Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Löhrmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße, dass wir durch den Impuls der Beantragung der Aktuellen Stunde eine nachdenkliche Diskussion führen. Ich will den Faden, Herr Preuß, gerne aufgreifen. Es geht natürlich nicht darum, dass wir nur darüber reden, sondern es geht darum, dass wir in der Analyse weiter diskutieren, wie es um den Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft steht, und darum, dass wir in der Frage weiterkommen, was wir alles dagegen tun müssen.

Besonders von den Vertreterinnen und Vertretern von CDU und FDP, aber auch vom Innenminister ist der Eindruck erweckt worden, dass zwar der Rechtsextremismus angestiegen, besorgniserregend und vielleicht auch schlimmer geworden sei, aber alles im grünen Bereich liege. Ich möchte da doch ein bisschen genauer hinschauen.

(Horst Engel [FDP]: Das ist doch völlig über- trieben!)

Lassen Sie uns an Beispielen doch weiter konstruktiv diskutieren.

Kollege Moron hat auf eine wichtige Offensive, so will ich es mal nennen, hingewiesen, nämlich auf die Offensive, die NPD kommunal zu verankern und – das ist die Ansage – in dieses Parlament 2010 einzuziehen. Ich hoffe, wir sind uns alle darin einig, dass wir das verhindern wollen,

(Beifall von den GRÜNEN)

dass da eine kommunale NPD-Basis entsteht. Wir sollten uns vor Augen führen, dass das Folgen haben kann, die wir uns alle nicht wünschen; da nehme ich niemanden aus.

Eines müssen wir auch tun: Edgar Moron, wir müssen den Eindruck vermeiden, als wäre die Politik wehrlos. Wir dürfen den Eindruck auf keinen Fall schüren, dass wir nichts tun können, weil wir es nicht so genau wissen.

Ich finde, wir wissen eines ziemlich genau. Wir wissen, dass Deutschland als Land der Nazibarbarei hier eine ganz besondere Verantwortung hat. Deswegen müssen wir alle den Satz, den Angela Merkel bei der Berliner Erklärung formuliert hat, Rassismus und Antisemitismus dürften in Europa nie wieder eine Chance haben, in unser

praktisches Tun einfließen lassen und ernst nehmen.

(Beifall von GRÜNEN und CDU)

Da müssen wir überlegen, wo unser Tun anfängt und wo es noch nicht reicht.

Ich möchte anhand von zwei Punkten darauf hinweisen, dass manchmal schnell etwas passiert, was nicht gut ist.

Wie Sie wissen, komme ich aus Solingen. Dort hat es den mörderischen Brandanschlag geben. In Solingen hat sich jetzt auch eine Ortsgruppe der NPD gebildet. In Solingen gibt es einen Altunternehmer: Kissel, bekennender Altnazi und nachgewiesener Förderer der rechtsextremen Jugendszene. Er hat ein Unternehmen, das Arbeitsplätze in unserer Stadt liefert; er baut auch schon mal eine Moschee. Er hat zu seinem 80. Geburtstag als Privatperson eingeladen. Jeder Eingeladene hat entscheiden können, ob er dort hingeht. Zu dieser Veranstaltung sind hingegangen: der Oberbürgermeister der Stadt, ein Kollege des Hauses, Kollege Westkämper,

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

der FDP-Bürgermeister, leider auch der Altoberbürgermeister der SPD.

Die Grünen haben dagegen demonstriert. Es ist versucht worden, die Grünen in die Ecke zu stellen, und man hat sich nicht überlegt, ob das klug sei. Es ist dann gelungen – das begrüße ich sehr und füge das ausdrücklich hinzu –, dass der Rat der Stadt Solingen erstmals eine Resolution einstimmig verabschiedet und sich von dem Gedankengut des Herrn Kissel distanziert hat. So weit war man noch nie gegangen. Aber vorher waren Fehler passiert.

Meine Damen und Herren, an solch einer Stelle muss man doch ganz genau hinsehen und sagen: Da ist die Grenze, da gehen wir nicht hin. Auch wenn das ein Unternehmer ist, der seine Verdienste hat, wollen wir ihn nicht hoffähig machen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir wollen rechtsextremes Gedankengut in dieser Gesellschaft nicht hoffähig machen. Da tragen wir als Demokraten eine ganz besondere Verantwortung. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Die Programme sind angesprochen worden, der Verfassungsschutz arbeitet, die Polizei arbeitet, in den Schulen gibt es Programme, es gibt politische Bildung. Aber ich glaube, wir müssen noch systematischer mit jungen Menschen daran arbeiten. Denn es ist klar: Wir brau

chen starke, junge Menschen. Das ist der beste Schutz vor Anfälligkeit gegenüber extremistischem Gedankengut.

Und da reicht der Kopf nicht aus. Ich habe das als Deutsch- und Geschichtslehrerin selbstverständlich auch getan und weiß daher, dass der Kopf nicht ausreicht. Wir müssen die jungen Menschen Demokratie erfahren lassen. Demokratie muss erfahren und gelebt werden in der Entscheidung über den Schulhof, in der Entscheidung über das Ganztagsangebot. Deswegen bedauern wir auch – das will ich noch einmal sagen –, dass Sie unserem Antrag auf mehr Partizipation gestern nicht gefolgt sind. Das wäre meines Erachtens ein gutes Signal gewesen.

Wenn wir jetzt weiter die Gesamtthematik beraten, wollen wir Grüne natürlich gerne mit mithelfen, zu einer einvernehmlichen Entschließung zu kommen und gemeinsame Handlungskonzepte aufzulegen. Vielleicht müssen wir jenseits des verbalen Schlagabtausches noch einmal darüber reden. Erfahrung von Demokratie, Erfahrung von Verantwortung und dass ich etwas tun kann – das bietet stärkeren Schutz, als mit Kindern und Jugendlichen nur intellektuell darüber zu diskutieren, was gut und richtig ist. Sie müssen erleben, dass sie eine Rolle haben, dass sie wertgeschätzt werden.

Als letzten Punkt möchte ich ansprechen, dass dazu auch ein klarer Schutz von Minderheiten gehört. Der Fremde, der Behinderte, der Schwule, der Obdachlose – sie gehören dazu. Ausgrenzung ist auch Gift für die Demokratie.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir als Parlament ein gutes Ergebnis, ein gutes Handlungskonzept für Nordrhein-Westfalen einvernehmlich beschließen. – Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Löhrmann. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die bisherige Debatte hat gezeigt, dass wir in dem Ziel im Wesentlichen einig sind. Es ist ein gutes Signal, das heute von diesem Landtag ausgeht – bei allem sonstigen politischen Schlagabtausch, den wir ja miteinander pflegen.

Allerdings gibt es natürlich auch in diesem Bereich eine differenzierte Wahrnehmung in den einzelnen Fraktionen. Ich kann – ich spreche hier

auch für die FDP – angesichts der Hysterie, mit der wir teilweise den Islamisten begegnen, nur sagen: Zur realen Bedrohungslage müssen wir feststellen, dass der Rechtsextremismus jedenfalls in der Masse der Delikte für die Menschen in Nordrhein-Westfalen eine viel größere Bedrohung ist als die Chimäre des Islamismus, die wir immer vor uns hertragen, meine Damen und Herren.

Ich denke, dass sich die Schwerpunktsetzung in der politischen Arbeit bitte dann auch mehr an der Realität festmachen sollte und weniger an den Debatten über das, was in der Welt vielleicht im Übrigen geschieht. Wenn die Debatte heute dazu beiträgt, dann, finde ich, haben wir hier schon einen vernünftigen Schritt getan.

Allerdings kritisiere ich das, was Herr Moron eben gesagt hat: Law and Order muss her! – Wir haben letzte Woche noch den Kollegen Wüst gehört. Wohl viele hier im Saal waren sich einig: Lawand-Order-Reden bringen nichts. Law-and-OrderReden bringen aber auch in der Frage des Rechtsextremismus nichts.

Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir aus unserer Warte heraus Märtyrer schaffen wollen, die durch den Staat besonders hart angefasst werden, um dann in der rechtsextremen Szene herumgereicht zu werden als diejenigen, die mit dem Staat eine besondere Erfahrung machen durften. Ich meine: Wir müssen mit Verbrechern immer gleich umgehen, egal, warum sie Verbrechen begehen. Wir müssen allen Verbrechern und Straftätern am Ende aber auch eine Perspektive bieten.

Deswegen dürfen wir auch die Rechtsextremen nicht in die Ecke drängen – wie wir ja auch zum Linksextremismus eine Debatte um die Freilassung der RAF-Terroristen führen –, dass wir Menschen, die einmal etwas getan haben, für den Rest des Lebens aus diesem Closed Shop nicht mehr herauslassen. Vielmehr müssen wir einen großen Schwerpunkt unserer Arbeit darauf legen, diese Menschen in die Demokratie zurückzuführen und ihnen über alle Mittel, die Politik, Ausbildung, Strafrecht und Strafvollzug bieten, einen Weg aufzeigen, wieder ein Teil der Gesellschaft zu werden. Es ist mir sehr wichtig, auf diesem Weg so voranzuschreiten.

(Beifall von der FDP)

Wir haben hier heute des Öfteren die Frage diskutiert, wie sich Parteien und Fraktionen eigentlich in den Kommunen verhalten. Für uns als Liberale kann ich nur sagen, auch ohne eine flächendeckende Abfrage gemacht zu haben: Für uns sind in den Kommunen – ob in offener oder geheimer

Abstimmung – Rechte niemals ein Partner. Wir stimmen nicht mit Rechten. Wir suchen keine Mehrheiten mit Rechten. Ich wünschte mir, alle Fraktionen in diesem Hause würden das so halten, meine Damen und Herren.

Wir haben gehört, dass es unterschiedliche Entschließungsanträge gibt, und es gibt den Ansatz, für die Diskussion im Hauptausschuss einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Ich stehe einer solchen Debatte sehr aufgeschlossen gegenüber, weil ich es für wichtig finde, dass wir am Ende ein gemeinsames Signal setzen, damit jeder nachlesen kann, wie die Position des Landtags in Gänze aussieht.

In diesem Sinne wünsche ich uns eine gute und erfolgreiche Debatte im Ausschuss zu den einzelnen Entschließungsanträgen, auf dass wir zum Wohle des Landes gemeinsam etwas Vernünftiges schaffen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zieht Frau Düker ihren Redebeitrag gerade zurück. – Dann haben wir auf der Rednerliste noch Frau Gödecke, die für die SPD zur Geschäftsordnung sprechen möchte. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zwar für die SPD-Landtagsfraktion zu Wort gemeldet; es gibt aber eine Verständigung aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Deshalb glaube ich, dass ich zumindest in weiten Teilen auch in deren Namen reden darf.

Trotz unterschiedlicher Temperamente, trotz unterschiedlicher Beispiele, trotz unterschiedlicher Aspekte ist die Debatte heute Morgen mit großer Nachdenklichkeit und großer Ausgewogenheit geführt worden.

Wichtigstes Ergebnis für alle hier im Hause vertretenen Parteien ist es, ein Zeichen zu setzen und sehr deutlich zu sagen, dass alle Demokraten in Nordrhein-Westfalen gemeinsam Nein sagen – gemeinsam Nein sagen zu rechtsextremer Gewalt, gemeinsam Nein sagen zu rechtsextremem Gedankengut und gemeinsam Nein sagen zur Kommunalisierung rechtsextremer Parteien. Trotz der Unterschiede, die es in der Debatte gegeben hat, eint uns dieses Nein an diesem Morgen.

Wir alle haben miteinander betont, dass es gilt, die demokratischen Grundprinzipien zu verteidigen. Die Demokratie ist weder sprachlos noch ist

sie handlungsunfähig oder wehrlos. Nein, die Demokratie kann sich artikulieren und tut das auch.

Was uns trennt, sind eigentlich nur die Fragen der Bewertung: die Frage der Wege, wie wir das, was wir gemeinsam als Ziel beschreiben, erreichen können und wollen, und auch die Frage, ob das, was wir bis heute gemeinsam geleistet haben, genug ist oder ob wir noch mehr tun müssen.

Um der Gemeinsamkeiten willen hat es deshalb eine Verständigung gegeben, das in den Mittelpunkt zu stellen, was uns eint, aber nicht das, was uns trennt.

(Beifall von SPD und CDU)