik betrieben, die immer nur scheibchenweise Informationen zugelassen hat. Zu Gammelfleisch, Gen-Mais, Pestizide – ich habe es eben schon einmal gesagt – mussten wir Ihnen die Informationen abringen. Eigentlich kam alles immer nur unter Druck ans Tageslicht. Herr Minister Uhlenberg, ich glaube, Ihnen fehlt ein echtes Verständnis für Transparenz und Verbraucherpolitik.

Frau Schulze, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Klein von der CDU?

Nein, ich möchte den Gedanken erst zu Ende bringen.

Wenn wir hier Informationen einfordern, lautet die Standardantwort der CDU – diese können wir inzwischen mitbeten –: Nein, das ist Panikmache. Information ist Panikmache. – Ich glaube, was Sie grundsätzlich nicht begriffen haben, ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher viel weiter sind, als Sie glauben. Verbraucherinnen und Verbraucher können Informationen werten. Sie können mit ihnen verantwortlich umgehen. Sie können weitaus mehr vertragen, als Sie ihnen hier zutrauen.

Das, was Sie machen, nämlich immer nur scheibchenweise und möglichst wenig an Informationen offenlegen, ist Informationspolitik nach Gutsherrenart. Dass Sie so etwas auch noch in einem Gesetz festschreiben wollen, nützt den Menschen überhaupt nichts. Die Art und Weise, wie Sie hier Informationspolitik als Regierung machen, trägt zur Verunsicherung bei, und gerade so kann man keine Transparenz schaffen.

Deswegen fordere ich Sie auch heute schon auf: Machen Sie ein Landesgesetz, das Ihnen hilft, diese Gutsherrenart abzulegen, dann sind wir gerne an Ihrer Seite. Wir brauchen mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Wenn es hilft, sind wir auch gerne bereit, ein Gesetz auf der Landesebene mit zu diskutieren, aber Ihnen müsste doch genauso wie uns klar sein: Im Grunde genommen brauchen wir mindestens ein Bundesgesetz, doch eigentlich Rechte auf der europäischen Ebene. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)