Vielen Dank, Frau von Boeselager. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Becker das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Es ist in der Tat richtig: Der Antrag der SPD-Fraktion ist ein Antrag, der in wesentlichen Teilen schon einmal eingebracht worden ist und seither die Gremien beschäftigt hat. Im Übrigen, Frau von Boeselager, ist das genau ein Beispiel dafür, dass das Vernünftige, was man nahelegen kann, offensichtlich nicht dazu führt, dass das Nahgelegte Ihnen dann auch jeweils so nahe kommt, dass Sie es übernehmen, sondern Sie halten Distanz auch an Punkten, an denen Sie sie nicht halten müssen.
Die Lebenserfahrung der letzten zwei Jahre zeigt, dass nicht ein einziger Antrag bei Ihnen in der von Ihnen beschriebenen Art und Weise zur Einsicht oder zu einer gewissen Besserungsfähigkeit auf Ihrer Seite geführt hat.
Meine Damen und Herren, als originär neuen Punkt in dem SPD-Antrag kann ich nur den Punkt 2 des Forderungskataloges sehen, in dem inhaltlich das Anliegen aufgegriffen wird, das gleich unter dem nächsten Tagesordnungspunkt im Rahmen eines Antrags unserer Fraktion – insbesondere unserer Fraktionsvorsitzenden – diskutiert werden wird, nämlich den Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept andere Möglichkeiten einzuräumen, als das bisher der Fall ist; andere Möglichkeiten insbesondere deswegen, weil gerade strukturschwache Gebiete, Frau von Boeselager, in die Lage versetzt werden sollten, aufzuholen und an dem zu partizipieren, was durch die EU-Ebene zu erlangen ist.
Ja, die Kommunen brauchen eine faire Chance, an den europäischen Förderprogrammen teilzunehmen und die notwendigen Eigenmittel aufzubringen, auch wenn ihre Haushalte das nach den Regeln der Haushaltssicherungskonzepte und der Nothaushalte noch nicht hergeben. Dazu, wie wir uns das vorstellen, wird Frau Löhrmann gleich mehr sagen.
Es kann Sinn machen – vielleicht wird das in nächster Zeit ein Instrument in diesem Hause –, Anträge, die schon einmal behandelt worden sind, neu aufleben zu lassen, um dem, was damals in der Debatte gesagt worden ist, die Realität gegenüberzustellen. Dann könnten auch Sie nicht anders, als uns, wenn Sie objektiv sind, wenigstens klammheimlich zuzugestehen, dass man die
Denn natürlich muss es uns ein gemeinsames Anliegen sein, den europäischen Gedanken und das Europa der Regionen in den Köpfen und Herzen der Menschen in NRW lebendig werden zu lassen. Dieses Europa wächst aber nur dann zusammen, wenn sich die Menschen konkret vorstellen können, welche Bereicherung für sie damit verbunden ist, und wenn es sich nicht immer nur um schwer verständliche und manchmal auch bedrohliche europäische Richtlinien handelt.
Dem Land steht es gut an, den Kommunen dabei zu helfen, dieses Europa auch vor Ort erlebbar werden zu lassen. Die Kommunen in NRW tun dafür ihrerseits im Wege der Partnerschaften und des dazugehörigen ehrenamtlichen Engagements schon eine ganze Menge. Aber es wäre auch wichtig, den Kommunen in NRW Hilfe zu gewähren, das nach wie vor große Gefälle bei der Chance, die europäischen Förderprogramme in Anspruch nehmen zu können, ein Stück weit abzubauen und insbesondere dem ländlichen Raum unter die Arme zu greifen. Denn dort fehlt oft das Personal, und der ländliche Raum hat vielfach das Nachsehen.
Es macht also Sinn, Kompetenz zu stärken und dafür die Beratungsangebote des Landes zu erweitern, Weiterbildungsprogramme und Austauschprogramme gerade auch für die Verwaltungen vorzusehen und damit NRW insgesamt in Europa deutlich besser zu positionieren als bisher.
Es ist schon bemerkenswert, wenn gesagt wird, das angehen zu wollen, gleichzeitig aber kein Handlungsbedarf konstatiert wird und insgesamt keine Bereitschaft erkennbar ist, die Kommunen auf diesem Wege zu unterstützen. Wir denken, Sie setzen, wie bereits zur Genüge postuliert, auf Survival of the fittest – den puren Wettbewerb der Kommunen –, und Sie vergessen die Aufgabe, ganz NRW nach vorne zu bringen, alle Regionen und insbesondere den ländlichen Raum. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Töns, das, was Sie eben geäußert haben, war schon eine Unver
schämtheit. Denn wenn man weiß, wie unfähig die damalige Europaministerin Frau Kraft, Ihre heutige Fraktionsvorsitzende, und Ihr heutiger Kollege und damaliger Europaminister Kuschke bei der Frage einer Landesvertretung in Brüssel waren, ist das, was Sie heute geboten haben, eine bodenlose Frechheit.
Der europäische Einigungsprozess und seine Auswirkungen stellen auch die Regionen und die Kommunen vor große Herausforderungen.
Tut mir leid, Frau Löhrmann, das ist der falsche Zeitpunkt. – Nicht nur, dass sich etwa 70 % der europäischen Vorgaben direkt oder indirekt auf kommunale Aufgabenfelder auswirken, in den Städten bündeln sich auch die intellektuellen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen, mit denen sich Europa im globalen Wettbewerb wirtschaftlich und politisch behaupten kann. Hier wird der europäische Gedanke vor Ort in die Tat umgesetzt.
Unsere Vision – auch meine – war und ist ein Europa der Bürger. Da haben leider die negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden gezeigt, dass Europa noch nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen ist. Wir wollen ein bürgernahes, transparentes, intellektuell reformiertes und zudem ein politisch handlungsfähiges und zukunftsfestes Europa. Daneben ist es für uns im Sinne der Subsidiarität ein vordringliches Ziel, die Mitwirkung von Land und Kommunen in europäischen Angelegenheiten zu stärken. Die von uns geforderte 1:1-Umsetzung von Europarecht in nationales Recht kommt insbesondere den Kommunen zugute.
Erstens. Die Kommunen verschaffen sich bereits heute über ihre Interessenvertretungen und Netzwerke ausreichende Informationen aus Brüssel und auch Gehör in Brüssel. Sie verfolgen das Ziel, den kommunalen Einfluss auf europäische Entscheidungen zu stärken und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern.
Städtenetzwerk EUROCITIES zusammengeschlossen. Bereits im Jahre 2002 hat sich das Netzwerk mit der Kölner Erklärung in den Europäischen Verfassungskonvent eingebracht. Damals bestand die Befürchtung, dass die künftige europäische Verfassung wesentliche kommunale Anliegen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt.
Heute, im Jahre 2007, stehen wir bei 27 Mitgliedstaaten immer noch ohne Verfassung da. Dabei enthalten etwa das europäische Frühwarnsystem und das Klagerecht des Bundesrats und des AdR vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip sowohl für NRW als auch für seine Städte und Kommunen wichtige Regelungen. Hier müssen wir auch im Interesse der Kommunen weiter auf eine Lösung hinarbeiten. Ich hoffe, dass die Bundeskanzlerin das enge Zeitfenster, das sich ihr jetzt bietet, nutzen wird, um die Verfassung voranzubringen.
Zweitens. Die Landesregierung bietet den Kommunen in Europafragen schon heute eine ausreichende Unterstützung, sei es durch Veranstaltungen, Schriftenreihen, Berichte und Newsletter über europarelevante Themen oder die Unterstützung von EU-Programmen, interregionaler Zusammenarbeit oder Netzwerken.
Drittens. Das Land kann den Kommunen nur Anregungen, Beratung und Unterstützung zur Verbesserung des eigenen Europaengagements geben. Die jeweilige Kommune entscheidet im Rahmen ihrer Selbstverwaltung selbst, ob und inwieweit sie die vorhandenen Angebote nutzt. Zur Aus-, Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter sind allein die Kommunen selbst berufen. Die großen Städte erledigen ihre kommunale Europaarbeit schon seit Langem durch spezielle Europareferenten. Hier könnte die Solidarität einen stärkeren Austausch mit kleinen Nachbargemeinden bieten. Kommunen und Kreise, die ihre Europaaktivitäten ausbauen oder ihre Europakompetenz steigern möchten, finden neben entsprechender Fachliteratur ein breites Angebot an Europaseminaren verschiedener Verbände, Lehrstühle der Europapolitik und privater Institutionen.
Ihr Antrag spricht zu Recht die wichtige Funktion des Ausschusses der Regionen an, in dem ich gemeinsam mit dem Kollegen Jostmeier für Nordrhein-Westfalen tätig sein kann. Der AdR bietet einen Ort der Begegnung an, in dem Regionen und Städte bewährte Verfahren austauschen und am Dialog mit den EU-Institutionen teilnehmen können.
Meine Damen und Herren, im Verfassungsvertrag ist die Stärkung der institutionellen Stellung und der politischen Rolle des AdR, die sich bislang auf obligatorische Anhörungen beschränkt, festgeschrieben. Es bleibt also zu hoffen, dass dies bald endlich kommen wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Jetzt hat Herr Minister Breuer für die Landesregierung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Teil, der in der Analyse steht, ist aus unserer, nicht nur aus meiner Sicht nicht viel hinzuzufügen. Es ist völlig richtig, dass die europäische Ebene für die kommunale Seite immer wichtiger wird. Es ist unbestritten, dass immer mehr Richtlinien und Verordnungen, die aus Brüssel kommen, einen unmittelbaren Eindruck auch bei der kommunalen Familie hinterlassen. Aber wenn die Befunde grundsätzlich richtig sind, dann kann von einer Nichtberücksichtigung, wie es dieser Antrag suggeriert, nun wirklich nicht die Rede sein.
Kommunale Interessen finden auf vielfältigem Weg Eingang in die europäische Willensbildung, zum Beispiel über die kommunalen Netzwerke, über die kommunalen Spitzenverbände oder über die Kollegen Europaabgeordneten – die sollen an dieser Stelle nicht vergessen werden – und nicht zuletzt über die Vertretung der Belange der Kommunen, was eine Aufgabe der Länder ist. Ich glaube, dass wir das in den letzten Monaten sehr gut in den Griff bekommen haben.
Dass die Kommunen flächendeckend mit Europa überfordert sind, wie Sie es in Ihrer Rede formuliert haben, stimmt so nicht. Diese Pauschalität ist völlig fehl am Platze. Die Kommunen sind inzwischen deutlich besser, ich würde sagen: sogar teilweise hervorragend aufgestellt, mit qualifiziertem Personal bestückt und europaweit vernetzt. Das sollte man an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Ich finde es unangemessen, das so pauschal zu behaupten.
Richtig ist, dass es weiße Flecken gibt sowohl in der kommunalen Landschaft als auch bei spezifischen Herausforderungen. Wer aber behauptet, die Kommunen in diesem Land würden sich immer noch mit Europa schwertun, wie Sie es dauernd tun, der tut den vielen engagierten und qualifizierten Verantwortlichen Unrecht. Sie sollten die
Ich finde es nicht sehr toll, wenn ich das so sagen darf, einfach einen Antrag immer nur abzuschreiben und im Jahresrhythmus vorzulegen, wenn er parlamentarisch bereits abgearbeitet ist. Sie haben in diesem Hause keine Mehrheit für Ihr Anliegen. Das dann wieder und wieder zu bringen, finde ich parlamentarisch nicht besonders sinnvoll. Ich als Teil der Landesregierung kann mich mit diesem Antrag erst dann auseinandersetzen und werde das auch tun, wenn er die Mehrheit in diesem Hause findet. Das tue ich gerne. Aber Sie sollten auch konstatieren, dass Sie mit diesem Anliegen eines sogenannten Masterplanes hier keine Mehrheit haben.
Ich halte die Begrifflichkeit und auch das, was Sie beabsichtigen, für eine völlig verkehrte Sichtweise. Einen solchen Masterplan wird es mit mir nicht geben; denn aus Ihrer undifferenzierten und lückenhaften Analyse des Status quo folgt, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung die Kommunen praktisch mit einem Masterplan beglücken soll und dass etwas von der kommunalen Selbstverwaltung, was vernünftig und gewachsen ist, abschmilzt. Ich halte das für falsch.
Was die Betroffenheit der Kommunen durch die Umsetzung und den Vollzug von EU-Recht anbelangt, haben wir übrigens klare Zeichen gesetzt. Wir haben mehr als einmal darüber berichtet. Wir wollen, dass Vorgaben aus Brüssel nur 1:1 umgesetzt werden. Das ist ein wichtiger Beitrag. In dem Moment, in dem Sie mehr als 1:1 machen – das haben Sie zwischen den Jahren 1995 und 2005 zu Genüge getan –, haben die Kommunen Probleme, diese Feinheiten in der kommunalen Familie abzuarbeiten.
Meine Damen und Herren, ich möchte darüber hinaus darauf hinweisen, dass wir das mit der Better-Regulation-Initiative, die wir als Landesregierung durchführen – wir führen das als einziges Bundesland, übrigens auch mit dem Kommissar Verheugen durch, der auch in der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen kein Unbekannter ist –,
nicht nur als ständige Aufgabe machen werden, sondern mit den entsprechenden Symposien, die bereits stattgefunden haben und im Juli dieses Jahres stattfinden werden, werden wir einen ständigen Punkt setzen, wo wir mit Entbürokratisierung einen Schritt nach vorne gehen können.
Ich möchte mich mit Ihren parteipolitischen Anmerkungen, die Sie in Bezug auf die Landesvertretung in Brüssel gemacht haben – das scheint des Pudels Kern Ihres Störpotenzials zu sein –, nicht lange aufhalten. Dazu hat der eine oder andere hier im Raum das Passende gesagt. Ich finde es ungerecht, die wirklich gute Arbeit der Kolleginnen und Kollegen, die sich im Übrigen deutlich verbessert hat – ich bleibe auch dabei, dass sie das gut machen –, schlechtzureden. Ich finde es falsch, weil viele Kollegen, die in Brüssel arbeiten, sehr gut zusammenarbeiten; die haben übrigens auch schon unter Rot-Grün gearbeitet. Das möchte ich an der Stelle doch einmal deutlich machen.