Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Dass Sie es uns nicht glauben, mag noch angehen. Aber nehmen Sie doch die Stellungnahmen der Versicherungswirtschaft dazu zur Kenntnis. Oder beachten Sie von der CDU die Äußerungen Ihres Ex-Ministers Töpfer heute Morgen im Radio. Dann kann man eigentlich nicht anders, als ernsthaft klimapolitische Konzepte, Maßnahmen und deren konkrete Umsetzung zu fordern.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn man sich die Regierungserklärung angehört und den Koalitionsvertrag angesehen hat - man wird es auch möglicherweise gleich noch erleben -, so mangelt es allem, was sie bisher vorgelegt haben, an einem: Weder im Koalitionsvertrag noch in der Regierungserklärung noch in den wenigen Debatten der letzten Zeit finden sich im Ansatz Äußerungen, wie Sie diese Problematik angehen wollen. Dazu hören wir immer wieder nichts.

(Zuruf von der CDU: Ja, ja!)

Alles zu diesem Thema ist ein Kreuzzug gegen Windkraft, auf den Sie sich verständigt haben. Dieser Kreuzzug - ich kenne das nach fünf Jahren Debatte - gipfelte in der Bemerkung von Herrn Minister Wittke, zu lesen in der „NRZ“ am

13. August, in der er folgendermaßen zitiert wird: „Wir wollen weitere Windkraftanlagen verhindern.“

(Beifall von der CDU - Minister Oliver Wittke: Jawohl!)

- Herr Wittke, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe ja viel dummes Zeug dazu gehört. Aber ich finde, wenn man diese Aussage - Sie als Gelsenkirchener sind prädestiniert, sich zu diesem Thema zu äußern - ernst nimmt, kann ich Sie nur fragen: Wissen Sie eigentlich, was Sie bei den Firmen in Nordrhein-Westfalen - in Gelsenkirchen gibt es Firmen, die sich mit diesem Thema beschäftigen - damit anrichten? Offensichtlich wissen Sie es nicht. Denn es ist unverantwortlich, damit derart leichtfertig umzugehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung: Ich habe verfolgt, dass Sie im Sommer in der Presse sehr aktiv waren.

(Zuruf von Minister Oliver Wittke)

Dann habe ich mich gefragt, ob Sie schon unter dem Kronprinzen-Syndrom leiden. Das kenne ich noch von früher, von Wolfgang Clement. Ich fragte mich, ob Sie sich warmlaufen oder was Sie getrieben hat.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aus meiner Sicht haben Sie in eine Reihe von Fettnäpfchen getreten. An dieser Stelle lagen Sie in der Sache massiv daneben.

Im Moment werden weltweit 8.000 MW pro Jahr in Neubauten umgesetzt. Die deutschen Firmen sind Weltmarktführer. Die Exportanteile erhöhen sich ständig. In Nordrhein-Westfalen gibt es eine ganze Reihe von namhaften mittelständischen Firmen - leider keinen ganz großen Anlagenbauer -, die sehr aktiv sind, die einen sehr guten Ruf besitzen und im Weltmarkt erhebliche Anteile an den Komponenten haben: Eickhoff und JahnelKestermann in Bochum - bei Ihnen in der Nachbarschaft -, Bosch Rexrodt in Witten, Renk in Rheine, die Flender-Tochter Winergy in Voerde oder Siempelkamp in Krefeld, die als einzige Firma in der Lage ist, für die neuen großen Anlagen die Gussteile zu drehen.

Gestern bin ich einer Einladung gefolgt, die sich an Landtagsabgeordnete aus Niedersachsen und aus NRW richtete. Eine Kollegin von der SPD und ein Kollege von der CDU aus Niedersachsen waren auch da; von der Koalition aus NRW natürlich niemand, denn an den Sachthemen besteht im

mer wenig Interesse. Die Firma General Electrics hat uns geschildert, was das für sie bedeutet.

Herr Laumann, die Firma sitzt in Ihrer direkten Nachbarschaft. Sie beschäftigt im Wesentlichen Leute aus dem Kreis Steinfurt, die der früheren Firma Tacke angehört haben, die in einen Vorort von Rheine, nach Salzbergen, gewechselt ist.

Die Firma sagt, sie hat 700 Mitarbeiter in Rheine und einen Exportanteil von 75 %. Der Mutterkonzern sitzt in den USA. Es gibt hier diese eine Tochter, weil das ingenieursmäßige und fachliche Know-how in Deutschland am stärksten ist.

(Zuruf von der CDU)

- Nein. - In der Firma wird natürlich diskutiert, wohin die Neubaukapazitäten für die nächste Generation von 4- und 5-MW-Anlagen vergeben werden sollen. In der Firma wird bei der Mutter auch das Engagement diskutiert, das in China 2006 beginnt. Da wird sehr wohl eine unverantwortliche Äußerung wie die von Herrn Wittke zur Kenntnis genommen. Ich habe keine Probleme damit - um das klar zu sagen -, über Abstände und andere Sachen zu diskutieren. Aber das, was er gemacht hat, ist unverantwortlich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das nehmen die auch zur Kenntnis und werden sich entsprechend entscheiden. Wenn sie den Eindruck haben, dass das in Deutschland nicht mehr gewünscht wird, und wenn Sie sich mit der Linie auch auf Bundesebene durchsetzen, dann werden die nächsten Investitionsentscheidungen für Neubauten eben so getroffen, dass sie in die USA oder gleich ganz nach China gehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das zieht sich durch alle Firmen durch. Das kann eine Landesregierung eigentlich nicht verantworten.

Vielleicht könnten Sie einmal zur Kenntnis nehmen: Wir haben 2.000 Windanlagen und 1 Million Arbeitslose und nicht 1 Million Windkraftanlagen und 2.000 Arbeitslose, Herr Wittke. Wenn Sie das zur Kenntnis nehmen würden, würde vielleicht auch Ihr unverantwortliches Gerede an der Stelle unterbleiben.

Herr Kollege Priggen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Papke?

Ja, natürlich. Bitte schön.

Lieber Herr Kollege Priggen, da Sie hier zum wiederholten Male in wirklich bizarrer Weise versuchen, einen Zusammenhang zwischen der Subventionierung von Windindustrieanlagen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen herzustellen, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen denn immer noch nicht die einschlägigen Untersuchungen, unter anderem des Bremer Energieinstituts und des RWI, bekannt sind, unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen, in denen nachgewiesen worden ist, dass durch die Subventionierung der Windindustrie in Deutschland keine Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern per saldo vernichtet werden. Sind Ihnen diese Untersuchungen denn jetzt endlich bekannt geworden?

(Beifall von der FDP)

Oder darf ich mein Angebot wiederholen, sie Ihnen zur Verfügung zu stellen?

(Beifall von der FDP)

Herr Dr. Papke, das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Sie leben nur auf der Ebene von Untersuchungen und Studien. Ich habe aber zehn Jahre lang in einem Maschinenbaubetrieb gearbeitet, und ich gehe in die Firmen und rede mit den Betriebsräten und mit den Firmenleitungen. Die schildern die Situation ganz anders als Sie aus Ihrer akademischen Sicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, 10.000 Arbeitsplätze in NRW kaputtzumachen. Und es ist bedauerlich, dass die CDU, die ein erhebliches Verdienst bei der Entwicklung der Windkraft hat, Ihnen jetzt auf diesem Irrweg offensichtlich folgen will. Das ist wirklich bedauerlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was die übermäßige Subventionierung angeht - wir beide haben es ja heute Morgen schon im WDR diskutiert -: Wenn ich mir meine Stromrechnung - das können Sie alle machen - der Stadtwerke Aachen ansehe - Herr Kollege Henke, wir kommen aus der gleichen Stadt -, dann sind darin für erneuerbare Energien 0,51 Cent pro Kilowattstunde ausgewiesen.

Wir sind ein 5-Personen-Haushalt. Wir haben Kosten in Höhe von 19,40 € im Jahr für erneuerbare Energien. Aus diesem Topf werden 10 % des Stroms in Deutschland - so weit sind wir mittlerweile - bezahlt. Das ist bei Gott keine Belas

tung, die man nicht tragen kann. Die können wir tragen, die können aber auch andere tragen.

Diese Belastung ist in der Größenordnung auch vertretbar, wenn wir uns angucken, was wir unausweichlich an erneuerbaren Energien herstellen müssen, da wir alle wissen und sachlich damit umgehen müssen, dass Mitte des Jahrhunderts sowohl das Öl zu Ende sein wird als auch Uran und Gas sehr viel weniger vorhanden sein werden. Dann werden wir nämlich die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut haben müssen.

Ihr Kreuzzug ist mir nun lange bekannt. Aber dass die CDU Ihnen in der Art folgt, ist bedauerlich. Am meisten tut mir Leid, dass Herr Wittke auch noch in diesen Chor einstimmt.

Deswegen kann ich nur an Sie appellieren: Bleiben Sie auf dem Weg der Vernunft! 10.000 Arbeitsplätze mit 75 % Exportanteil sind eine Menge wert. Das, was wir als Private an Umlage dafür zahlen, ist aus meiner Sicht vernünftig und vertretbar. - Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. - Für die Fraktion der CDU hat der Kollege Weisbrich das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Priggen, ich muss sagen: Mit diesem Antrag erweisen sich die Grünen einmal mehr als ziemlich rücksichtslose Klientelpolitiker. Arbeitsplätze in der Windkraftindustrie möchten Sie schützen. Arbeitsplätze, die durch überteuerte Energiepreise bereits kaputtgegangen sind oder künftig noch kaputtgehen, werden von Ihnen ausgeblendet.

(Beifall von CDU und FDP)

Auf diese Scheuklappenpolitik, meine Damen und Herren, lassen wir uns ganz bestimmt nicht verengen.

Strom - Herr Priggen, das wissen Sie genauso gut wie ich - ist ein elementarer Produktions- und Kostenfaktor, der die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft in hohem Maße beeinflusst. Die von der Union seinerzeit maßgeblich durchgesetzte Liberalisierung des Strommarktes hat zu Preissenkungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden € geführt. Dadurch sind deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb gestärkt und die privaten Haushalte, insbesondere die Familien, spürbar entlastet worden.

Diesen Erfolg der Liberalisierung hat die rot-grüne Bundesregierung dann total konterkariert, und nicht zuletzt deswegen steht sie jetzt wohl vor dem Aus.

Gegenüber 1998 hat sich die Belastung der Strompreise, die der Staat verursacht hat, also rot-grüne Regierungen verursacht haben, von rund 2 Milliarden € auf rund 12 Millarden € pro Jahr erhöht, zuzüglich Mehrwertsteuer, wie ich anmerken möchte.

Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln rechnet nach der gegenwärtigen Entwicklung mit einem Anstieg der Einspeisevergütung allein aus dem EEG auf knapp 5 Milliarden € im Jahr 2010. Heute schon liegt der Anteil der Windkraft an den förderfähigen EEG-Strommengen bei jährlich etwa 2,6 Milliarden €.