Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Kommunalverfassung und zweitens um das Kommunalwahlgesetz. Nach noch nicht einmal zwei Regierungsjahren setzen wir eines der zentralen Themen aus unserem Koalitionsvertrag um.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP setzt sich seit Jahren für eine Novellierung der Kommunalverfassung ein. Ziele der Reform sind mehr Eigenständigkeit für unsere nordrheinwestfälischen Städte, Gemeinden und Kreise sowie die Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungsprozessen.

Seit der letzten Überarbeitung der Gemeindeordnung im Jahre 1994, also vor 13 Jahren,

(Bodo Wißen [SPD]: Mit den Stimmen der CDU!)

hat sich ein erheblicher Reformdruck …

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Sie können auf das Knöpfchen an Ihrem Platz drücken und beim Präsidenten um das Wort bitten. Dann kann ich entscheiden, ob ich die Zwischenfrage akzeptiere oder nicht.

(Horst Becker [GRÜNE]: Können Sie, müs- sen Sie aber nicht!)

Die Zwischenrufe helfen uns nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit der letzten Überarbeitung der Gemeindeordnung im Jahre 1994, also vor 13 Jahren, hat sich ein erheblicher Reformdruck in den Kommunen aufgebaut, der eine Weiterentwicklung der Gemeindeordnung notwendig macht und Empfehlungen der vom damaligen Innenminister Fritz Behrens berufenen Expertenkommission umsetzt.

Mit der Reform werden gestärkt bzw. ausgebaut

1. demokratische Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger,

2. die Stellung von Rats- und Kreistagsmitgliedern und natürlich auch die Stellung des Bürgermeisters.

Es wird einen Zugewinn an kommunalen Tätigkeiten geben.

(Bodo Wißen [SPD]: Das ist ja lächerlich!)

Der Mittelstand wird durch die Verschärfung des Gemeindewirtschaftsrechts gestärkt.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Es würde zu lange dauern – das hat der Innenminister in ähnlicher Weise formuliert –, jetzt alle Änderungen der GO-Reform aufzuführen und zu

würdigen. Deshalb möchte ich mich heute in der ersten Lesung auf nur einige wenige wesentliche Änderungen konzentrieren.

Neben der Tagespolitik mit der Entscheidung über aktuelle Belange gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen, die die Generation von morgen betreffen. Die neue GO verlangt in Zukunft für kommunales Handeln einen ressourcenschonenden Umgang und den Ausstieg aus der Schuldenspirale.

Die Einführung des Rats- bzw. des Kreistagsbürgerentscheids beteiligt in Zukunft die Bürger unmittelbar an kommunalen Entscheidungsprozessen. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Für die für zulässig erklärten Bürgerbegehren wird es in Zukunft eine Sperrwirkung geben, das heißt, gegenläufige Entscheidungen der Gremien gibt es in Zukunft nicht mehr.

Mit der GO-Reform werden die Rechte der Mandatsträger gestärkt, indem alle, auch kleinere Fraktionen in Zukunft die Möglichkeiten haben, Anträge zur Tagesordnung von Ausschüssen zu stellen. Die alte Ein-Fünftel-Regelung ist Vergangenheit. Rats-, Kreistags- und Bezirksvertretungsmitglieder erhalten zur Kontrolle von Beschlüssen das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht. Fraktionsstatus ist in Zukunft mit zwei Mitgliedern erreicht; in Gremien über 59 Mitgliedern ist er mit drei Mitgliedern erreicht. Darüber hinaus wird jetzt gesetzlich geregelt, dass Gruppen ohne Fraktionsstatus und Einzelmandatsträger ein Recht auf eine finanzielle Entschädigung erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Städte, Gemeinden und Kreise starke Oberbürgermeister, Bürgermeister bzw. Landräte brauchen, die weitgehend parteiunabhängig sind und nicht wie Marionetten von Mehrheitsfraktionen agieren müssen. Deshalb werden richtigerweise die Wahlen von Oberbürgermeister, Bürgermeister bzw. Landrat von den Wahlen der Räte bzw. Kreistagsmitglieder entkoppelt. Das bietet auch engagierten Wahlkreis- und Stimmbezirksbetreuern eine bessere Möglichkeit, mit ihrer Arbeit vor Ort durchzudringen.

Der Staat, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich in beinahe jede Lebensritze hineingedrängt. Jetzt kommt die Zeit, das wenigstens auf der kommunalen Ebene zu ändern. Mit der GO-Reform wird das Gemeindewirtschaftsrecht restriktiver gefasst. Ich spreche das nur kurz an, weil mein Kollege Dietmar Brockes darauf ausführlich eingehen wird.

(Zuruf von der SPD: Das war zu befürchten!)

Unter dem Deckmantel der öffentlichen Daseinsfürsorge haben viele Kommune fantasievoll wirtschaftliche Aktivitäten entwickelt, die der Privatwirtschaft vorbehalten sind.

Dabei wurde bewusst übersehen, dass das finanzielle Risiko für diese kommunale Staatswirtschaft stets der Bürger zu tragen hatte. Für die Energie- und Wasserversorgung, für den ÖPNV – der Innenminister hat das alles vorgetragen –, für die Telefondienstleistungen und für Kommunikations- und Leitungsnetze bleibt es in Zukunft wie bisher. Bis zum 19. März 2007 gibt es für kommunale Unternehmen, die nach dem alten § 107 GO gegründet wurden, einen Bestandsschutz.

Herr Kollege, darf ich Sie kurz unterbrechen?

Bitte schön.

Es gibt den Wunsch des Kollegen Börschel, eine Zwischenfrage zu stellen. Sind Sie damit einverstanden?

Gerne, Herr Präsident.

Gut. – Herr Börschel, ich gebe Ihnen das Wort.

Darf ich Sie, Herr Kollege Engel, mit zweieinhalb bis drei Zwischenfragen belästigen?

Eine!

Dann werde ich das mit einem Fragezeichen schließen.

Nicht tricksen!

Ist es korrekt, dass Sie als Mitglied im Aufsichtsrat der kommunalen Häfen- und Güterverkehr Köln AG daran mitgewirkt haben, dass sich die kommunale Häfen- und Güterverkehr Köln AG beispielsweise an einer Duisburger Wassertransportgesellschaft beteiligt und dass Sie dies mit Sitz und Stimme nicht nur gutgeheißen, sondern mitgetragen haben und nun im Parlament dagegen vom Leder ziehen?

(Beifall von der SPD)

Würden Sie das nicht als gelebte Schizophrenie bezeichnen, Herr Kollege?

(Zuruf von der SPD: Voll erwischt! – Achim Tüttenberg [SPD]: Wolf im Schafspelz!)

Bitte.

Herr Kollege Börschel, die Absicht bestand, die Transportleistung bis nach Lyon auszuweiten. Mein Hinweis war in der entsprechenden Aufsichtsratssitzung, all das doch einmal durch die Kommunalaufsicht überprüfen zu lassen. Außerdem kam der Hinweis: höchstens bis Koblenz. Ob Koblenz und Duisburg weiter auseinander liegen, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber Ihre Kollegen haben sich in dieser Aufsichtsratssitzung …

(Martin Börschel [SPD]: Haben Sie es mitbe- schlossen oder nicht?)

Vor dem Hintergrund des alten § 107 – die Auskunft war: das geht – habe ich es mitbeschlossen. Völlig klar.

(Lachen von der SPD)

Das ist der alte § 107; da war das in Ordnung. Wo ist das Problem?

(Martin Börschel [SPD]: Das kann man än- dern!)

Ja, das ändern wir jetzt.

Mit der neuen GO werden wir die Voraussetzungen schaffen, dass vor Ort modern aufgestellte Verwaltungen mit zügigeren und verbesserten Organisationsstrukturen entwickelt werden können. Durch Senkung der Einwohnerschwellenwerte können kreisangehörige Gemeinden zum Beispiel in Zukunft per Antrag mehr Aufgabenzuständigkeit erhalten, etwa ein eigenes Jugendamt.

Ebenso werden die Möglichkeiten der zwischengemeindlichen Kooperation verbreitert. In Zukunft ist die Bildung von Mehrfachzweckverbänden möglich. Das heißt, es kann ein Zweckverband gegründet werden, dem verschiedene Aufgabenfelder zugeordnet sind. Darüber hinaus können kreisangehörige Gemeinden untereinander sowie kreisangehörige Gemeinden mit kreisfreien Städten auf den verschiedensten Aufgabenfeldern miteinander kooperieren, um zum Beispiel Verwaltungsdienstleistungen kostengünstiger anbieten zu können.

Ich komme zum Schluss. Neben der Änderung der Kommunalverfassung wird das Kommunalwahlgesetz wählerfreundlicher gestaltet. Insbesondere befürworten wir die Absenkung der Hürden für die Teilnahme der Wählerinnen und Wähler an Kommunalwahlen.