Protokoll der Sitzung vom 09.03.2007

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das war das falsche Signal. Wir brauchen Orte für die Jugendlichen, wo sie nachmittags hingehen können.

Was in Ihrem Antrag völlig fehlt, ist im Justizbereich zum Beispiel der Täter-Opfer-Ausgleich. Alle Auswertungen zeigen, dass für einen jugendli

chen Straftäter die Konfrontation mit dem Opfer und die Wiedergutmachung zum Teil sehr viel heilsamer und sehr viel wirksamer sind, als ihn einfach wegzusperren. Darum geht es doch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Auch bewährte Programme und Projekte wie das „Streitschlichterprogramm auf Schulhöfen“, wo Jugendliche sich um Jugendliche kümmern und versuchen, in Konflikte einzugreifen, kommen in Ihrem Antrag überhaupt nicht vor.

Die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Justiz ist auch ein wichtiger Punkt. Es muss eine bessere Verzahnung stattfinden, damit diese Karrieren nicht in Schubladen verlaufen, damit Jugendhilfe nicht mit dem Einsperren im Knast aufhört, sondern Jugendhilfemaßnahmen weitergeführt werden. Auch das kommt in Ihrem Antrag nicht vor. – Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen nur ein paar Ansätze für Konzepte aufgezeigt, von denen wir meinen, sie wären wirksam und würden greifen.

Herr Wüst, Sie singen das Hohelied des Wegsperrens, das sich wie ein roter Faden durch Ihren Antrag zieht, und fangen mit der geschlossenen Unterbringung in der Jugendhilfe an. Es gibt im Einzelfall bei pädagogischen Konzepten auch in unseren Heimen in Nordrhein-Westfalen mal eine Tür, die zu ist. Das mag manchmal auch ganz sinnvoll sein. Aber man kann die geschlossene Unterbringung nicht als Konzept vorsehen oder gar als Allheilmittel predigen, sonst wird es ideologisch, und man verlässt die Fachdebatte.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es geht weiter mit Jugendarrest und Anwendung von Erwachsenenstrafrecht statt Jugendstrafrecht.

(Hendrik Wüst [CDU] will den Saal verlas- sen.)

Herr Wüst, Sie verlassen den Raum, anscheinend sind Ihnen diese Argumente nicht so wichtig. Trotzdem empfehle ich Ihnen, sich einmal die Rückfallquoten beim Jugendarrest anzusehen. Sie liegen bei fast 80 %. Deshalb müssen wir doch einsehen, dass diese Mittel nicht wirken und wir uns etwas Intelligenteres ausdenken müssen, wenn wir in der Jugendkriminalität das Ziel verfolgen, diese Menschen wieder auf den richtigen Weg zu bringen und sie zu einem straffreien Leben zu befähigen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielleicht wollen Sie sich von diesem Ziel verabschieden – das kann ja auch dahinterstecken –

und sagen: Uns geht es gar nicht mehr um Erziehung und Wiedereingliederung, sondern um Sühne und Strafe. – Das ist aber nicht unsere Vorstellung, mit delinquenten Jugendlichen in unserem Land umzugehen.

Bei den unter 21-Jährigen – und dabei bleiben wir – muss, wenn Jugenddelinquenz gegeben ist, zu Recht die Erziehung in Mittelpunkt stehen und nicht das Wegsperren,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ausweisen, Abschieben und das Motto „Je härter, je besser“. Denn „Je härter, je besser“ ist nicht wirksamer. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Düker. – Ich habe eine weitere Wortmeldung des CDU-Abgeordneten Biesenbach vorliegen. Bitte schön.

(Sören Link [SPD]: Wir haben uns auf Man- fred Kanther gefreut, aber er ist heute nicht da!)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Düker, ich weiß nicht, wozu Sie geredet haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zu Herrn Wüst! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Es kann dann aber nur das Deckblatt unseres Leitantrags gewesen sein!

(Widerspruch und Lachen von SPD und GRÜNEN)

Alles, was Sie so vehement darstellen, steht längst darin. Sie hätten mal lesen sollen, was darin steht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ich habe alles ge- lesen! – Weitere Zurufe)

Sie sprechen von Kuschelpädagogik; Sie haben doch in Ihren Regierungsjahren eine Antwort auf folgende Frage nie geben können: Was machen wir mit der zunehmenden Zahl der Intensivtäter – egal, ob sie minderjährig oder heranwachsend sind?

(Beifall von Bernhard Recker [CDU])

Diese Zahl ist sprunghaft angestiegen. Das Problem, das wir besprechen, sind die 5 % der straffällig werdenden Kinder und Jugendlichen, die mit Ihren Erziehungsmaßnahmen nicht mehr zu bewegen sind und die mittlerweile fast 60 % der Gewalttaten begehen. Bei denen muss es möglich

sein, Konzepte auszusuchen, die sich in anderen Ländern bewährt haben.

Sie hätten mitfahren sollen, als der Rechtsausschuss in Kanada gewesen ist, um sich diese Einrichtungen anzusehen. Sie wären überzeugt davon, dass solche Einrichtungen mit einem guten Konzept helfen können, weil sie pädagogisch arbeiten.

(Frank Sichau [SPD]: Nein, Herr Biesenbach, das haben wir nicht gesehen!)

Herr Sichau, ich weiß nicht, wovon Sie gerade träumen.

(Frank Sichau [SPD]: Ich war da!)

Was Sie jetzt machen, ist nichts anderes, als ohne Sachkenntnis und ohne Ahnung etwas in den Raum zu stellen.

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

Lesen Sie uns doch alle Dinge vor, die Sie angeblich kritisieren! Ich kann sie Ihnen in unserem Leitantrag andersherum vorlesen. Alles, was Sie wollen, steht darin.

(Hannelore Kraft [SPD]: Aber wir haben doch Herrn Wüst zugehört!)

Frau Kraft, wir verfahren nach dem Prinzip: sowohl als auch!

(Hannelore Kraft [SPD]: Herr Wüst hat etwas anderes erzählt!)

Die Medien haben sich die Mühe gemacht und die Seiten gelesen. Denn sie haben es verstanden.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Genau das, Herr Remmel, erwarten wir von Ihnen: dass Sie sich mit der Sache auseinandersetzen und nicht einfach sagen, Sie hätten etwas durch die Gegend zu werfen.

(Beifall von der CDU)

Alle Situationen werden längst angesprochen. Wenn Sie sagen: Bei den unter 21-Jährigen soll Erziehung im Mittelpunkt stehen, werden Sie das in drei Kapiteln ganz deutlich wiederfinden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Law and Order – das ist Erziehung!)

Frau Düker, das mögen Sie so verstehen. Aber das zeigt, wie wenig Sie in der Lage sind, differenziert auf die vorhandenen Situationen einzugehen. Wir haben heute ein anderes Täterbild, als wir es zu Ihren Zeiten traumhaft gehabt haben. Wir haben andere Jugendliche, mit denen anders umgegangen werden muss.

(Hannelore Kraft [SPD]: Nein, wir haben alle Herrn Wüst zugehört!)

Unsere Antwort ist: differenzierter Täterkreis – differenzierte Methoden!

(Zuruf von der SPD)