Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Da ich die Probleme und Sorgen der Kommunen kenne, sage ich zugleich deutlich: Die Botschaft der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen ist völlig klar: Es wird keine staatliche Neuordnung von oben geben. Wir wollen ausschließlich freiwillige Kooperationen und Wettbewerb um die beste Lösung.

Für uns und für mich ist die GO-Novelle ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Freiheit für die Bürger und für die Kommunen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister, zur Einbringung des Gesetzentwurfs. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Lux Gelegenheit zu reden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reform der Gemeindeordnung ist eines der zentralen Vorhaben der Koalition der Erneuerung von CDU und FDP.

(Beifall von der FDP)

Deshalb sind wir froh, dass sich nach Einbringung des Gesetzentwurfs ab heute auch das Parlament mit diesem Vorhaben beschäftigt. Es handelt sich dabei – der Innenminister hat gerade darauf hingewiesen – um ein sehr umfangreiches Reformpaket, das sich unter anderem insbesondere mit der Stellung der Hauptverwaltungsbeamten, also der Landräte, der Bürgermeister und der Oberbürgermeister, befasst, das die Rechtsbeziehungen zwischen den Hauptverwaltungsbeamten und den Räten bzw. Kreistagen neu bestimmt und damit zur Balance zwischen Rat und Verwaltung beiträgt, das die Rechtsstellung der Räte, Fraktionen und Ratsmitglieder stärkt, das neue Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten auch für die Bürger, zum Beispiel durch Einführung des Ratsbürgerentscheides, einführt, das die Sperrwirkung eines zulässigen Bürgerbegehrens festschreibt, das die kommunale Aufgabenerledigung unmittelbar vor Ort stärker als bisher, zum Beispiel durch Absenkung der Schwellenwerte, ermöglicht, das die interkommunale Aufgabenerledigung vor Ort wesentlich erleichtert und das nicht zuletzt Klarstellungen im Gemeindewirtschaftsrecht vorsieht, auf die im Einzelnen im zweiten Beitrag mein Kollege Peter Biesenbach eingehen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war nur eine beispielhafte Aufstellung all der Bereiche, die in dem Reformpaket angesprochen werden. Grundlagen dieser Reformüberlegungen sind neben dem Koalitionsvertrag vor allem die Ergebnisse der Reformkommission von 2002, die der damalige Innenminister eingesetzt hatte, und viele Anträge, die von den jetzigen Koalitionsfraktionen in den vergangenen Legislaturperioden in dieses Hohe Haus eingebracht wurden und leider meist an der damaligen Mehrheit gescheitert sind.

Bei der großen Vielzahl von Regelungsbereichen und Einzelregelungen ist es natürlich verständlich und normal, wenn über dieses umfangreiche Reformpaket hier im Hause, aber auch vor Ort innerhalb der Parteien und zwischen den Parteien heftig und zum Teil kontrovers diskutiert wird. Aber nach einer einjährigen Diskussion mit Verbänden, Parteigliederungen und kommunalen Mandatsträgern kann ich Ihnen versichern: Die CDU steht bei aller Kritik in Einzelfragen auch mit ihren kommunalen Mandatsträgern nahezu geschlossen hinter diesen Reformbestrebungen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Es wird sich im Verlauf der parlamentarischen Beratungen herausstellen, dass all die apokalyptischen Visionen und Weltuntergangsszenarien –

jetzt blicke ich auf Herrn Becker –, die Sie, meine Damen und Herren von Opposition, hier an die Wand gemalt haben, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Da nehmen wir die Bedenken der Spitzenverbände schon ernster, auch wenn wir völlig überzogene Forderungen einzelner Verbände absolut nicht verstehen können, weil sie mit der geplanten Änderung der GO nichts zu tun haben. Wer zum Beispiel eine völlige Gleichstellung kommunaler Unternehmen mit privaten Konkurrenten fordert, der wendet sich nicht gegen die geplanten Neuregelungen der GO bzw. des Gemeindewirtschaftsrechts, sondern der muss klar sagen, dass solche Forderungen mit dem derzeit bestehenden Gemeinderecht absolut unvereinbar sind.

(Theo Kruse [CDU]: So ist es!)

Lassen Sie mich nur auf einen Bereich der Reformüberlegungen eingehen, der hier im Hause, aber auch draußen für viel Diskussionsstoff gesorgt hat, nämlich die Amtszeitverlängerung der Hauptverwaltungsbeamten. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, tun so – der Herr Innenminister hat es gerade mit dem Begriff „Sonnenkönigsphobie“ angesprochen –,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das stammt nicht von der SPD, sondern von der CDU!)

als würde dies den Weltuntergang bedeuten, als würden dadurch die Rechte und Einflussmöglichkeiten der Ratsmitglieder eingeschränkt. Meine Damen und Herren, vielleicht erinnern Sie sich daran, dass bis 1979 in Nordrhein-Westfalen die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten, also der Oberstadtdirektoren und der Stadtdirektoren, zwölf Jahre betrug. Von 1979 bis 1994 waren es immerhin noch acht Jahre. Diese Hauptverwaltungsbeamten hatten nicht die demokratische Legitimation durch eine Urwahl durch den Bürger wie die heutigen Bürgermeister, Landräte und Oberbürgermeister, sondern sie konnten sich lediglich auf die aktuelle Mehrheit in der kommunalen Vertretung zum Zeitpunkt ihrer Wahl bzw. Wiederwahl stützen.

Mit der geplanten Amtzeitverlängerung der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte knüpfen wir nicht nur an diese positiven Erfahrungen an, sondern wir greifen auch auf das Ergebnis der Reformkommission von 2002 zurück, immerhin unter ihrem damaligen Innenminister eingesetzt, die ebenfalls mehrheitlich eine Amtszeitverlängerung empfohlen hatte. Nicht zuletzt war

es die CDU-Landtagsfraktion – daran darf ich auch noch einmal erinnern –,

(Carina Gödecke [SPD]: Aber aus einem ganz anderen Grund!)

die in diesem Hause die Urwahl der Bürgermeister zunächst gegen Ihren erbitterten Widerstand, meine Damen und Herren von der SPD, durchgesetzt und in diesem Zusammenhang genauso lang und bisher vergeblich die Amtszeitverlängerung für die Hauptverwaltungsbeamten gefordert hat.

Meine Damen und Herren, der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist eine ausgezeichnete Grundlage für die jetzt anstehenden Beratungen hier im Parlament. Selbstverständlich macht eine ernsthafte Befassung nur Sinn, wenn auch Offenheit für Veränderungen oder Klarstellungen im Detail besteht.

(Markus Töns [SPD]: Aha!)

Dies sollten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aufnehmen.

(Markus Töns [SPD]: Sie auch!)

Sie sollten Ihre absurden Weltuntergangsprognosen, die in den vergangenen Monaten Ihren Sturz in die landespolitische Bedeutungslosigkeit mit verursacht haben, beiseite legen

(Carina Gödecke [SPD]: Geht es noch ein bisschen dicker?)

und zu einer ernsthaften Beratung bereit sein. Zum Beispiel auch beim Schulgesetz, beim Hochschulfreiheitsgesetz und bei den Studienbeiträgen haben Sie jeweils den Untergang des Abendlandes prognostiziert. Die Wirklichkeit hat deutlich gemacht,

(Sören Link [SPD]: Es ist mehr Schwund als früher!)

wie und dass Sie total danebengelegen haben. Ersparen Sie sich die erneute Blamage.

In dem Zusammenhang fällt mir ein, welche aktuellen Beiträge Sie zur Politikverdrossenheit leisten. Es ist nicht die Regierung, es sind nicht die Fraktionen der CDU und der FDP, die zur Reform- und zur Politikverdrossenheit beitragen, Sie sind es. Wenn ich mir heute die Presseschau des Hauses ansehe – „Hier lacht Rüttgers über die …Trottel von der SPD“ –, dann kann ich nur sagen, dass Sie mit solchen Aktionen wesentlich stärker zur Politikverdrossenheit beitragen, als das die Koalitionsfraktionen tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Leider sind Frau Kraft und Herr Groschek nicht da. Ich glaube, es wäre an der Zeit, dass sie sich für solche Aktionen hier im Hause auch einmal entschuldigen würden.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Beratungen voll Zuversicht auf,

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

und wir sind überzeugt, dass wir zumindest mit unserem Koalitionspartner eine gelungene Reform der Gemeindeordnung hinbekommen werden, dass wir sie zum Erfolg führen werden und dass bestehende Zweifel und Unsicherheiten außerhalb des Hauses weitestgehend ausgeräumt werden können.

Ich freue mich auf die Beratung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Körfges das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben angesichts der Diskussionen im Vorfeld gerade zwei höchst bemerkenswerte Wortbeiträge zur Kenntnis nehmen dürfen.

Herr Kollege Lux hat eine sehr nach innen gewandte Rede gehalten, die eher dazu geeignet scheint, innerhalb der CDU die dort nachvollziehbaren Diskussionen über das, was Sie hier als Reform vorlegen, ein bisschen zur Ruhe zu bringen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass Sie das mit der Argumentation, die Sie gerade geliefert haben, nicht hinbekommen werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir wissen, dass viele Vertreterinnen und Vertreter der CDU nach wie vor in den wesentlichen Kernpunkten auf der Seite der Opposition im Lande und auf der Seite der Kommunen in NordrheinWestfalen stehen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Meine Damen und Herren, der Herr Innenminister hat auf die Sorgen in den Kommunen Bezug genommen. Wenn Sie so genau hinhören, Herr Wolf, dann kann ich nicht verstehen, wieso Sie auf diese Sorgen nicht reagieren, sondern unverändert bei Ihrem Entwurf bleiben.

(Beifall von der SPD)

Die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut; sie genießt nach Artikel 28 unseres Grundgesetzes Verfassungsrang. In Städten und Gemeinden ist die demokratische Selbstverwaltung für die Menschen unmittelbar erfahrbare demokratische Kultur. Nicht nur historisch gesehen beginnt die demokratische Willensbildung in den Kommunen. Deshalb sind die Regeln, die dort für demokratische Prozesse gelten, von elementarer Bedeutung, und nicht von ungefähr sprechen wir in diesem Zusammenhang von Kommunalverfassung.

Meine Damen und Herren, alle bisherigen Landesregierungen – darauf ist gerade schon, sicherlich mit einem falschen Zungenschlag, aber zu Recht hingewiesen worden – und alle Landtagsmehrheiten in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen haben dieser besonderen Bedeutung durch den Willen zum überparteilichen Konsens bei Fragen der Kommunalverfassung Rechnung getragen.