Wenn der § 9 des bestehenden Jugendschutzgesetzes richtig angewandt wird, dann kann es zu diesen Auswüchsen nicht kommen. Wenn auch das Gaststättengesetz mit den geltenden Ordnungswidrigkeiten und den damit in Verbindung stehenden Strafen von bis zu 5.000 € bei Ausgabe von Hochprozentigem an Jugendliche richtig angewandt wird, dann kann es auch nicht zu diesen Auswüchsen kommen.
Gerade in den vergangenen Jahren hat sich der Bundesgesetzgeber vermehrt mit der Droge Alkohol auseinandergesetzt. § 9 Abs. 4 des Jugendschutzgesetzes ist wegen der Alcopops – zum Glück – im August 2004 ergänzt worden. Auf den Etiketten muss auf den Jugendschutz hingewiesen werden. Durch die Sondersteuer verbunden mit einer Preisanhebung und diese Kenntlichmachung ist der Umsatz um ein Drittel zurückgegangen.
Auch dürfen Fahranfänger, so hat es das Bundeskabinett am 14. Februar dieses Jahres beschlossen, während der Probezeit von zwei Jahren nur trocken ans Steuer. Ein wichtiger Schritt, um die Unfalltodesrate zu minimieren. Ganz aktuell heute Morgen im Radio kam die Meldung, dass die Ländergesundheitsminister sich auf vier Jahre und bis 21 Jahre verständigt haben – begrüßenswert, Herr Minister.
Die Bundesregierung hat wichtige strategische Maßnahmen in die Wege geleitet, um den Konsum einzudämmen. Da wäre das von der von Gerhard Schröder geführten Bundesregierung im Jahre 2003 auf den Weg gebrachte Projekt „Hart am Limit – HaLT“. Dieses komplexe Projekt lässt zum einen Kindern und Jugendlichen, die durch exzessiven Alkoholgenuss aufgefallen sind, eine
Die Mitarbeiter von „HaLT“ gehen gezielt auf Handel, Gastronomie, Festveranstalter und Vereine zu. Was, Herr Minister, tut NRW? Nehmen wir teil? – Das NRW-Gesundheitsministerium unter Federführung von Birgit Fischer – also zu unserer Regierungszeit – hat zusammen mit ginko eine Broschüre und Plakate erstellt mit dem Titel „Danke, jetzt nicht!“. Sie werden sie ja vielleicht gleich vorstellen.
Eine Studie zur Ermittlung des Gefährdungspotenzials der Alkoholwerbung auf Kinder und Jugendliche in Deutschland ergab, dass sich 40 % der Alkoholwerbung an ein Publikum unter 30 Jahren wenden und 10 % gezielt auf ein jugendliches Publikum gerichtet sind. Hier sollten wir tatsächlich Einfluss auf den Bundesgesetzgeber nehmen. Das, Frau Steffens und Herr Kollege Laumann, gehört verboten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Meurer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Romberg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gesellschaftliche Problematik des Alkohols wird unterschätzt. Das sieht man am volkswirtschaftlichen Schaden, der ähnlich hoch ist wie beim Nikotin. Wissenschaftler berechnen ihn in der Bundesrepublik auf rund 40 Milliarden € pro Jahr. Das zeigt aber auch die Zahl der Todesopfer: in Deutschland rund 140.000 im Jahr. Das sind übrigens rund 400 Alkoholtote am Tag. Da ist Tom aus Berlin leider kein Einzelfall, auch wenn er besonders jung ist.
Wir sind uns hier als Fraktionen einig, wenn es darum geht, den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol ernster zu nehmen, als es bisher in der Bevölkerung geschieht. Ja zu mehr Prävention, auch Ja zu mehr Kontrolle. Es trägt auch jeder in seiner Kommune Verantwortung. Frau Steffens, ich hätte gerne von Ihnen gehört, wie es zum Beispiel bei Ihnen in Mülheim aussieht.
Ja, aber Sie kommen aus Mülheim. Das ist Ihre Heimatstadt. Als Politiker sollte man auch dort Verantwortung zeigen.
In Münster gab es 2005 zum Beispiel gerade mal 13 Bußgelder bei Verstößen gegen Alkoholabgabe an Jugendliche.
Im Vergleich dazu werden in Münster über 100 Verkehrsknöllchen am Tag verteilt. Das zeigt die Schwerpunkte der Kommunen. Jeder Kommunalpolitiker und auch Landespolitiker hat in seiner Heimatstadt eine Verantwortund, dass die Kommunen auf so etwas achten.
Flatrate-Saufen ist leider nichts Neues. Früher ging es zur Landjugendparty oder zu Abifeten. Das gibt es seit Jahrzehnten. Für einen Eintritt von damals 10 Mark gab es „frei saufen“. Das ist heute nur kommerzialisiert worden.
Es ist richtig, dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung die aktuelle Entwicklung alarmierend findet, wonach bereits jeder Fünfte in der Altersgruppe von zwölf bis 17 Jahren in 2005 an so einem Saufgelage teilgenommen hat, bei dem die Jugendlichen in Kneipen für einen pauschalen Preis unbegrenzt Alkohol trinken können.
In Berlin hat es nach Informationen der Fachstelle für Suchtprävention die Zahl der Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftung in der Rettungsstätte gelandet sind, in den vergangenen Jahren verdoppelt. Dies liegt einerseits daran, dass junge Menschen Grenzen weniger erkennen, aber auch daran, dass ihnen Grenzen weniger gesetzt werden.
Im Elternhaus, in den Schulen oder in den Betrieben hat jeder einzelne Verantwortung. Auch derjenige, der abends mit auf die Party geht, hat die Verantwortung, zu schauen: Was macht der Nachbar? – Da gab es früher mehr Verantwortung in der Bevölkerung, sodass der Angetrunkene nach Hause gebracht wurde. Heute wird der Krankenwagen gerufen und der Mensch landet im Krankenhaus. Das ist der Egoismus, der teilweise in dieser Gesellschaft eingesetzt hat. Da müssen wir gesellschaftsfähiger und wieder verantwortungsvoller werden.
Auch gestern hat sich der Gesundheitsausschuss im Bundestag mit diesem Problem beschäftigt, was gut und richtig ist. Aber: Das Verbot ist sicher nicht der richtige Weg – auch nicht bei der Werbung. Und, Frau Löhrmann, wenn Sie auf Ihrer Homepage edle Weintropfen empfehlen, dann finde ich die Forderung nach einem Werbeverbot wirklich unredlich und pharisäerhaft.
Das ist wieder typisch Grün. Das hatten wir auch beim Nichtraucherschutz, wo das Rauchverbot eigenständig nicht eingehalten, aber das Problem verschoben wird. Das haben wir jetzt wieder beim Trinken. Das ist wirklich keine ehrliche Politik.
Verbote bringen nichts, das sagt auch unsere Landeskoordinierungsgruppe für Suchtvorbeugung ginko. Auf deren Homepage heißt es:
„Ein Alkoholmissbrauch wird schon seit dem Mittelalter beklagt. In den USA versuchte man, dieses Problem von 1919 bis 1933 mit einem Alkoholverbot … zu lösen; erfolglos, denn es entwickelte sich ein blühender Schwarzmarkt und eine große Kriminalität. Maßvoller Alkoholkonsum gehört heute zu unserer Alltagskultur und ist gesellschaftlich akzeptiert.“
Wir müssen den jungen Menschen vielmehr beibringen, verantwortungsvoll und genussvoll, aber nicht in eben dieser Radikalität mit Alkohol umzugehen. Wir bekommen das Problem „Alkoholismus von Jugendlichen“ nur in den Griff, wenn wir es gesamtgesellschaftlich angehen: Eltern, Lehrer, Vereine, Betriebe – letztendlich sind wir alle angesprochen.
Aber bitte keine einfallslosen Verbote, wie Sie sie bei den Glühbirnen, bei den Billigfliegern, bei Stand-by befürwortet haben. Das ist einfache Politik, die aber das Ziel nicht erreicht. Wir wollen wirkungsvolle Politik. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.
Bevor ich dem Minister allerdings das Wort gebe, noch ein Hinweis: Für den Fall, dass sich jemand so an der Stirn kratzen sollte, dass es möglicherweise auch als Geste des Vogel-Zeigens aufgefasst werden könnte, wäre das eine Geste, die ich rügen müsste. Ich weise nur noch einmal darauf hin, dass Missverständnisse dieser Art vermieden werden sollten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße es, dass die Öffentlichkeit wieder verstärkt
Alkoholexzesse bei Jugendlichen sind zum Glück nicht die Regel. Ich hoffe, dass Vorfälle wie der mit dem Jugendlichen in Berlin, der beim FlatrateSaufen ins Koma gefallen und an den Folgen seiner Alkoholvergiftung gestorben ist, die absolute Ausnahme bleiben.
Der Konsum von Alkohol darf weder verharmlost noch verteufelt werden. Alkohol ist als Genussmittel in unserer Kultur fest verankert. Auch die gesundheitlichen Risiken lassen sich bei verantwortungsvollem Konsum begrenzen.
Diese Grenzen werden jedoch gerade von jüngeren Menschen nicht selten überschritten. Gründe hierfür sind die noch nicht abgeschlossene Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihre fehlende Lebenserfahrung. Wir wissen, dass Jugendliche in dieser Lebensphase nicht nur beim Alkoholkonsum bewusst Grenzen überschreiten, die ihnen von Erwachsenen gesetzt werden.
Hier sehe ich in besonderer Weise die Eltern gefordert. Der erste Kontakt mit Alkohol findet zumeist in der Familie statt. Erwachsene sind wichtige Vorbilder auch für den richtigen Umgang mit Alkohol.
Schwerpunkt unserer Sucht- und Drogenpolitik ist auch die Verhinderung von alkoholbedingten Schäden bei Kindern und Jugendlichen. Wir setzen hierbei auf eine Mischung aus strukturellen und präventiven Maßnahmen. Neben den gesetzlichen Regelungen sind dies vor allem die Aufklärungsprojekte für verschiedene Zielgruppen im Rahmen der Landeskampagne zur Suchtvorbeugung.
Unser vorrangiges Ziel ist, Kinder und Jugendliche bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen. Dazu gehören neben der frühzeitigen Aufklärung über die Risiken des Suchtmittelkonsums die Förderung von Eigenverantwortung, Konfliktfähigkeit und sozialer Kompetenz. Die aktive Einbindung von Elternhaus und Schule ist uns hierbei besonders wichtig.
Neben regionalen Aktionswochen zur Suchtvorbeugung fördert das Land schon seit Langem spezielle Fachkräfte bei Sucht- und Drogenberatungsstellen. Sie führen suchtpräventive Maßnahmen vor allem bei Kindern und Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Bereich durch.
Diese Maßnahmen werden auch im Rahmen der Kommunalisierung der Landesförderung fortgesetzt. Allein 2006 wurden 3.000 Präventionspro
Dass unsere Präventionsbemühungen wirken, zeigen die Ergebnisse einer WHO-Studie über den Suchtmittelkonsum von 12- bis 15-Jährigen, an der auch Nordrhein-Westfalen teilgenommen hat. Danach ist der Alkoholkonsum in den letzten fünf Jahren in dieser Altersgruppe von etwa 30 % auf 17 % zurückgegangen.
Besondere Sorge bereitet mir jedoch, dass bereits Kinder unter zwölf Jahren Alkohol trinken. Ich halte es für nicht akzeptabel, wenn Kindern und Jugendlichen der Eindruck vermittelt wird, Alkohol sei ein Getränk wie jedes andere, das bedenkenlos zu den unterschiedlichen Anlässen getrunken werden könne. Es ist deshalb wichtig, dass unsere vorbeugenden Maßnahmen durch die gesetzlichen Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz sowie durch das Gaststättenrecht flankiert werden.
Wie Sie wissen, dürfen branntweinhaltige Getränke nicht an unter 18-Jährige, Wein, Bier und Sekt nicht an Jugendliche unter 16 Jahren abgegeben werden. Dies gilt auch, wenn sich Jugendliche in Begleitung von Erwachsenen befinden. Einem Gastwirt ist es im Übrigen generell untersagt, erkennbar Betrunkenen alkoholische Getränke auszuschenken. Die Sanktionen für Verstöße gegen die gesetzlichen Verbote reichen von der Verhängung von Bußgeldern bis zum Entzug der Gaststättenkonzession. Die örtlich zuständigen Ordnungs- und Jugendämter können zudem im Einzelfall, wie etwa bei Angeboten zum sogenannten Flatrate-Trinken, besondere Anordnungen und Einschränkungen für Jugendliche treffen.
Ich halte den allzu schnellen Ruf nach einer Ausweitung der bestehenden gesetzlichen Verbote, wie von dem einen oder anderen gefordert – soweit ich es verstanden habe, auch von den Grünen –, für wenig hilfreich.
Gleiches gilt für das mit dem Antrag geforderte generelle Werbeverbot für alkoholische Getränke. Schon heute wird die Werbung für Alkohol durch Jugendschutzbestimmungen eingeschränkt. Zudem hat der Deutsche Werberat Verhaltensregelungen über kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke aufgestellt, die den schädlichen Konsum alkoholischer Getränke verhindern sollen.
Angesichts der bereits bestehenden gesetzlichen Beschränkungen und der freiwilligen Selbstverpflichtung im Bereich der Werbung für alkoholische Getränke besteht aus Sicht der Landesregierung hier kein Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren, aber nicht immer wird alles, was gesetzlich festgeschrieben ist, auch eingehalten. Auch in Zukunft wird eine lückenlose Überwachung der Jugendschutzbestimmungen nicht möglich sein. Wir lösen das Problem jedoch nicht durch die Schaffung weiterer Verbote. Vielmehr bedarf es eines Bewusstseinswandels hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol.