Auf der anderen Seite rufe ich alle hier Anwesenden herzlich dazu auf, selbst vor Ort tätig zu werden, damit wir dieses Problem in den Griff bekommen und Kindern, die zwar eine Ganztagsgrundschule besuchen, aber außen vor stehen und kein Mittagessen bekommen, durch privates Engagement möglichst schnell helfen können.
Ich will dazu gerne meinen Beitrag leisten und bin in dieser Art und Weise auch bereits unterwegs. Ein solcher Zustand ist nämlich nicht hinnehmbar. Auch nicht hinnehmbar ist, dass das Mittagessen ein Grund dafür ist, dass Kinder vom offenen Ganztag abgemeldet werden, weil es beschämend für die Kinder ist, sich kein Mittagessen leisten zu können. Denn gerade diese Kinder sind es doch, die eine Betreuung am Nachmittag nötig haben, um die man sich kümmern muss und die häufig Defizite in ihrer schulischen Entwicklung
Frau Löhrmann, Sie fordern in Ihrem Antrag das Recht auf eine warme Mahlzeit. Kommen Sie mir in dem Zusammenhang bitte nicht mit so viel Bürokratie.
Es gibt so viele Eltern, die das selber leisten können und auch wollen. Es gibt Kinder, die die Ganztagsschule nicht besuchen, sondern nach Hause zurückkehren und sich an den Mittagstisch setzen.
Wir sollten uns nicht um Rechtsansprüche, sondern darum kümmern, dass den betroffenen Kindern schnell geholfen wird und ihnen ein Mittagessen zur Verfügung gestellt wird. Wir sollten alle Kräfte, die sich im Umfeld einer Schule befinden, dazu nutzen, Initiativen zu ergreifen und es hinzubekommen, dass in Nordrhein-Westfalen so viele Mittagspatenschaften wie nötig für Kinder, die in dieser Weise betroffen sind, übernommen werden. – Danke schön.
Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Jetzt hat für die Landesregierung die zuständige Schulministerin, Frau Sommer, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über ein Ziel des vorliegenden Antrags können wir uns leicht einigen. Wir alle wollen, dass unsere Kinder in einer möglichst gesunden und angenehmen Atmosphäre lernen. Eine gemeinsame Mahlzeit trägt zu einer vernünftigen Rhythmisierung des Schulalltags bei. Sie fördert das Lernverhalten und den Lernerfolg, stärkt den sozialen Zusammenhalt und das Gemeinschaftserlebnis. Die Ausgestaltung des Mittagessens ist in der Schule von erzieherischer Bedeutung.
Kinder, die einen langen Schultag zu bewältigen haben, müssen am Mittag selbstverständlich ihre Energiereserven auffüllen. Meine Damen und Herren insbesondere von Bündnis 90/Die Grünen, jedes Kind sollte eine warme Mittagsmahlzeit bekommen. Erreicht man das aber über einen bloßen Rechtsanspruch? – Ich meine nein. Was wir brauchen, sind kreative Lösungen vor Ort. Damit meine ich die Einbeziehung von mobilen Essensangeboten, Kooperationen mit Krankenhäusern – Frau Pieper-von Heiden hat es eben schon er
Eine angemessene Problemlösung bestünde beispielsweise in einer Vereinbarung von Schulträgern, Schülern ein gemeinsames Angebot zu unterbreiten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von bürgerschaftlichen Institutionen, Fördervereine, Tafeln und Wohlfahrtsverbände, die sich dieser Thematik annehmen.
Ich weiß, dass sich etliche Schulträger – zum Beispiel in Ihrer Heimat Paderborn, sehr geehrte Frau Beer – in vorbildlicher Weise einsetzen.
Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf ein Mittagessen nützt zunächst niemandem, solange die Finanzierung nicht gesichert ist.
Sie fordern ein Investitionsprogramm, ohne auch nur im Ansatz eine Finanzierung vorzulegen. Der Bedarf für eine Mittagsverpflegung ergibt sich aber nicht erst – das möchte ich deutlich entgegnen – durch die Erweiterung der Stundentafel. Viele Schulen führen bereits seit längerer Zeit Nachmittagsunterricht und Nachmittagsangebote durch. Investitionen für Einrichtungen zur Mittagesverpflegung sind aber zuerst einmal eine Aufgabe der Schulträger als äußere Angelegenheit. Sie werden durch das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ bei der Erfüllung dieser Aufgaben in einem hohen Maße entlastet. Die Landesregierung stellt ihnen darüber hinaus eine Schulpauschale in Höhe von 460 Millionen € zur Verfügung. Sie dient auch zur Erfüllung dieser Aufgabe, so dass an dieser Stelle sächliche Voraussetzungen geschaffen werden können.
Die Landesregierung setzt klare Prioritäten. Der Bedarf an Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten besteht in einem besonders hohen Maße im Primarbereich und in den Hauptschulen. Deshalb legen wir den Schwerpunkt auf den Ausbau der offenen Ganztagsschule im Primarbereich und auf erweiterte Ganztagsschulen im Hauptschulbereich.
Meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrer Regierungszeit hatten Sie die Gewährung von Investitionszuschüssen aus dem Bundesprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ auf den Primarbereich beschränkt. Wir haben das Programm für die ab dem 1. Februar 2006 eingerichteten Hauptschulen und Förderschulen mit erweitertem Ganztagsbetrieb geöffnet. NordrheinWestfalen stehen 914 Millionen € zu.
Meine Damen und Herren, für manche Eltern ist es aus Kostengründen schwierig, ihren Kindern die Teilnahme am Mittagessen zu ermöglichen. Das ist eine sehr bedrückende Situation. Kinder sind unser höchstes Gut. Wir haben die Aufgabe, für sie zu sorgen. Auch hier arbeiten wir intensiv an einer Lösung.
Das Saarland hat, wie Frau Löhrmann und Herr Recker schon erwähnt haben, eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht, die darauf abzielt, Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen, das Mittagessen als Mehrbedarf anzuerkennen. Diese Initiative wird derzeit im Bundesrat beraten und von allen Bundesländern als diskussionswürdig angesehen. Die Initiative ist allerdings noch nicht beschlossen, weil noch offene Fragen zu klären sind und mögliche Alternativen geprüft werden müssen.
Meine Damen und Herren, wir führen mit allen Beteiligten regelmäßige Gespräche über den Entwicklungsbedarf im Ganztag. Dazu haben wir eine interministerielle Arbeitsgruppe „Ganztag in NRW“ ins Leben gerufen. Mitglieder sind auch die kommunalen Spitzenverbände, die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die Kirchen und die Landesjugendämter. Weitere Gremien und Gesprächskreise, wie sie im Antrag gefordert werden, sind meiner Ansicht nach nicht erforderlich.
Die Landesregierung, meine Damen und Herren, handelt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie stellt das Wohl aller Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Aber: Unseren Bemühungen sind enge Spielräume gesetzt. Diese engen Spielräume sind über Jahre unter einer anderen Landesregierung gewachsen. Wir haben nur noch enge Spielräume. Aber, Frau Löhrmann, ich nehme das, was Sie eben gesagt haben, sehr positiv auf und erwähne das hier noch einmal deutlich: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Es gibt Themen, meine Damen und Herren, die nicht Inhalt einer scharfen politischen, parlamentarischen Auseinandersetzung sein sollten. Ich glaube, dass dieses Thema dazugehört, selbst wenn uns Kollegin Stotz gerade in diesem Zusammenhang unter anderem mangelnde Sensibilität vorwirft.
Wir wollen gemeinsam Zukunft. Wir wollen gemeinsam Zukunft für unsere Kinder, und an dieser Stelle appelliere ich an die Oppositionsparteien: Haben Sie bitte auch im Blick, dass Zukunft ebenfalls bedeutet, dass man seinen Haushalt und seine Finanzen in Ordnung bringt und dass man auch an dieser Stelle arbeitet. Denn wenn wir das
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauen Sie sich einmal im Landtag um. Viele von unseren Kollegen sitzen derzeit beim wohlverdienten Mittagessen, und niemand käme auf die Idee, ihnen dieses verweigern zu wollen. Denn wir möchten ja, dass die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und der Landtagsabgeordneten erhalten bleibt. Niemand, Frau Pieper-von Heiden, käme auf die Idee, dieses Mittagessen, das wir hier institutionell im Landtag vorfinden, als einen Aufbau von Bürokratie zu bezeichnen.
Aber: Wie sieht es eigentlich in unseren Schulen aus? – Es ist schön, Frau Sommer, dass Sie die Notwendigkeit des warmen Essens für jedes Kind sehen. Da haben wir einen Konsens, den wir festhalten können und an dem wir auch gemeinsam weiterarbeiten sollten.
Dennoch ist die schulische Realität zurzeit leider eine andere: Die Ausdehnung der Schulzeiten – Sie sagen immer, dies sei nicht notwendig – führen natürlich dazu, dass schleichende Ganztagsangebote eingeführt werden, sodass in der Tat vor Ort kreative Lösungen entstehen müssen und von den Eltern praktiziert werden, die aber für diesen Staat nicht grundsätzlich tragbar sind.
Neue Ganztagszuschläge gibt es nur für die Hauptschulen. Die Gesamtschulen, die sich neu gründen lassen wollen, bekommen derzeit von Ihnen mitgeteilt: Aber auf keinen Fall mit Ganztagszuschlag, sodass es dann für diese Schüler – vom Wohl jedes Kindes haben Sie gerade gesprochen – an neu zu gründenden Ganztagsschulen keinen Ganztagszuschlag geben wird.
Auch das Projekt „13plus“ ist nicht ausreichend. Angesichts des Bedarfes, den Familien heute haben und den auch Sie immer wieder beschwören, nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, müssen wir sowohl den Ganztag als auch das warme Essen in den Schulen ausbauen, und zwar deshalb, weil wir die Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen ebenso erhalten müssen wie die von Mitarbeitern im Landtag und in den Ministerien.
Nebenbei gesagt: Essen in der Schule hat durchaus eine gesundheitspolitische und pädagogische Funktion. Für die Verantwortlichen in der Schule ist die Realisierung eines Essens unter den jetzigen Bedingungen aber oft schwierig. So einfach, wie es Frau Pieper-von Heiden darstellt: „Wir machen hier eine Patenschaft und da eine Patenschaft, und hier finanziert der eine und dort finanziert der andere Betrieb das Essen“, ist es nicht.
Meine Erfahrung sieht ganz anders aus: Wenn es überhaupt dazu kommt, dass eine Patenschaft funktioniert – die Betriebe sind dabei durchaus nicht so offen, wie es dargestellt worden ist –, dann lassen sie sich das Essen aber auch bezahlen. Ob das Essen eines Altenheimes immer für eine Grundschule, ein Gymnasium, eine Gesamtschule oder eine Hauptschule geeignet ist, wage ich zu bezweifeln, weil die Anforderungen an das Essen eines Altenheimes möglicherweise andere sind als die für Kinder.
Viele Kommunen sehen sich zudem aufgrund der Haushaltssituation nicht in der Lage, die entsprechenden Investitionen für die Mensen wirklich vorzunehmen.
Frau Sommer, Sie haben gerade eben auf die Schulpauschale hingewiesen. Die haben wir eingeführt, und die halten wir auch für richtig. Aber richtig ist ebenfalls, dass in den Kommunen zurzeit ein geschätzter Investitionsstau von 4 Milliarden € vorliegt. Wie sollen die Kommunen denn bei diesem Investitionsstau die neuen Regelungen und Herausforderungen tatsächlich umsetzen?
Sie haben auf die IZB-Mittel hingewiesen. Sie wissen selber, dass wir zurzeit nur noch 84 Millionen € IZB-Mittel im Topf haben. Auch hier müssten wir mehr Mittel erschließen, um die entsprechenden Entwicklungen vor Ort fördern zu können.
Das Handlungsfeld Ernährung stellt in allen westlichen Ländern in der Zwischenzeit ähnliche Herausforderungen. Die Verantwortung für die Ernährung liegt aber in Deutschland – anders als in anderen Ländern – überwiegend in Privathaushalten, in denen die Mütter und Frauen bei uns in Deutschland in der Zwischenzeit zu 65 % berufstätig sind – mit einer steigenden Tendenz. Dementsprechend wird die Nachfrage nach Ganztagsangeboten, aber auch nach einem warmen Mittagessen steigen. Wir müssen jetzt Lösungen haben, wenn wir das Wohl der Kinder im Auge haben, und dürfen die Suche nach Lösungen nicht auf irgendwelche freiwilligen Patenschaften und Projekte vor Ort übertragen.
Lassen Sie mich noch einen Blick in die Realität von Kindern werfen. 50 % kommen ohne Essen, ohne Frühstück in die Schule. Viele haben noch nicht einmal getrunken, wenn sie in die Schule kommen. Getränke werden in den Schulen nicht vorgehalten. Auch die Frage des Trinkens haben wir bisher nicht ausreichend dimensioniert. Jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig. Die Schulkioske sind ernährungsphysiologisch nicht ausreichend mit Essen versorgt. Nur ein Drittel der Kinder isst überhaupt noch regelmäßig frisches Obst und Gemüse. Viele Kinder wissen gar nicht mehr, wie ein gekochtes Essen schmeckt. Ich erlebe in meinem Schullandheim Kinder, die mir sagen, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein gekochtes Essen in einem Schullandheim erleben. Auch das ist gesellschaftliche Realität in unserem Land.