Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 14/4089. Wer dem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Entschließungsantrag angenommen.
Es gibt einen zweiten Entschließungsantrag, und zwar von der SPD-Fraktion, in der Drucksache 14/4090. Darüber stimmen wir jetzt ab. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit des Hauses abgelehnt.
10 Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen für Kinder und Jugendliche, die Sozialgeld beziehen – Geldgeschenke dürfen nicht auf das Sozialgeld der Kinder angerechnet werden
Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Steffens von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur zu Weihnachten, zu Geburtstagen, zu Namenstagen oder zu Ostern freuen sich Kinder über Geschenke. Doch viele Kinder wünschen sich große Geschenke – einen Computer, ein Fahrrad –, die nicht mal eben von Omas, Opas, Onkeln oder Tanten geschenkt werden können. Also – logisch! – wünschen sich viele Kinder Geld, damit sie sich mit diesen Geldgeschenken den Wunsch, den sie eigentlich haben, erfüllen können.
Je älter die Kinder werden, umso größer und auch kostenintensiver sind die Wünsche oft und umso häufiger wird von den Kindern Geld gewünscht.
Also: Viele Kinder wünschen sich zu diesen Feiertagen Geld. Das gilt natürlich auch für Kinder, deren Eltern erwerbslos sind, also Kinder, die Sozialgeld beziehen. Große Geldgeschenke gibt es oft gerade an besonderen Ehrentagen. Viele von uns können sich daran erinnern: Kommunion oder Konfirmation waren solche Ereignisse, an denen man von Onkeln und Tanten Geld zugesteckt bekam, um sich davon einen größeren Wunsch zu erfüllen.
Nach derzeitigem Recht ist es aber so, dass diejenigen Kinder, die Sozialgeld beziehen, ihre Geldgeschenke eigentlich den Behörden melden müssten und dass diese Geldgeschenke in dem entsprechenden Monat als zufließendes Einkommen gelten würden. Das zufließende Einkommen wird vom Regelsatz abgezogen – und schon ist das Geldgeschenk weg. Wie gewonnen, so zerronnen!
Einnahmen, die seltener als monatlich anfallen, und vollständig einmalige Einnahmen, sind nur bis zu einer Höhe von 50 € im Jahr freigestellt. Was das für ein Kind, das gerade seine Geschenke bekommt, bedeutet, kann sich wahrscheinlich jeder von uns vorstellen.
Die Bundesagentur für Arbeit sagt, man sehe in der Regel davon ab, man würde es nicht so genau nehmen, man würde nicht unbedingt nach Geldgeschenken fragen und sie nicht unbedingt anrechnen. Man sieht also aus sittlichmoralischen Gründen von dem ab, was Rechtsgrundlage ist. Das kann so nicht sein.
Ich denke, wir müssen dafür Sorge tragen, dass Kinder Rechtssicherheit haben. Die jetzige Situation bedeutet ja, dass Kinder zwei Möglichkeiten haben: Entweder sind sie ehrlich und sagen, dass sie zum Beispiel zum Geburtstag oder zur Kommunion Geld geschenkt bekommen haben – dann ist das Geld weg –, oder aber sie sagen nichts, werden also ermuntert – auch von der BA, die die Augen zudrückt –, zu lügen oder ihre Geldgeschenke nicht ehrlich anzumelden, dann dürfen sie die behalten.
Diese Situation ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. Deswegen starten wir hier und heute unsere Initiative, gemeinsam in Nordrhein-Westfalen ein Zeichen zu setzen und auf Bundesebene aktiv zu werden, um im Bund genau diesen Fehler in der Gesetzgebung zu reparieren.
Das Gesetz ist damals in dem großen Hartz-IVGesetzgebungsverfahren unter Rot-Grün mit Beteiligung der CDU so entstanden. Aber solche Fehler müssen, wenn man sie erkennt, korrigiert werden. Und dies ist ein Fehler, der so schnell wie möglich korrigiert werden muss.
Wir haben Ihnen einen Vorschlag dazu vorgelegt. Wir hatten früher in der Sozialhilfe Ausnahmeregelungen. Aber ich muss ganz klar sagen: Mir ist es egal, ob wir es über den von uns vorgeschlagenen Weg oder über einen anderen Weg regeln. Es sind ja noch andere Möglichkeiten vorstellbar.
Man sollte sich auch einmal Folgendes anschauen: Wenn ein Kind Geldgeschenke bekommt, solange die Eltern noch nicht in den Regelkreis des SGB II fallen, darf es diese Geldgeschenke annehmen, kann sie auf sein Sparkonto tun. Dieses obliegt dem Schonvermögen. Hat das Kind kein eigenes Konto, kein Geld und bekommt die Geschenke erst, nachdem die Eltern erwerbslos geworden sind, darf es damit kein Schonvermögen bilden und kann die Geschenke somit praktisch nicht ansparen. Da liegt schon in der Systematik eine Ungleichbehandlung für die Kinder.
Wie gesagt: Man kann es entweder wie bei der alten Sozialhilfe regeln, oder man kann beim Schonvermögen eine Ansparoption für Geschenke an die Kinder ermöglichen. Viele Wege sind denkbar. Wir sollten allerdings schnell aktiv werden; denn in den kommenden Wochen und Monaten stehen Kommunion und dann auch wieder Konfirmation an. Ich finde, wir können die Kinder nicht in dieser Unsicherheit belassen, sondern wir müssen ihnen sagen: Freut euch auf eure Ehrentage! Freut euch auch auf eure Geschenke! Wir werden dafür sorgen, dass ihr sie behalten dürft. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie Rechtssicherheit in diesem
Bereich des SGB II fordern, gerade beim Sozialgeld für Kinder, dann ist das sicherlich richtig; denn die Kinder sind diejenigen, die am wenigsten dazukönnen, in eine solche Situation geraten zu sein.
Wenn die Bischöfin Käßmann in einer Presseerklärung vom 9. März kritisiert, dass Geldgeschenke zur Konfirmation bei Hartz-IV-Empfängern auf die Grundsicherung angerechnet werden und Jugendliche dadurch gedemütigt und stigmatisiert würden, dann legt sie den Finger in die richtige Wunde, so wie Sie von den Grünen das mit diesem Antrag versuchen. Aber gestatten Sie mir, dass ich ein bisschen genauer in das Gesetz hineinschaue. Wenn man diejenigen hört, die das Gesetz anwenden und auslegen müssen, dann bekommt man eine etwas andere Sicht der Dinge, als Sie sie hier eben dargestellt haben.
Erstens. Es gibt bei der Bundesagentur für Arbeit keine Rückmeldung über solcherlei abschlägige Bescheide bzw. Anrechnungsbescheide von Geschenken.
Zweitens. Es geht wirklich um die Auslegung und Anwendung. Es handelt sich zum Teil um das SGB II, zum Teil um das SGB XII. Der Blick ins Gesetz klärt hier einiges. Es gibt da nicht nur die 50-Euro-Bagatellgrößen, sondern auch einen Freibetrag von 3.100 €. Sie haben das eben etwas anders dargestellt. Vor allen Dingen dann, wenn die Geschenke für konkrete, zweckgebundene Anschaffungen gegeben werden, sind sie auf jeden Fall anrechnungsfrei.
„Wenn diese Geldgeschenke nicht unangemessen hoch sind, dürften sie nicht zu einer Kürzung der Leistung führen. Geldgeschenke an Kinder werden in der Regel nicht auf das Sozialgeld angerechnet. Eine Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II der Eltern ist sogar gänzlich unzulässig, weil Einkommen und Vermögen von Kindern nur bei deren eigenem Anspruch berücksichtigt werden kann.“
So Herr Alt von der Bundesanstalt. – Nach der derzeitigen Rechtslage muss über die Geldgeschenke allerdings im Einzelfall entschieden werden. Das ist der Schwachpunkt des jetzigen Gesetzes. Da wäre es gut, wenn Rechtsklarheit auch für die Anwender gegeben wäre; das sehe ich sehr wohl ein.
Geschenke zu Festen wie Kommunion, Konfirmation usw. sind einmalige Einkommen, die nach der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung
grundsätzlich auf den Bedarf der hilfsbedürftigen Person anzurechnen sind, soweit „nicht im Einzelfall eine Regelung angezeigt ist“.
Das heißt: Im Einzelfall gilt die Regelung für diese Geschenke nicht. Sie fordern diese Regelung aber für den Einzelfall. Hier wird jedoch das Ermessen des einzelnen Sachbearbeiters in Anspruch genommen. Das hat bisher so funktioniert, dass keine Fälle gemeldet wurden, bei denen so etwas angerechnet worden ist.
Ob finanzielle Zuweisungen Dritter angerechnet werden, hängt nämlich auch von der Höhe und einer möglichen Zweckbestimmung ab.
„dass Geldgeschenke zu Festen wie Kommunion oder Konfirmation in aller Regel nicht angerechnet werden müssen.“
Das Geld der Tante für den ausdrücklich erlaubten Kauf eines Fahrrades wird damit eindeutig nicht angerechnet.
Also meinen Sie doch, hier eine Lücke entdeckt zu haben. Es geht Ihnen darum – typisch deutsch –, neue Regelungen und noch einmal neue Regelungen und wieder neue Regelungen zu schaffen. Verlassen wir uns aber ruhig auf die Leute, die das vor Ort zu beurteilen haben, die auch die Verhältnisse in der Familie kennen.
Eines gestatte ich mir doch zu sagen: Bei Geschenken, besonders von Großeltern an ihre Enkel oder von Tanten und Onkeln an ihre Nichten und Neffen, kann es auch zu Missbräuchen kommen, wenn es nämlich sehr hohe Geldgeschenke sind. Da muss natürlich die Grenze von 3.100 € eingehalten werden. Auch das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Wenn Sie eine weitergehende Regelung wollen, dann müssen Sie die Grenzziehung konkret nennen und dürfen nicht allgemein fordern, es müsse etwas geregelt werden.
Nein, eine Grenzziehung! Sie haben keine Zahlen genannt. – Tun Sie das nicht, muss ich mich auf die eben zitierte Auslegung beziehen und annehmen, dass Sie nur Effekt haschen wollen, wenn es wieder mal auf die Kinderkommunion zugeht. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Familien stärken, Familien unterstützen ist das erklärte Ziel aller hier im Hause vertretenen Fraktionen. Ich möchte Sie heute bitten, einige Minuten denjenigen Familien zu widmen und sie in den Mittelpunkt unserer heutigen Beratung zu stellen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen: die Familien, die ihre Existenz als Arbeitslosengeld-IIEmpfänger gestalten müssen, oder die Familien, in denen der Haupterwerber einer Erwerbstätigkeit nachgeht und die aufgrund des niedrigen Lohneinkommens ergänzende Hilfe erhalten. Genau um diese Familien geht es in der heutigen Beratung. Daher appelliere ich an Sie, auch emotional, vor besonderem Hintergrund.
Wir hatten in der letzten Woche eine Beratung im Fachausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Es war verabredet, zu der heutigen Plenartagung einen fraktionsübergreifenden Antrag einzureichen und ihn hier zu verabschieden. Sie finden diese Ankündigung in der heute erschienenen Ausgabe von „Landtag Intern“. Dort steht wörtlich: