Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

Zum totalen Verschuldungsstopp: Ich kann für meine Fraktion erklären, dass wir sehr nahe bei dem Vorschlag sind, den der Finanzminister von

Sachsen-Anhalt in der „Financial Times“ am 5. März dargestellt hat: Jawohl, grundsätzlich totaler Verschuldungsstopp, nur im Katastrophenfall sollten Ausnahmen möglich sein. – Dann müssen wir uns natürlich darüber unterhalten, was Katastrophen sind, wie wir sie definieren.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Staatsverschuldung ist das Unsozialste für die kommende Generation, was es gibt.

(Beifall von der FDP)

Schulden von heute sind die Steuern von Morgen. Der Föderalismus in Deutschland braucht eine transparente Finanzverfassung. Die Verantwortlichkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen müssen für den Bürger nachvollziehbar sein. Nur dann kann er politische Entscheidungen zuordnen und zur Grundlage einer Wahlentscheidung machen. Frau Löhrmann, ich bin da genau bei Ihnen: Finanzverantwortung und Aufgabenverantwortung müssen zusammengeführt werden.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich bedanke mich ganz herzlich. Ich bedanke mich wie mein Vorredner für die Großzügigkeit des Präsidenten, dass er mir die wenigen Sekunden mehr Redezeit zugestanden hat. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Jostmeier. Das Letzte war nicht nötig. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/4338 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im Hauptausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem zu? – Ist jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

6 Europafähigkeit der Kommunen in NRW stärken

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4332

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellende SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Töns das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europafähigkeit der Kommunen ist ein enorm wichtiges Thema, und zwar nicht nur für die Kommunen, sondern ganz besonders auch für die Menschen in unserem Land. Nirgendwo ist die Politik der Europäischen Union für die Menschen so unmittelbar und deutlich erfahrbar wie in den Städten und Gemeinden. Circa 70 % der europäischen Vorgaben wirken sich direkt oder indirekt auf die Kommunen aus. Die Kommunen müssen letztendlich diese europäischen Vorgaben umsetzen.

Das europäische Gemeinschaftsrecht betrifft vor allem die Politikbereiche der Daseinsvorsorge, des Umweltschutzes, der Personal- und Planungssicherheit, der lokalen Wirtschaftsförderung und der öffentlichen Auftragsvergabe. Aber auch im Bereich der Beantragung europäischer Förderprogramme sind besondere Kompetenzen der Kommunen gefragt. Hier stehen die Kommunen nicht nur in nationaler Konkurrenz, sondern die Konkurrenz kommt auch aus 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Sie sehen, die Europafähigkeit ist ein wichtiges Thema für unser Land, und ich glaube, wir sind uns alle in diesem Hohen Hause darüber einig.

(Beifall von der SPD)

Wir sind uns auch darüber einig, dass die Kommunen alle nur erdenkliche Hilfe benötigen, die das Land Nordrhein-Westfalen geben kann. Oder irre ich mich an dieser Stelle? Vor fast zwei Jahren haben wir schon einmal über dieses Thema im Plenum und in den Ausschüssen beraten. Damals – ich vermute, wie heute – hielten alle Fraktionen dieses Thema für wichtig und richtig. Aber dem Antrag zustimmen wollte man vonseiten der CDU/FDP-Koalition nicht.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Kann ich bestä- tigen!)

So ist es, Frau Löhrmann. – Die Damen und Herren von CDU und FDP verwiesen unter anderem auf die beabsichtigte 1:1-Umsetzung der EURichtlinien. Das ist ein interessantes Argument, aber, meine Damen und Herren, leider am Thema vorbei,

(Beifall von der SPD)

weil die Kommunen konkrete Hilfe bei der EU und der Umsetzung der Vorgaben und nicht den Hinweis darauf brauchen, dass das Land die Richtlinien anders bewertet.

Ein weiteres Problem mit dem damaligen Antrag war die Forderung nach einem Masterplan. Diese Forderung ist in unserem heutigen Antrag wieder enthalten. Meine Damen und Herren, ein Masterplan ist nichts anderes als ein Arbeitsprogramm einer Landesregierung mit konkreten Schritten und Projekten, mit einer Zielsetzung und der Erkenntnis, dass gehandelt werden muss. Auf den damaligen Vorschlag meines geschätzten Kollegen Kuschke, die Begrifflichkeit „Masterplan“ in „Arbeitsprogramm“ umzuändern, wollten Sie auch nicht eingehen.

Ihrer Argumentation, die Landesregierung würde sich des Themas annehmen und handeln, wollen wir doch einmal nachgehen. Es stellt sich die Frage, was die Landesregierung bisher für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen getan hat. Haben die Städte und Gemeinden in NRW bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in irgendeiner Form Hilfe erhalten?

Ich erinnere daran, der Europaminister Breuer hatte noch im November 2005 im Plenum gesagt – ich zitiere –:

„Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat zur Stärkung der Europafähigkeit erstmals ein neues Referat in der Staatskanzlei eingerichtet.“

Herr Breuer, mit Verlaub: Das Referat muss wohl eine Sinnestäuschung gewesen sei. Es existiert bis heute nicht. Vielmehr haben Sie die Europaabteilung personell verkleinert, und obendrein haben Sie die Stelle des Leiters der Vertretung des Landes bei der EU in Brüssel mit einem Parteigänger der FDP besetzt.

(Horst Becker [GRÜNE]: Also einer Null!)

An dieser Stelle muss man auch sagen: Herr Stein scheint, was man so hört, mit dieser Aufgabe total überfordert zu sein.

(Dietmar Brockes [FDP]: Völliger Blödsinn! Er hat die Aufgaben, die Sie sechs Jahre lang nicht gemacht haben, ganz schnell ge- löst!)

Sie kommen noch zu Wort, Herr Brockes. – Ich frage Sie, Herr Breuer: Was hat die Landesregierung für die Kommunen getan? Wo ist Ihre Unterstützung? Was tun Sie – das wird ja heute auch noch ein Thema sein – im Bereich der Kofinanzierung der EU-Förderprogramme? Alles Fehlanzeige, Herr Breuer!

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Sie sollten endlich Europa und die Probleme unserer Städte und Gemeinden ernst nehmen. Das

Land hat die Aufgabe und die Pflicht, als Mittler zwischen Kommunen und Europäischer Union zu agieren. Aber vielleicht gibt es ja Grund zur Hoffnung – auch eine Landesregierung kann dazulernen – und Sie, Herr Breuer, und die die Landesregierung tragenden Fraktionen stellen sich hinter unseren Antrag. Für die Städte und Gemeinden in unserem Land wäre das nur gut. Da wir diesen Antrag in den Ausschüssen noch beraten werden, freue ich mich schon auf die Diskussionen. – Glück auf!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion erhält das Wort Frau von Boeselager.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Töns, Sie haben natürlich völlig Recht, dass der Antrag „Europafähigkeit der Kommunen in NRW stärken“ von großer Bedeutung ist. Das geben wir zu. Denn die Europafähigkeit der Kommunen muss im Blickfeld sein – richtig.

Aber: Sie haben diesen Antrag – das haben Sie eben eingeräumt – fast wortgleich schon einmal am 22. November gestellt. Wir haben diesen Antrag damals abgelehnt. Das ist wohl wahr. Außerdem haben wir damals gesagt, dass wir sehr wohl wissen, dass über 70 % der hier im Plenum beratenen Themen von der europäischen Ebene kommen und für die Kommunen von großer Bedeutung sind. Deshalb haben wir uns der Thematik auch angenommen.

Was glauben Sie, warum wir jetzt dazu übergegangen sind, dass die Strukturmittel aus Brüssel demnächst von den Regionen im Wettbewerb errungen werden sollen? Die Vergabe der Strukturfördermittel ist ein Aspekt der hier in Rede stehenden Fragestellung, sodass man sich auch bis in die letzte Kommune hinein mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Warum glauben Sie, dass der Minister in die einzelnen Regionen geht und in ganztägigen Informationsveranstaltungen deutlich macht, was von kommunaler Seite zu beachten ist? Vor Kurzem war er in Hamm und hat dies allen Interessierten erläutert.

Warum, glauben Sie, haben wir in NordrheinWestfalen eine NRW.BANK, die sich für die Städte und Gemeinden mit dieser Thematik beschäftigt?

(Beifall von der CDU – Zuruf von Wolfram Kuschke [SPD])

Sie können gerne davon Gebrauch machen. Ich kann Ihnen nur raten, ihren Städten und Gemeinden zu empfehlen, den Sachverstand in der NRW-Bank abzurufen. Denn die Berater können genau darüber informieren, was zu tun ist, um an Strukturgelder zu gelangen.

Außerdem gibt es mittlerweile entsprechende Broschüren zu den europäischen Förderprogrammen für die Kommunen. Zusätzlich stehen in der Landesvertretung in Brüssel Ansprechpartner bereit, die den Städten und Gemeinden gerne weiterhelfen, sodass diese tatsächlich nicht alleine gelassen werden.

Das ist eine wirklich sehr wichtige Aufgabe. Das geben wir zu. Wir sind auch bereit und willens, uns dieser Aufgabenstellung anzunehmen.

Insofern verstehen wir Ihren Antrag nicht. Denn Sie tun heute so, als wäre überhaupt nichts passiert. Im Gegenteil haben wir entschieden, als Erstes all das anzupacken, was aus Brüssel kommt, beispielsweise alles nur – das ist auch in unserem Interesse gewesen – 1:1 umzusetzen, um das Ganze nicht noch zusätzlich mit unseren eigenen Sondervorstellungen zu befrachten, die die Lage vor Ort für die Städte und Kommunen erschweren würden. Das haben wir sofort realisiert. Ich denke, das ist ebenfalls wichtig.

Natürlich muss man in diesem Themenfeld weiter entwickeln und arbeiten, damit wir die vielen Chancen und Möglichkeiten, die sich innerhalb Europas bieten, tatsächlich vollends nutzen. Das wollen wir gerne in Zusammenarbeit mit Ihnen tun und im Ausschuss diskutieren. Wenn Sie konkrete Ideen und Vorstellungen haben, bringen Sie sie ein. Nur Ihre globale Aussage, wir würden nichts machen und es müsste etwas passieren, reicht uns nicht. Darauf erwidern wir konkret mit dem, was wir schon angepackt haben.

Wenn Sie einen weiteren, zusätzlichen und interessanten Punkt haben, dann bringen Sie ihn uns im Ausschuss nahe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand der Sache verschließen wird, wenn es sachlich und sinnvoll ist. Also: Der Antrag kommt in den Ausschuss. Diskutieren wir ihn dort weiter! Packen wir es an! Ich denke, dass wir dort auf einem sehr guten Weg sind. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP – Carina Gödecke [SPD]: Was erzählen Sie da?)

Vielen Dank, Frau von Boeselager. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Becker das Wort.