Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

nicht nur im Rahmen der Verbesserung des Länderfinanzausgleichs von Bedeutung. Den Ländern mehr Steuerautonomie einzuräumen, ist aus meiner Sicht zudem ein gewichtiges Gegenstück zur Einschränkung der Verschuldungsmöglichkeiten. Ich glaube, dass das wirklich zwei Seiten einer Medaille sind. Nach den bisherigen Beratungen liegt allerdings noch ein tüchtiges Stück Arbeit vor uns, um insbesondere die finanzschwachen Länder hiervon zu überzeugen.

Einen weiteren Aspekt des Antrags möchte ich ansprechen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert – ich darf zitieren –:

„Alle staatlichen Ebenen müssen in die Lage versetzt werden, die ihnen übertragenen Aufgaben bei der Sicherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Gestaltung einer nachhaltigen und sozialen Entwicklung wahrzunehmen.“

Mir fehlt an dieser Stelle der Hinweis, dass wir unsere Ausgaben und Aufgaben immer wieder kritisch auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit überprüfen müssen. Denn solide Haushaltspolitik heißt auch, die Ausgaben an den vorhandenen Einnahmen auszurichten.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich noch darauf eingehen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen es für richtig hält, den Ländern zu unterstellen, dass sie durch lasche Arbeit bei der Betriebs- und Einkommensteuerprüfung Standortpolitik betreiben. Sie werden mir erlauben, dass ich dazu etwas sage.

Die Fakten bleiben Sie natürlich schuldig, Frau Löhrmann. Sie haben vermutlich aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs abgeschrieben. Auch der bleibt den Beweis schuldig. Wir befinden uns bei diesem Thema gerade in einer gesunden Auseinandersetzung mit der Bundesregierung.

Es wäre sicherlich interessant gewesen, zu erfahren, auf welche Länder sich Ihre Vorwürfe beziehen. Nordrhein-Westfalen können Sie dabei gar nicht gemeint haben. Zum einen waren Sie vor uns zehn Jahre an der Regierung und haben sicherlich darauf geachtet, dass alles ordnungsgemäß zugeht. Zum anderen nehme ich an, dass Sie – wie ich auch – von der Qualität der Arbeit in den Finanzämtern unseres Landes überzeugt sind. Denn diese sind anerkannt.

Zur Sache ist zu sagen, dass ein Ländervergleich – bereinigt man die Ergebnisse um regionale und strukturelle Besonderheiten – zeigt, dass ein bundesweit einheitlicher Steuervollzug wei

testgehend gewährleistet ist. Die Beispiele, die uns gebracht werden, stammen aus dem Jahr 1992. Daran sehen Sie, wie weit man zurückgehen muss, um überhaupt etwas zu finden.

Eine weitere Angleichung werden wir insbesondere durch den Ausbau der Controllingsysteme in den Ländern erreichen. Sie wissen: „Fiskus“ ist seinerzeit gescheitert. Wir haben jetzt das Modell „Konsens“ und werden sehr darauf achten, dass wir mit dem, was unter den Ländern machbar ist, entscheidend vorankommen.

Gestatten Sie mir zu diesem Punkt noch eine abschließende Bemerkung: Ich habe mich sehr darüber gewundert – so will ich es einmal ausdrücken –, dass Bündnis 90/Die Grünen den Landtag als Forum nutzen, um die Frage einer Bundessteuerverwaltung zu forcieren. Die Finanzämter unseres Landes leisten vorbildliche Arbeit. Eine Bundessteuerverwaltung bringt keine Vorteile und ist daher für uns keine Handlungsoption.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Eine Bundessteuerverwaltung würde lediglich die föderale Struktur unseres Staates und damit die Position des Landes Nordrhein-Westfalen schwächen. Das ist nicht im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Meine Damen und Herren, insgesamt bin ich auch nach den ersten Diskussionen, die wir in Berlin hatten, optimistisch. Ich sehe der Anhörung mit Zuversicht entgegen. Herr Kuschke hat zu Recht gesagt: Das ist die Chance. – Sicherlich ist die Konstellation in Berlin dazu angetan, das jetzt voranzutreiben. Wir haben auch aufgrund des guten konjunkturellen Zyklus die Möglichkeit zu sagen: Wenn es nicht jetzt passiert, wann dann!? – Dazu sollten wir alle beitragen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Finanzminister. – Für die SPD spricht jetzt der Kollege Schartau.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion zur Reform ist im Landtag schon intensiv im Gange. In dem zuständigen Fachausschuss sind wesentliche Kernthemen bereits angepackt worden. Ich glaube, dass das Angebot im Antrag der Grünen, die Problematik in aller Breite zu diskutieren, zwar interessant ist, dass wir aber vom Endergebnis her darauf achten müssen, dass wir uns in der weiteren Diskussion – vor allen Dingen, wenn

sie auf einen Erfolg zugehen soll – auf die Kernthemen konzentrieren, weil wir sonst keine Chance haben werden, das insgesamt hinzukriegen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich halte es trotzdem für richtig, über den Investitionsbegriff zu diskutieren, weil das, was einmal richtig war, nicht immer noch richtig sein muss. Ich halte es auch für richtig, einmal etwas ausführlicher über das Thema „Generationengerechtigkeit“ – einen Punkt, der teilweise als Vorwurf formuliert wird – zu reden. Denn nicht jede Maßnahme, die in der Vergangenheit über Schulden finanziert wurde, war generationenungerecht. Häufig werden die Effekte solcher Investitionen gerade den zukünftigen Generationen zugute kommen. Insofern ist deren Beteiligung daran genauso wie an den Kosten der deutschen Einheit gerechtfertigt. Deshalb muss bei solchen Begriffen etwas mehr Bodenständigkeit erzielt werden.

Bei dem Thema „Schulden, Schuldenbegrenzung, Schuldenrückführung“ warne ich davor – obwohl uns allen das Suchen nach einem guten und richtigen Weg auferlegt ist –, die Lösungen nur den Leuten am grünen Tisch oder an der Tafel mit einem Stück Kreide in der Hand zu überlassen. Man darf den Blick aus dem Fenster, auf das, was passiert, auf die volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und die Rahmenbedingungen nicht vergessen.

Nehmen Sie alleine das schöne Modell der Schweizer Schuldenbremse. Vom Wort her hört sich das schon sehr sympathisch an. Jeder nimmt es auch gerne in den Mund. Trotzdem wage ich zu bezweifeln, dass es uns gelingen wird, Konjunkturverläufe vorauszusagen, das über teilweise sehr komplizierte Formeln mit Ausgleichsbeträgen hinzukriegen. Es deutet mehr darauf hin, dass das der Anhaltspunkt für eine Überlegung ist, die im Grunde genommen nichts anderes heißt als: Wenn die Konjunktur nach oben geht, baust du deine Schulden ab, und wenn die Konjunktur nach unten geht und du die Ausgaben nicht schnell genug bremsen kannst, musst du die dabei aufgebauten Schulden später abbauen. – Das ist das allgemeine Prinzip, das in den letzten Jahrzehnten aus unterschiedlichsten Gründen nicht eingehalten wurde.

Ich bin der Auffassung, dass Sie beim Thema Neuverschuldung jetzt eine große Chance haben, Herr Finanzminister. Sie sind in einer Situation, in der Sie mit wirklich deutlich zunehmenden Steuereinnahmen jedem vormachen können, wie man das macht. Anhand dieser Geschichte wird man sehr schnell erkennen, ob es nicht andere politi

sche Notwendigkeiten gab, die Sie dazu veranlasst haben, es doch nicht einzuhalten.

Im Allgemeinen würde ich Ihnen dringend empfehlen, in den Ausschussberatungen einen Konsens anzustreben, wenn es denn zu einer bundesweit erfolgreichen Initiative aus NordrheinWestfalen kommen soll. Damit wären vielleicht größere Chancen verbunden, als sie den von Ihnen bis dato unterbreiteten steuerpolitischen Vorschlägen beschieden waren, die zu keinen großen Erfolgen geführt haben.

(Christian Lindner [FDP]: Wie viel Konsens hat denn Frau Kraft beim Thema Solidar- pakt?)

In den Diskussionen wird es sicherlich auch um das Thema „Solidarität der Länder untereinander“ gehen. Es gab bereits Debatten darüber, dass es keine Unterstützung nach Himmelsrichtung und Ähnliches mehr geben darf.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Es muss insbesondere Anliegen von NordrheinWestfalen sein – ich lasse einmal dahingestellt, ob im Rahmen des Solidarpakts I und II; das wird meines Erachtens so weiterlaufen –, sich dafür einzusetzen, dass bei zukünftigen Finanzbeziehungen – das liegt nicht nur in unserem Interesse – darauf geachtet wird, dass es auch außerhalb der fünf neuen Bundesländer Regionen in Deutschland gibt, die ebenso einen Anspruch auf zusätzliche Hilfestellung im Rahmen der Solidargemeinschaft haben. Das heißt: Hilfsbedürftigkeit, aktuelle Notlagen und dergleichen mehr müssen zukünftig Bedingung sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Kurzum und zusammengefasst: Es ist eine interessante Anregung für den Ausschuss in aller Breite. Ich plädiere trotzdem dafür, den Versuch zu unternehmen, auf dieser Basis schnell zu einer Übereinstimmung in den wesentlichen Kernpunkten zu kommen, denn für alles andere ist das Ziel zu ambitioniert und spannend. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schartau. – Für die CDU-Fraktion möchte jetzt Herr Jostmeier noch einmal das Wort ergreifen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant, wie Sie dargestellt haben, dass ich zu diesem Thema auch das Wort ergreifen möchte. Man

kann, liebe Kolleginnen und Kollegen, dankenswerterweise feststellen, dass es Themen im Landtag gibt, die über die parteipolitische Farbenlehre hinweg zu einem großen Konsens führen, nicht nur hinsichtlich der Zielrichtung, sondern zum Teil sogar des Weges.

Man hatte im Vorfeld vor dem Hintergrund, dass wir fünf Geberländer haben und der Rest Nehmerländer sind – wobei man feststellen darf: Die fünf Geberländer sind alle CDU-regiert –, teilweise das Gefühl, als wenn es bei diesem Thema nur um Arm gegen Reich, Ost gegen West, Nord gegen Süd usw. gegangen sei. Jetzt scheint sich die Angelegenheit auf gutem Weg zu befinden. Herr Dr. Linssen hat gerade ausgeführt, dass das Ergebnis ein Pakt gegen die Verschuldung sein könnte.

Ich will die ganze Thematik Föderalismusreform II auch für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer noch einmal in einen größeren staatspolitischen Zusammenhang bringen, meine Damen und Herren: Der Hintergrund für beide Föderalismusreformen war – das ist viel zu wenig bekannt –, dass es seit dem Jahre 1949 ziemlich genau 50 Grundgesetzänderungen gab, die in die Struktur der BundLänder-Kompetenzen eingegriffen haben. 45, also 90 % davon, fielen zugunsten des Bundes und zum Nachteil der Bundesländer aus mit der Folge einer immer stärkeren Entmachtung der Länderparlamente.

Wir können es durchaus als großen Erfolg bezeichnen, dass die wesentlichen Ziele der ersten Föderalismusreform durchgesetzt worden sind, nämlich eine klare politische Verantwortung, eine zweckmäßiger gestaltete öffentliche Aufgabenverteilung und eine mehr austarierte Balance zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel der Entflechtung der Kompetenzen.

Diese Föderalismusreform ist am 30. Juni vom Bundestag und am 7. Juli 2006 vom Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit akzeptiert worden. Am 22. Juli des vergangenen Jahres haben sich die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin darauf verständigt, in einem zweiten Reformschritt explizit die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu regeln.

Die vier Ziele, die wir damit verfolgen, sind auf einem guten Weg. Sie lauten: Wir bauen die Mischfinanzierung ab. Wir stärken die eigene Steuergesetzgebungskompetenz der Länder. Wir schaffen eine Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Wir formulieren eine Schuldenbremse mit materiellen Kriterien und einem Frühwarnsystem zur Vorbeugung gegen Haushaltsrisiken.

Ich kann das, was Sie, Frau Löhrmann, vorhin in Bezug auf die drei systematischen Fehler – systematische Überschuldung, systematische Verflechtung und systematische Verantwortungslosigkeit – vorgetragen haben, gut nachvollziehen. Es ist durchaus zu begrüßen, dass Sie als – ich darf das so sagen – kleinere Fraktion, die nicht entsprechend in der Föderalismuskommission vertreten ist, dieses Thema aufgreifen. Das finde ich gut.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Doch, Herr Kretschmann ist dabei!)

Ich brauche nicht das zu wiederholen, was mein Kollege Klein dankenswerterweise gesagt hat, dass nämlich Ihr Vortrag auch zahlreiche Widersprüche enthält. Sie haben insbesondere einen recht ausführlichen Forderungskatalog beschrieben, aber eine Begründung, die man auch erwarten könnte, liefern Sie nicht.

Lassen Sie mich bei dem von Ihnen aufgezeigten Handlungsbedarf darauf hinweisen, dass an den 39 Jahren SPD-Regierung – bis zum 22. Mai des Jahres 2005 – zehn Jahre auch die Fraktion der Grünen beteiligt gewesen ist und dass man diesen Ausnahmetatbestand …

(Frank Sichau [SPD]: Die FDP nicht verges- sen!)

Die FDP war in der Zeit nicht in der Regierung, Herr Kollege Sichau, und hatte nicht die Verantwortung.

Frau Löhrmann, Sie hätten in Ihrer Regierungszeit – zehn Jahre lang – die Möglichkeit gehabt, die Ausnahmetatbestände nicht ins Werk zu setzen. Die Sachverständigenanhörung, die im Haushalts- und Finanzausschuss am 10. Mai dieses Jahres unter anderem mit Herrn Prof. Schmidt stattgefunden hat, hat ergeben – ich darf ihn zitieren –, dass allein in den 15 Jahren von 1992 bis 2006 10,2 % der Neuverschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen auf diesen Ausnahmetatbestand zurückzuführen sind. – Sie hätten die Chance gehabt, das zu verhindern.

Meine Damen und Herren, zu den Investitionsbegriffen: Herr Kuschke, man kann das so machen, wie Sie gesagt haben, nämlich die Bildungsinvestitionen mit hinein nehmen. Ich warne aber sehr davor, denn dann würden wir in einen Streit darüber geraten, wie wir den Begriff Investitionen neu definieren. Ich teile hier die Ausführungen von Dr. Linssen. Ich warne sehr davor, den Investitionsbegriff aufzugreifen.

Zum totalen Verschuldungsstopp: Ich kann für meine Fraktion erklären, dass wir sehr nahe bei dem Vorschlag sind, den der Finanzminister von